Kassenpatienten sollen schneller Facharzt-Termin erhalten

Quelle: Achim Melde / Deutscher Bundestag

Gesetzlich Krankenversicherte sollen künftig schneller einen Facharzt-Termin erhalten. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an. So sollen die Ärzte mehr Sprechstunden für Kassenpatienten bereitstellen — und zusätzliche finanzielle Anreize erhalten, wenn sie gesetzlich Versicherte behandeln.

Die Bundesregierung will heute im Bundestag das Terminservice- und Versorgungsgesetz verabschieden. Auf den Weg gebracht hat es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) — und er erhofft sich davon einiges. Eine bessere Versorgung von Kassenpatienten, eine bessere Pflege, mehr Digitalisierung: das soll die Reform bringen.

Mehr Geld für Ärzte, wenn sie gesetzlich Versicherte behandeln

Als eine wichtige Priorität hatte Jens Spahn ausgegeben, dass Kassenpatienten schneller einen Arzttermin bekommen sollen. Und das Versprechen war durchaus vollmundig. „Privat und gesetzlich Versicherte müssen in Zukunft gleich schnell einen Arzttermin bekommen“, sagte der 38jährige vor einem Jahr. Laut einer Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) muss aktuell jeder vierte Kassenpatient länger als drei Wochen auf einen Facharzttermin warten: auf dem Land und bei bestimmten Fachrichtungen wie zum Beispiel Frauen- und Augenärzten teils deutlich länger.

Spahn will das Problem nun mit mehreren Maßnahmen in den Griff bekommen. Zum einen sollen Praxisärzte künftig verpflichtet werden, mehr Zeit für Kassenpatienten vorzuhalten: Künftig sollen sie 25 statt 20 Sprechstunden pro Woche anbieten. Doch damit nicht genug: Ärzte sollen auch finanziell belohnt werden, wenn sie GKV-Versicherte behandeln.

Bisher hätten viele Fachärzte gesagt: Wenn ich einen zusätzlichen Kassenpatienten nehme, bringt mir das finanziell nichts, so erklärte Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Da setzen wir jetzt an. Für jeden Patienten, den sie zusätzlich behandeln oder neu annehmen, werden Ärzte künftig auch besser bezahlt. Wir schaffen den Einstieg in den Ausstieg aus den festgelegten Budgets - auch bei Versicherten, die in offenen Sprechstunden behandelt werden“. Wer schnell einen zusätzlichen Termin erhalte, könne einen Bonus von bis zu 50 Prozent erhalten, erklärt der Minister.

Darüber hinaus sollen auch die Servicestellen besser erreichbar sein: also jene Stellen, die Kassenpatienten Termine innerhalb von höchstens vier Wochen vergeben. Die Hotline unter 116117 soll künftig sieben Tage die Woche und rund um die Uhr Anrufe entgegennehmen.

Ein Problem bei den Servicestellen ist, dass der Patient keinerlei Anrecht hat, an seinen Wunscharzt vermittelt zu werden. Unter Umständen muss er seinen Arzt auch öfters wechseln, was speziell bei schwierigen Vorerkrankungen ein Problem sein kann, wenn der Mediziner seinen Patienten und dessen Gesundheitsbiographie nicht kennt. Der Arzt muss in „zumutbarer Entfernung“ seine Praxis haben. Auf dem Land sind die Wege mitunter länger, wie auch Spahn im Interview einräumt. „Aber die werden Patienten gerne in Kauf nehmen. Zumindest dann, wenn die Alternative ist, ansonsten mehrere Monate auf einen Besuch beim Facharzt zu warten“.

Mehr Ärzte aufs Land, Telemedizin, elektronische Patientenakte

Neben einer besseren Versorgung der Kassenpatienten will Spahn auch dem Ärztemangel auf dem Land entgegenwirken. Wenn sich Ärzte auf dem Land niederlassen, sollen sie künftig Zuschläge erhalten. Zudem sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig selbst Praxen eröffnen oder Alternativen anbieten müssen, wenn es Engpässe in einer Region gibt: zum Beispiel via Telemedizin oder mobilen Praxen, die dann Städte und Dörfer abfahren.

