Teile der SPD tun sich schwer mit einem Erbe, das ihnen die Regierungen Gerhard Schröders überlassen haben: die Riester-Rente und andere Formen der staatlich geförderten Altersvorsorge. Rentenexperte Ralf Kapschack von der SPD-Bundestagsfraktion wirbt nun für ein öffentlich-rechtliches Standardprodukt als Alternative.
In einem Interview mit dem Versicherungsboten hat Ralf Kapschack, zuständiger Berichterstatter im Ausschuss für Arbeit und Soziales für die SPD-Bundestagsfraktion, die Riester-Anbieter kritisiert. „Das Vertrauen in Riester ist ramponiert, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten, Provision und der Unübersichtlichkeit der Produkte. Aber auch wegen der Kapitalmarktentwicklung“, sagte uns Kapschack.
Ganz auf die gesetzliche Rente sollen sich die Bürger dennoch nicht verlassen, mahnt Kapschack an. „Jeder, der kann, sollte zusätzlich für das Alter vorsorgen. Für uns ist jedoch die betriebliche Altersversorgung die beste Ergänzung zur gesetzlichen Rente, allerdings kein Ersatz!“, sagte der 64jährige.
"Öffentlich-rechtliches Standardprodukt"
Nach Ansicht des Ökonomen und langjährigen Journalisten haben es die Versicherer versäumt, selbst für mehr Transparenz und Vertrauen in ihre Produkte zu werben. Die Folge: eine einbrechende Nachfrage im Neugeschäft.
Vorschläge für ein solches Standardprodukt gibt es mehrere. Etwa haben die Verbraucherzentralen das Modell einer "Extrarente" vorgeschlagen. Demnach wird ein privater Kapitalstock bei der gesetzlichen Rentenkasse gebildet. Per Opt-out wird die Extrarente über den Arbeitgeber eingezogen: Jeder zahlt also in den Kapitalstock ein, solange er nicht explizit widerspricht. Auch Selbstständige und Beamte sollen sich beteiligen dürfen. Anlageexperten legen das Geld der Beitragszahler dann in Fonds und Aktien an, ähnlich den Staatsfonds in Schweden und Norwegen. Bei einem solchen Modell wären die Privatversicherer außen vor - ihnen würde ein sehr mächtiger Konkurrent zum gesamten Altersvorsorge-Geschäft heranwachsen.
Aber selbst wirtschaftsnahe Kreise können sich zunehmend mit der Idee eines Staatsfonds für die Extra-Rente anfreunden. Das Ratinghaus Scope schlug einen solchen Fonds als billionenschweren Renten-Puffer für künftige Generationen vor: zu 50 Prozent soll dieser aus Steuergeldern bedient werden und zu 50 Prozent aus Schuldverschreibungen, zum Beispiel über Bundesanleihen. Das Geld steckt der Staat dann ebenfalls in Fonds und Aktien, um den gesetzlich Rentenversicherten einen zusätzlichen Kapitalstock für die Altersvorsorge aufzubauen. Im Gegensatz zum Modell der Verbraucherzentralen würde dieser Fonds aber privat verwaltet - wenn der Staat auch per parlamentarischer Kontrolle eingreifen kann (der Versicherungsbote berichtete).
Reformvorschläge der Branche
Wie erfolgreich die Riester-Rente ist, darüber gibt es zwischen Befürwortern und Gegnern emotionale Debatten. Immerhin knapp 16,6 Millionen Verträge zählte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Ende Dezember 2018.
Doch das Neugeschäft stagniert, netto verloren die Altersvorsorge-Anbieter im abgelaufenen Geschäftsjahr gegenüber dem Vorjahr 10.000 Verträge. Nach Schätzungen des Bundesarbeitsministeriums ist darüber hinaus jeder fünfte Vertrag ruhend gestellt, wird also nicht mehr mit Beiträgen bedient (der Versicherungsbote berichtete).
Befürworter der Riester-Rente betonen, dass es zwischen den einzelnen Anbietern mit Blick auf Kosten und Transparenz große Unterschiede gibt, folglich auch gute Angebote auf dem Markt erhältlich seien: Pauschalurteile gegen die Branche folglich verfehlt.
Doch tatsächlich sieht auch die Versicherungswirtschaft Reformbedarf. So präsentierte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Anfang des Jahres mehrere Reformvorschläge, um die staatlich geförderte Altersvorsorge zukunftsfähig zu machen. Unter anderem soll Riester für alle Steuerpflichtige geöffnet werden: etwa auch für Selbstständige. Auch müsse es deutlich einfacher werden, die Förderung zu beantragen.
wiederholt Kritik an hohen Kosten
In den letzten Monaten sind die Riester-Anbieter wiederholt wegen der vermeintlichen Intransparenz ihrer Produkte in die Kritik geraten. Für Empörung sorgte, dass einige Versicherer ihren Kunden doppelte Vertriebs- und Abschlusskosten berechnen. Demnach verlangen viele Versicherer erneut diese Kosten, wenn Sparer zulagenbedingt ihren Eigenbeitrag senken oder wieder heraufsetzen, wie eine Stichprobe der Marktwächter Finanzen ergab (der Versicherungsbote berichtete).
Betroffen von diesen doppelten Kosten sind vor allem Eltern. Der Hintergrund: Wird ein Kind geboren, so wird die Kinderzulage, die der Staat gewährt, auch auf den Mindestbeitrag angerechnet, der für den vollen Erhalt der Riester-Förderung notwendig ist. Nach Geburt eines Kindes zahlen die Eltern also weniger in ihren Altersvorsorge-Vertrag ein und setzen die Prämien wieder rauf, wenn sie keinen Anspruch auf die Zulage mehr haben. Vier von zehn Riester-Anbietern werten die Anpassung der Beiträge derart, als würde die Kundin bzw. der Kunde einen neuen Vertrag abschließen: und bittet erneut zur Kasse.
Auch Effektivkosten in der Kritik
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte zuvor bereits die hohen Effektivkosten vieler Versicherer kritisiert. Die Effektivkosten geben an, um wie viele Prozentpunkte die Kosten eines Vertrags die Rendite maximal sinken lassen. Aus Sicht des Verbandes ist die Riester-Rente aufgrund hoher Kosten und der Intransparenz der Verträge schlicht ungeeignet für die private Altersvorsorge.
Bei Modellrechnungen von 18 Anbietern hatte ein Riester-Vertrag mit 30jähriger Laufzeit durchschnittliche Effektivkosten von 1,51 Prozent. Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass es zwischen den einzelnen Anbietern große Unterschiede gibt. Die Hannoversche wies beispielsweise im berechneten Tarif nur Effektivkosten von 0,56 Prozent aus (der Versicherungsbote berichtete).