Wie aber entschied das Kammergericht Berlin? Vorauszusetzen ist: Das Kammergericht nahm sich der Sache als Berufungsgericht an. Denn zuvor urteilte bereits das Landgericht Berlin in der Sache – und entschied mit Urteil vom 10. März 2016 im Sinne des enttäuschten Versicherungsnehmers. Folgte doch das Landgericht weitgehend dem Antrag des klagenden Kunden und verurteilte das Versicherungsunternehmen auf Schadensersatz. Gegen dieses Urteil legte der Lebensversicherer vor dem Kammergericht Berufung ein…und scheiterte erneut mit seiner Sicht, denn durch einstimmigen Beschluss wurde die Berufung zurückgewiesen.
Kunde hätte nie Produkt gewählt
So begründete das Kammergericht im Einklang mit dem Landgericht: Bei pflichtgemäßer Aufklärung über das gesamte Konzept hätte der Versicherungsnehmer den Tarif nicht abgeschlossen, weswegen sich der Schaden zunächst tatsächlich aus der pflichtwidrigen Verletzung der Aufklärungspflicht ergibt. Gerade die Tilgungsversicherung als maßgeblicher Baustein des Gesamtkonzeptes deutet nämlich darauf hin, dass eine langfristige Renditeerwartung Ursache des Abschlusses für den Kunden war. Das Versicherungsunternehmen hingegen wollte den erlittenen Schaden für den Kunden relativieren, indem es die Risikolebensversicherung als wesentlichen Baustein des Produkts darlegte. Das Gericht ließ sich aber auf diese Sichtweise nicht ein.
Hätte nämlich der Kunde wirklich als maßgebendes Motiv die finanzielle Absicherung seiner Angehörigen für den plötzlichen Todesfall bezweckt, hätte er ein ganz anderes Produkt bevorzugt. Denn zwar wurden ihm 105 Prozent des Kreditvolumens garantiert, wäre der Kunde plötzlich verstorben. Dennoch hätte die Summe nicht gereicht, die dauerhaften Kosten des Kredits für die Angehörigen zu decken. Auch, dass die Risikolebensversicherung der Frau als Sicherheit eingebracht wurde, spricht dagegen, aufgrund des Risikoschutzes hätte der Mann das Produkt gewählt. Vielmehr ging es um langfristig erwirtschaftete Renditen für die Rente. Und falsche Versprechen diesbezüglich köderten den Mann.
Andere Tilgungsversicherungen bot der Makler nicht an
Auch das Argument, der Mann hätte sich für andere Tilgungsversicherungen entscheiden können, wodurch der Schaden eher der vermittelnden Tätigkeit zugeschoben werden sollte, ließ das Gericht nicht gelten. Denn zwar gab es diese Produkte. Beim Beratungsgespräch des Vermittlers waren dem Kunden aber gar keine alternativen Produkte anderer Versicherer angeboten worden. In diesem Kontext betonte das Gericht auch mehrfach die enge Zusammenarbeit zwischen dem beauftragten Maklerdienst und dem Versicherungsunternehmen. Der abgeschlossene Spezialtarif nämlich war exklusiv für den Vertriebsweg über diesen Maklerdienst entwickelt worden. Auch durfte der Dienst mit der langjährigen Zusammenarbeit werben beim Vertrieb des Produkts.
Fehlverhalten auch durch Versicherer verursacht
Mehr noch: Die mit der Vermittlung beauftragte Maklergruppe wies das beklagte Unternehmen sogar darauf hin, dass Kunden, Steuerberater und Vertriebspartner bereits mit Schadensersatzklagen drohten. Sei doch nicht klar, „in welcher Form und mit welchem Renditeergebnis eine Investition“ im Rahmen des Tarifs erfolge. Dennoch sollten die Vermittler nicht nur weiterhin mit dem unrealistischen Renditeergebnis von 6,85 Prozent jährlich werben, sondern durften sogar einbringen, in der Vergangenheit hätte die Fondsperformance auch schon bei 8,5 Prozent Rendite gelegen (wenngleich ein solches Ergebnis nicht garantiert sei). Keineswegs also lässt sich das pflichtwidrige Verhalten nur dem Maklerdienst sowie für den konkreten Gerichtsfall dem vermittelnden Makler anlasten.
Makler als Erfüllungsgehilfen: Der Versicherer haftet mit
Darüber hinaus aber stellte das Gericht auch klar: Werden Makler oder wird ein Maklerdienst als Erfüllungsgehilfe des Versicherungsunternehmens tätig und übernimmt demnach mit Wissen und Wollen Aufgaben, die typischerweise dem Versicherer obliegen, haftet der Versicherer auch für Fehlverhalten durch den Erfüllungsgehilfen (nach § 278 BGB). So hat sich der Lebensversicherer zur Erfüllung der Aufklärungs- und Informationspflichten des Vermittlungsdienstes bedient und die Erfüllung seiner Pflichten der beauftragten Maklergruppe überlassen. Aus diesem Grund muss sich das beklagte Unternehmen auch „solche in den Antragsgesprächen abgegebenen Erklärungen zu Chancen und Risiken der Anlage zurechnen lassen, die innerhalb der Grenzen ihrer eigenen Aufklärungspflicht nicht geschuldet waren.“ Auskünfte der beauftragten Erfüllungsgehilfen müssen folglich „richtig oder, wenn es um eine Risikobewertung geht, jedenfalls ex ante vertretbar sein“. Ist dies nicht der Fall, steht auch das Unternehmen für das Fehlverhalten der Makler in Haftung.