Erneut besteht der Verdacht, dass ein Finanzdienstleister tausende Kunden getäuscht hat und so um die Ersparnisse brachte. Dabei könnte eine vermeintlich sichere Anlage regelrecht dahinschmelzen: Die Kundinnen und Kunden glaubten, in Gold investiert zu haben. Nun ermittelt der Staatsanwalt wegen eines Schneeballsystems gegen die PIM Gold aus Hessen.
In Deutschland droht ein neuer Anlageskandal auf dem Grauen Kapitalmarkt. Mehr als zehntausend Kunden haben laut Recherchen von "Spiegel Online" ihr Geld der PIM Gold GmbH im hessischen Heusenstamm anvertraut, einer Stadt im Landkreis Offenbach. Gegen diese Firma ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug. Die 2008 gegründete Firma soll Anleger mit einem Schneeballsystem getäuscht haben, so berichten übereinstimmend mehrere Medien.
Nun dürfte die Firma kurz vor der Insolvenz stehen. "Massenhafte Schadenersatzansprüche wegen Betrug führen nach meiner festen Überzeugung zu einem Insolvenzgrund, mit einer baldigen Antragstellung ist realistischer Weise zu rechnen", zitiert "Spiegel Online" den Verbraucheranwalt Andreas Tilp, der zahlreiche Geschädigte vertritt.
“Gold ist ein sicherer Hafen“
Geworben hat PIM Gold mit einem Investment, das als vergleichsweise krisenfest gilt: Gold. Genauer gesagt mit monatlichen Investitionen in Sparpläne, die Gold als wesentliche Komponente beinhalteten, so berichtet tagesschau.de. Eine dubiose Geschichte: Die Kunden gaben mutmaßlich den Kauf des Edelmetalls in Auftrag, um es dann dem Unternehmen zu überlassen. PIM versprach, das Kapital für den Altgoldhandel zu nutzen und so weitere Rendite zu generieren. Drei bis sechs Prozent sollten so für die Sparer als Rendite drin sein.
Die Firma konnte sich auch damit schmücken, dass sie durchaus positives Medienecho erhielt. So wurde PIM vom Magazin „Focus“ als ein „Wachstumschampion 2018“ gekürt, wie aus einem Advertorial im Berliner „Tagesspiegel“ hervorgeht. Explizit warb der Goldhändler in seinen Anzeigen mit dieser Auszeichnung.
Mit derartigen Lorbeeren geschmückt, betonten die Südhessen auf der Webseite und in Advertorials ausgerechnet die Sicherheit der Geldanlage. Nichts schütze mehr vor Wertverlust und Inflation als purer Sachwert, heißt es an Kleinsparer adressiert: also das Investment in Gold. Und weiter: „Schauen Sie sich die Geschichte an: Bei allen Krisen, Kriegen, Börsencrashs und sonstigen Umwälzungen hat sich das Gold stets als sicherer Hafen bewährt.“
Die Goldlager sind leer
Ob der Hafen tatsächlich sicher ist, daran besteht bereits seit 2017 Zweifel. Ein Ex-Mitarbeiter zeigte damals fast die gesamte Führungsriege an, so berichtet das „Handelsblatt“, teils mehrfach. Die Sache hatte allerdings ein Gschmäckle, denn er arbeitete mittlerweile für einen Konkurrenten. Dennoch: Bereits im Dezember 2017 habe die Staatsanwaltschaft Tresore durchsucht und Vermögenswerte von 3 Millionen Euro gesichert, schreibt das "Handelsblatt": auch aufgrund des Verdachts auf Geldwäsche.
Ungehindert der Vorwürfe konnte der Goldhändler weiter agieren und Neukunden einsammeln. Auch die BaFin schritt zunächst nicht ein. Es sollte weitere zwei Jahre dauern, bis die Staatsanwaltschaft Ernst machte und den Hessen eine Razzia ins Haus schickte. Büroräume von PIM und dem Vertriebspartner Premium Gold Deutschland GmbH (PGD) wurden durchkämmt.
Seitdem erhärtet sich der Verdacht, die Hessen könnten ihre Kunden mit einem Schneeballsystem getäuscht haben. Rund 10.000 Anleger sollen in den letzten zehn Jahren Gold im Wert von rund 150 Millionen Euro erworben haben, was nach aktuellem Marktwert 3,38 Tonnen entspräche. Aber die Goldlager sind leer: es fehlt Edelmetall im Wert von 83 Millionen Euro, berichtet das „Handelsblatt“ am Donnerstag. Während aktuell 2,11 Tonnen in den Safes des Geldhauses lagern müssten, konnten ganze 228 Kilo aufgefunden werden.
Die Lage scheint für die Anleger wenig goldig: PIM-Konten wurden eingefroren, der Geschäftsführer und Hauptverdächtige Mesut P. sitzt in Untersuchungshaft. Gegen vier weitere Vorstände wird wegen des Verdachts auf Betrug ermittelt. Auch andere Informationen, die nun nach außen dringen, sind nicht geeignet die Sorgen der Kunden zu zerstreuen. So soll PIM den Kleinanlegern Gold mit 35 Prozent über dem Marktwert verkauft haben, berichtet "Spiegel Online": Obwohl man den Kunden zugleich höhere Renditen versprach, als für gewöhnlich mit dem Edelmetall erwirtschaftet werden kann. Eine Rechnung, die kaum aufgehen dürfte.
