AfD streitet über Rente: "Meuthens Pläne parteischädigend"

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Die AfD hat immer noch kein gemeinsames Rentenkonzept. Parteichef Jörg Meuthen will die gesetzliche Rente am liebsten abschaffen. Damit findet er keine Zustimmung beim Flügel um Thüringens Parteichef Björn Höcke. Ein Thüringer Bundestagsabgeordneter wirft Meuthen nun parteischädigendes Verhalten vor.

Die Alternative für Deutschland (AfD) hat auch sieben Jahre nach ihrer Gründung noch kein Rentenkonzept. Eigentlich wollte die Partei sich im Herbst 2019 treffen, um ein sozialpolitisches Programm abzustimmen. Daraus wurde nichts: auch, weil innerhalb der Partei verschiedenste Modelle aufeinanderprallen und kaum zu vereinen sind. Ein neuer Anlauf ist nun für Ende April geplant.

Wie verhärtet die Fronten innerhalb der Partei sind, zeigt nun ein aktueller Streit. Demnach muss sich Parteichef Jörg Meuthen vom Thüringer Flügel um Björn Höcke indirekt „parteischädigendes Verhalten“ vorwerfen lassen.

“Nicht die Partei, die gesetzliche Rente abschafft“

Konkret geht es um den Forderung Meuthens, die umlagefinanzierte gesetzliche Rente abzuschaffen. Demnach sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer künftig nicht mehr in die Rentenkasse einzahlen müssen. Im Gegenzug aber erwerben die Deutschen auch kaum noch Ansprüche im Alter. Über Steuern finanziert, sollen alle Bürger maximal eine Grundrente ausgezahlt bekommen, die knapp das Existenzniveau sichert. Wer im Ruhestand mehr will, muss privat vorsorgen: über Allianz, Generali und Co. Vorsorgen „können die Einzelnen in der Regel besser als der Staat“, sagte Meuthen in einem „Welt“-Interview.

Mit diesem Konzept aber stößt Meuthen auch innerhalb seiner Partei auf Widerstand. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) kritisierte der Thüringer Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl seinen Parteichef nun scharf. Wer im politischen Wettstreit rausgehe und den Wählern erkläre, er nehme ihnen die gesetzliche Rente weg, dem könne er nur sagen, dass das parteischädigendes Verhalten sei, sagte demnach Pohl bei einer AfD-Veranstaltung in Magdeburg. "Es wäre schon schön, wenn die AfD nicht als die Partei in die Geschichte eingeht, die die gesetzliche Rente abschaffen will.“ Um Meuthens Pläne umzusetzen, müsste die Mehrwertsteuer auf 48 Prozent steigen, gab Pohl zu bedenken - unmachbar.

“Flügel“ in der AfD will gesetzliche Rente ausbauen

Jürgen Pohl gehört dem Flügel um Björn Höcke an: einer Gruppe innerhalb der AfD, die als völkisch und nationalistisch eingestuft wird. Höcke hatte im Juni 2018 ein eigenes Rentenkonzept vorgestellt, das konträr zu dem Modell des eher wirtschaftsliberal orientierten Meuthen funktioniert. Demnach will der Flügel die gesetzliche Rente sogar ausbauen:

Höckes Papier sieht vor, das sogenannte Rentenniveau dauerhaft bei 50 Prozent zu stabilisieren - höher als der aktuelle Wert. Um die Rente zu sichern, will Höcke deutlich höhere Reallöhne zahlen, was zum Beispiel durch einen höheren Mindestlohn gewährleistet werden müsste. Darüber hinaus will der gebürtige Westfale eine sogenannte Staatsbürgerrente einführen: ein Rentenplus, das Menschen mit niedrigen Altersbezügen gegen Armut absichern soll. Allein wer einen deutschen Pass besitzt, soll die Extrarente erhalten. Auch kinderreiche Familien sollen laut Papier begünstigt werden.

In Magdeburg traf sich der AfD-Flügel am Wochenende zu einer Veranstaltung, um für das eigene Sozialkonzept zu werben. Neben Pohl nahmen laut dpa auch Björn Höcke und der Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz teil. Rund 80 Personen seien zu der Veranstaltung gekommen.

Drittes Rentenkonzept: volle Rentenansprüche nur mit drei Kindern

In der AfD existieren aber mehr als zwei Rentenkonzepte, die sich teils gegenseitig ausschließen: ein drittes hatte der Brandenburger Abgeordnete Norbert Kleinwächter zum Jahresanfang 2019 in die Debatte eingebracht. Kleinwächter will Kinderreichtum belohnen und Eltern mit vielen Kindern deutlich mehr Rente auszahlen. Wer hingegen kinderlos bleibt oder nur ein Kind großzieht, würde nach seinem Modell kaum noch Rentenansprüche erwerben.

Kleinwächter will den Eckrentner in der Rentenversicherung neu definieren: Mustermodell für einen Beschäftigten, der für sein ganzes Arbeitsleben ein durchschnittliches versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt bezahlt hat - und 40 oder 45 Jahre in die Rentenkasse einzahlte. Der Eckrentner ist auch maßgebende Größe für das Rentenniveau.

Der Eckrentner bzw. die Eckrentnerin sieht nach Vorstellung des AfD-Politikers folgendermaßen aus: Er oder sie können mindestens 40 Beitragsjahre zur Rentenkasse nachweisen und haben drei Kinder. So viel Nachwuchs sei nötig, um die umlagefinanzierte Rente überlebensfähig zu halten, gibt der Lehrer und Komparatist zu bedenken. Freilich, ohne dass er eine mögliche Zuwanderung einrechnet oder Wohlstandsgewinne aufgrund steigender Produktivität.

Nur zehn Prozent Rentenniveau für Kinderlose

Nach Kleinwächters Modell würden im Jahr 2040 Familien mit drei Kindern ein Nettorenten-Niveau von gut 64 Prozent des Durchschnittslohns erhalten, Familien mit zwei Kindern immer noch rund 53 Prozent. Diese Eltern sollen also deutlich mehr Geld aus dem Rententopf bekommen.

Anders hingegen jene Bürger, die sich weniger fortpflanzungsfreudig zeigen. Eltern mit einem Kind sollen eine Rente erhalten, die einem Rentenniveau von 38 Prozent entspricht. Bei kinderlosen Arbeitnehmern sind sogar nur zehn Prozent Rente angedacht. Mit anderen Worten: Sie zahlen genau so viel wie die anderen in die Rentenkasse ein. Erhalten aber fast nichts daraus, weil sie weniger oder keine zukünftige Beitragszahler zeugten.

Das Rentenniveau ist eine komplizierte Größe, die das Verhältnis der Renten zu den aktuell gezahlten Löhnen widerspiegelt. Hierfür wird angenommen, dass ein Arbeitnehmer 45 Jahre lang immer das Durchschnittseinkommen verdient hat und entsprechend in die Rentenkasse eingezahlt hat. Seine daraus erzielte Rente wird nun ins Verhältnis zum aktuellen durchschnittlichen Lohn der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (nach Abzug der Sozialbeiträge) gesetzt.

Die Positionen zeigen die Zerrissenheit der AfD. Als der Versicherungsbote für sein aktuelles Fachmagazin alle im Bundestag vertretenen Parteien fragte, wie sie sich die Zukunft der Rente vorstelle, antwortete eine einzige Partei nicht: die Alternative für Deutschland (AfD). Der Verdacht lag nahe, dass dies an einem fehlenden Rentenkonzept liege. Ob die AfD doch noch ein abgestimmtes Konzept präsentieren kann, wird sich frühestens im April zeigen.