Verbesserungen in der Pflege erhofft sich Spahn dadurch, dass ab 1. Mai 2019 reine Betreuungsdienste zugelassen werden und entsprechend von den Pflegekassen vergütet werden dürfen. Das sind zum Beispiel Dienste, die beim Einkaufen und Putzen helfen, aber auch soziale Aufgaben übernehmen: etwa Vorlesen oder Spaziergänge mit Pflegebedürftigen.

Die festen Zuschüsse der Krankenkassen zum Zahnersatz werden ab Oktober 2020 von derzeit 50 auf 60 Prozent raufgesetzt. Kosten wird das etwa 570 Millionen Euro im Jahr. Weitere 600 Millionen Euro sollen für höhere Honorare von Physio-, Ergo- oder Sprachtherapeuten bereitgestellt werden.

Und die Elektronische Patientenakte soll kommen: Spätestens 2021. Versicherte sollen dann auch vom Smartphone oder Tablet aus auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen können. Probleme machen aktuell noch die notwendigen Schnittstellen für die Sofware in Praxen und Krankenhäusern, berichtet Spahn, hier fehle ein verbindlicher Standard. "Die Gesundheitskarte ist mittlerweile so etwas wie der Berliner Flughafen der Gesundheitspolitik. Wo immer man das Thema erwähnt, gibt es nur ein müdes Lächeln. Wir dürfen diesen Stillstand nicht länger zulassen", sagte er dem RND.

Kritik an Plänen

Zu den angedachten Reformen gibt es auch kritische Stimmen. Speziell Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen hatten das Gesetz von Spahn scharf kritisiert. Sie rechnen mit Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro im Jahr allein für die Arzthonorare, die von den gesetzlich Versicherten geschultert werden müssten. Dem entgegen beziffert die Bundesregierung die Mehrkosten auf „nur“ 600-800 Millionen Euro. Im ZDF-Morgenmagazin verteidigte Spahn die Reform gegen den Vorwurf explodierender Kosten. Er sagte: "Klar müssen Ausgaben über die Beiträge finanziert werden, aber wir haben sehr hohe Rücklagen und Überschüsse im Moment.“

Auch sei gar nicht raus, ob sich die Wartezeiten durch das neue Gesetz tatsächlich verkürzen, so ein weiterer Kritikpunkt. „Es ist davon auszugehen, dass dadurch die Kosten deutlich steigen werden, ohne dass die Versorgung der Patienten sich wesentlich verbessern wird“, positionierte sich die Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) zu Spans Plänen. Stattdessen hätte die Versorgung von schweren Erkrankungen über den Rettungsdienst und leichteren Fällen über den Bereitschafts­dienst weiterentwickelt werden müssen, mahnt die KVB: zum Beispiel durch ein flächendeckendes Netz an zentral gelegenen Bereitschaftspraxen sowie einen separaten Fahrdienst für medizinisch notwendige Hausbesuche. Das werde nun alles über einen Kamm geschoren.

Ebenfalls wird bemängelt, das Gesetz könnte neue Fehlanreize für Kassenärzte schaffen. Weil sie finanziell dafür belohnt werden neue Kassenpatienten anzunehmen, könnte die Versorgung von chronisch Kranken leiden. Aufhorchen lässt, dass die Bundesregierung offenbar nicht vorhat, die Wirkung des Gesetzes zu evaluieren. Auf die Frage, wie sich denn der Erfolg der Reformen messen lasse, antwortete Spahn dem RND: "Ich setze fest darauf, dass mir die Bürgerinnen und Bürger in den vielen Veranstaltungen, die ich besuche, ihre Erfahrungen mitteilen“.