Geschäftsführer Mesut P. hingegen sieht sich als Opfer einer Verleumdung und Schmutzkampagne. Die Angaben des Ex-Mitarbeiters würden auf falschen oder manipulierten Zahlen beruhen, zitiert ihn tagesschau.de. Vor zwei Monaten habe sich der Goldhändler noch positiv geäußert: "Wir sind sehr sicher, dass dieses Verfahren bald eingestellt wird und sämtliche Anwürfe gegen uns im Sande verlaufen werden."
dubiose Vertriebsstruktur
Wenig vertrauenserweckend ist zudem die Vertriebsstruktur der PIM Gold GmbH, schenkt man den Medienberichten Glauben. Über die Vertriebsschwester Premium Gold habe der Händler eine achtstufige Vertriebshierarchie mit steigenden Vergütungen installiert, berichtet „Spiegel Online“. Soll heißen: An einem Neuabschluss verdiente nicht nur ein Vermittler, sondern gleich mehrere kassierten Provisionen. Oft seien die Verträge über Kunden an weitere Kunden vermittelt worden, etwa im Freundeskreis oder im Umkreis der Familie. Auch sie hätten üppige Provisionen erhalten.
Zudem sei fraglich, ob PIM-Gold-Kunden überhaupt rechtliche Eigentümer des Goldes geworden seien, schreibt Spiegel Online weiter. Denn das Gold sei weder an die Kunden ausgehändigt worden, noch ließe es sich eindeutig zuordnen. "Ein Insolvenzverwalter wird großes Interesse daran haben, Rückforderungen an die Kunden zu stellen", wird Finanzexperte Stefan Loipfinger zitiert. Mit anderen Worten: weil das Geld der Sparer wohl verwendet wurde, um Neukunden anzuwerben, nicht aber für den Kauf von Gold, können viele im schlimmsten Fall keine Forderungen gegen die Firma selbst geltend machen.
Vermittler in der Haftung?
Ärgerlich: Die Berichte mehrerer Branchenmedien legen nun nahe, dass auch zahlreiche Finanzanlagenvermittler die Goldsparpläne vermittelt haben. Allein in der Vertriebsfirma PGD seien 300 Vermittler organisiert gewesen, die sich hauptsächlich auf die Goldsparpläne konzentriert hätten, berichtet das "Handelsblatt". Top-Vermittler hätten sechsstellige Provisionen im Jahr eingestrichen.
Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, so haben sie damit nicht nur ihren Kunden geschädigt: sondern der ohnehin schlecht beleumundeten Branche einen Bärendienst erwiesen. Der Ruf der Vermittlerbranche leidet auch wegen Skandalen wie diesen.
Die Vermittler müssen nun damit rechnen, dass sie in Haftung genommen werden, Stichwort: Falschberatung. Es spricht einiges dafür, dass über Risiken der Geldanlage nicht in jedem Fall ordnungsgemäß aufgeklärt wurde. Nach Recherchen des "Handelsblattes" seien schon 2016 lediglich 20 Prozent der Umsatzes durch den Verkauf von Gold und Schmuck sowie Altgoldhandel erwirtschaftet worden. Ein großer Teil sei stattdessen verwendet worden, um Altkunden auszuzahlen, neue Kunden anzuwerben und Provisionen auszuschütten: Es wäre ein klassisches Schneeballsystem.
Anlegeranwälte bringen sich nun bereits in Stellung, berichtet Philipp Mertens von der Düsseldorfer Kanzlei BMS Rechtsanwälte gegenüber dem Fachportal Fonds Professionell. "Das Kalkül ist recht einfach: Wenn überhaupt, dann ist bei den Vermittlern etwas zu holen". Der Anwalt rät betroffenen Vermittlern nun, nicht in Panik zu verfallen und selbst zu versuchen, noch etwas für ihre Kunden zu erreichen. "Es mag vielleicht hart klingen, aber die Freunde von gestern sind die Feinde von morgen!", wird er von Fonds Professionell zitiert: ein bitteres Fazit, das erneut einen Schatten auf die Branche wirft.
Hätte die BaFin einschreiten müssen?
Erneut stellt sich nun die Frage, ob die Finanzaufsicht BaFin zeitiger hätte eingreifen sollen oder gar müssen. Bereits im Winter 2018 hat die Aufsichtsbehörde eine Warnung vor dem seinerzeit angebotenen Kinder-Gold-Konto ausgesprochen: Es fehlte ein vermeintlich erforderliches Verkaufsprospekt, wie es das Vermögensanlagengesetz vorschreibt. PIM Gold habe sich damals damit verteidigen können, dass für Edelmetallgeschäfte ein solches Prospekt nicht erforderlich sei: und nur die Geschäftsbedingungen ein wenig angepasst. Dann durfte der Händler weiter agieren. Viele Anleger hätten seitdem davon abgebracht werden können, in die Firma zu investieren, wenn die BaFin mehr Härte gezeigt hätte.
Griff hier die BaFin zu spät und nicht konsequent genug ein? Laut einem Bericht von ProContra Online hat nun die Bundestagsfraktion der Partei „Die Linke“ das Thema aufgegriffen. In einer kleinen Anfrage zum Verbraucherschutz bei Anlagegeschäften wird das PIM Gold-Produkt für Kinder explizit angesprochen und gefragt, weshalb kein Vertriebsverbot bei Hinweisen auf Ungereimtheiten ausgesprochen wurde. Bereits im Finanzskandal um den Container-Dienstleister P+R und die Dresdner Immobilienfirma S&K musste sich die Finanzaufsicht vorwerfen lassen, trotz Hinweisen auf fragwürdige Geschäfte nicht eingegriffen zu haben.