Provisionsdeckel in der Lebensversicherung - gleich mehrfach gedeckelt

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Wer vom Provisionsdeckel in der Lebensversicherung spricht, müsste im Grunde in der Mehrzahl reden: Sieht der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums doch mehrfache Deckel vor. Auf diesen Umstand macht aktuell ein Vertriebsexperte aufmerksam. So macht die neue Reform auch Vorschriften zum Bestand: und setzt mehrere Obergrenzen.

Der Provisionsdeckel in der Lebensversicherung könnte ein vierfacher sein, wenn der kürzlich bekannt gewordene Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums ohne Änderungen umgesetzt wird. Davor warnt aktuell Vertriebsexperte Matthias Beenken in einem Artikel für das „Versicherungsmagazin“. Der Professor an der Fachhochschule Dortmund sieht „eine Reihe Kröten und Unwägbarkeiten für die Betroffenen“. Und das sind vor allem die Versicherungsvermittler, aber unter Umständen auch die Versicherer.

Der Deckel zum Deckel zum Deckel

Die Fakten sind zunächst bekannt: 25 Promille der Beitragssumme soll es künftig maximal als Provision geben, wenn Vermittler eine kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherung an den Mann bzw. die Frau bringen. Wenn der Vermittler bestimmte Qualitätskriterien erfüllt: wenig Storno und nachweisbar zufriedene Kunden, sind bis zu 40 Promille erlaubt.

Das also wäre der erste Deckel. Doch dabei bleibt es nicht, gibt Beenken zu bedenken. Laut Gesetz darf die Provision für maximal 35 Jahre gezahlt werden. Denn die Bruttobeitragssumme, die als Obergrenze für die Abschlussvergütung gilt, entspricht laut Referentenentwurf der Bruttobeitrags-Summe „der zu zahlenden Prämien für maximal 35 Jahre“. Das wäre also Deckel Numero zwei. Die Regeln hierfür sind in den neuen Paragrafen 50a und 50b VAG festgeschrieben.

Problematisch ist der zeitliche Deckel zum Beispiel dann, wenn Versicherte in jungen Jahren eine Altersvorsorge abschließen: ein Vorgehen, das aufgrund des Zinseszins-Effektes ausdrücklich empfohlen wird. Dann nämlich kommen schnell mehr als 35 Beitragsjahre zusammen. Zur Erinnerung: Werden Zinserträge bzw. Renditen wieder investiert, erhöht sich der Anlagebetrag. In den kommenden Perioden wird dann ein höherer Betrag verzinst. Und der Gewinn aus den Zinsen steigt. Es wird also im Idealfall tatsächlich mehr Geld angespart, wenn Sparer zeitig mit der Altersvorsorge beginnen: Dann muss für eine auskömmliche Rente weniger Geld eingezahlt werden.

Dem würde der Referentenentwurf aber keine Rechnung tragen, bemängelt Beenken indirekt. „Offenbar geht das BMF [Bundesfinanzministerium] davon aus, dass man vor einem Alter Anfang/Mitte 30 noch nicht vorzusorgen braucht“, pointiert der Wissenschaftler und Fachjournalist angesichts einer Provision, die sich an maximal 35 Jahren Vertragslaufzeit bemessen darf.

Abschlussprovision + X?

Hier sei auf eine weitere Besonderheit aus dem Gesetzentwurf hingewiesen. „Abschlussprovision“ wird dort nämlich mit einem sehr weiten Begriff definiert, der das bisherige Verständnis sprengt. Sie umfasst, so heißt es im Referentenentwurf: “Sämtliche Vertriebsvergütung (...), die an den Abschluss oder den Fortbestand eines Vertrages oder mehrerer Verträge oder einen sonstigen Erfolg zur Förderung des Abschlusses oder Fortbestands oder der Änderung eines oder mehrerer Verträge anknüpft.“

Spitzfindig ist dies insofern, weil nun auch Vergütungen für den „Fortbestand des Vertrages“ als Abschlussprovision eingerechnet werden. Oder wie es Beenken formuliert: der neue Begriff solle nun auch „alle klassischen Bestands- oder sonst bezeichneten, laufenden Provisionen umfassen“. Mit anderen Worten: Der Begriff „Abschlussprovision“ beinhaltet nun ziemlich genau das, was Versicherer als gesamte Provision zahlen dürfen, mit wenigen Ausnahmen.

Der Grund für diese strenge Definition ist schnell auszumachen. Den Versicherern soll es künftig nicht möglich sein, Einbußen der Vermittler beim Vertragsabschluss einfach auf die Bestandsvergütung umzulegen. Zumindest nicht, ohne dass eine messbare Gegenleistung von den Vermittlern erbracht wird. Hier sei an eine Kritik gegenüber der Branche erinnert, die gelegentlich vom Verbraucherschutz vorgebracht wird: Die Bestandsvergütung werde unabhängig davon gezahlt, ob sich der Vermittler tatsächlich um seine Kundinnen und Kunden kümmert. Selbst wenn er sie nicht regelmäßig kontaktiert, um nach einer neuen Lebenssituation zu fragen, keine Hilfe im Schadensfall leistet und nicht über Neues informiert, hat er Anspruch auf die Gelder.

Darüber hinaus sind im Referentenentwurf strenge Ausnahmen definiert, wann doch zusätzliches Geld im Bestand gezahlt werden darf: für Dienstleistungen nämlich, die konkret, bewertbar und belegbar sein müssen. Auch hierfür gibt es gesetzliche Vorgaben. Es darf nämlich nicht mehr gezahlt werden, als ein Unternehmen vernünftigerweise an fremde Dienstleister zahlen würde.

Übrigens fallen auch abschlussbezogene Boni wie Incentive-Reisen unter den Deckel: Sie sollen ebenfalls keine Chance bieten, die Obergrenze für Provisionen auszuhebeln. Vertriebsexperte Beenken gibt nun zu bedenken, dass die neuen Regeln auf ein Comeback der Einmalprovision bei Vertragsbeginn hinauslaufen könnten: die Vergütungen also nicht über die Laufzeit verteilt werden. Das kann sich im Zweifel nachteilig für den Altersvorsorge-Sparer auswirken, wenn die gesamte Vergütung bereits zu Beginn abgeknapst wird.

Abzinsung könnte Spielraum für Provisionen weiter einschränken

Ein weiterer Vorschlag aus dem Referentenentwurf könnte das Comeback der Einmalprovision begünstigen. Die laufenden Vergütungen sollen von den Versicherern abgezinst werden dürfen, um die Gesamtabschlussprovision bei Vertragsbeginn zu ermitteln. Hierfür werde ein variabler Zinssatz vorgeschlagen, berichtet Beenken, der von der Deutschen Bundesbank monatlich ermittelt werde. Er orientiert sich am Zehnjahresschnitt von Zinsen mit 15 Jahren Restlaufzeit, die nach § 253 Absatz 2 Satz 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) errechnet werden. Für das Abzinsen "ist jeweils der für das Ende des letzten Kalenderjahres vor Abschluss des vermittelten Vertrages veröffentlichte Zinssatz zu verwenden", heißt es im Papier des Bundesfinanzministeriums.

Wenn Versicherer davon Gebrauch machen wollen, wirke sich das aber auch auf die Höhe der erlaubten Provision aus, gibt Beenken zu bedenken. Zunächst einmal müssen die Versicherer jedes Jahr prüfen, wie sich der Marktzins verändert hat und ob sich dadurch die Gesamt-Abschlussprovision in Relation zur Beitragssumme eines Vertrages ändere. Und unter Umständen müsse dann die Provision mit den Vermittlern jedes Jahr neu verhandelt werden. Mit anderen Worten: Es entsteht ein gewaltiger bürokratischer Mehraufwand, wenn das Verfahren der Anpassung nicht weitestgehend digitalisiert und automatisiert werden kann. Damit auch Mehrkosten für die Kundin und den Kunden.

Im Niedrigzins-Umfeld kann das Prozedere des Abzinsens aber die Höhe der erlaubten Provision weiter einschränken. Je niedriger der Abzinssatz, desto höher wäre der aktuelle Barwert der laufenden Vergütung, gibt Beenken zu bedenken. Der Provisionsdeckel wäre damit von Jahr zu Jahr schneller erreicht, wenn die Zinsen weiter sinken. Damit dürfte den Vermittlern auch weniger ausgezahlt werden.

Wo sind die Grenzen für Honorare?

Ärgerlich sei darüber hinaus, dass es für Honorare keinen Deckel gebe. Diese werden vom Verbraucherschutz bevorzugt und sollen gefördert werden. "80 Promille ohne Stornohaftung - das hatten wir alles schon mal", schreibt Beenken.

Ein Beispiel nennt der Fachmann zwar nicht. Wie auch Honorarberatung für intransparente Geschäfte genutzt werden kann, zeigte aber vor zwei Jahren der Fall eines Cottbusser Versicherungsbüros, das Netto-Altersvorsorgeverträge der Barmenia vertrieben hat. Der Berater vereinbarte mit dem Kunden eine extra "Ratenzahlungsvereinbarung" als zusätzlichen Vertrag, mit der die Beraterkosten in Raten abgestottert werden sollten. Die vermeintlichen Kosten: 60 Promille. Zu zahlen auch, wenn der Kunde vorzeitig kündigt (der Versicherungsbote berichtete).