Um was ging es konkret bei dem Rechtsstreit, über das der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden urteilen musste? Ein Mann brauchte Geld für eine geplante Sanierung seines Hauses. Aus diesem Grund suchte er seinen Makler auf und wollte sich zu Möglichkeiten beraten lassen, Ansprüche aus mehreren Lebensversicherungen in bares Geld umzuwandeln. Grundlage des Beratungsgesprächs war ein Versicherungsmaklervertrag. Auf Rat des Maklers verkaufte der Versicherungsnehmer in der Folge drei seiner Lebensversicherungen an eine Aktiengesellschaft.
Freilich: Der Finanzierungsbedarf schien zeitliche Flexibilität zu ermöglichen. Denn der Versicherungsnehmer akzeptierte bis zum Erhalt des Kaufpreises einen beachtlichen Stundungszeitraum von immerhin sechs Jahren. Es kam, wie es kommen musste: Die aufkaufende Gesellschaft wurde zahlungsunfähig, für die Insolvenz griff zudem eine ausländische Rechtsordnung. Der Versicherungsnehmer verlor in der Folge alle seine Ansprüche aus den Leben-Policen und musste außerdem den Totalausfall seiner Forderungen verkraften.
Aus diesem Grund klagte nun der Geschädigte gegen den Makler auf Schadenersatz und machte hierfür einen Beratungsfehler geltend. Insgesamt 54.256 Euro zuzüglich Zinsen sollte der Makler nun zahlen. Und der Makler musste zahlen – denn nachdem die Klage noch in erster Instanz durch das Landgericht Leipzig abgewiesen wurde (Az. 02 O 3922/15), hatte der Versicherungsnehmer in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Dresden Erfolg.
Kapitallebensversicherungen aus Sicht des Gerichts: Das besondere Beratungsbedürfnis
In Berufung musste das Oberlandesgericht für sein Urteil entscheiden, ob der Makler seine Beratungs- und Dokumentationspflichten verletzt hatte. Zunächst führte das Gericht hierfür aus, was der Makler im Beratungsgespräch eigentlich hätte leisten müssen. Laut Paragraph 61 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist die Komplexität des Versicherungsvertrags bei der Beratung zu berücksichtigen. Kapitallebensversicherungen sind zudem laut Gericht "besonders beratungsbedürftige Versicherungsverträge“. Berät ein Makler zu solchen Verträgen, muss er laut Gericht seine Kunden auch „regelmäßig auf die Folgen und Risiken der vorzeitigen Kündigung" hinweisen.
Der Makler hätte über Alternativen zum Verkauf beraten müssen – Beitragsfreistellung, Darlehen, Kündigung
Und mehr noch: Verschlechtert sich die finanzielle Situation eines Kunden, muss über Möglichkeiten aufgeklärt werden, darauf zu reagieren. Das ergibt sich aus der langfristigen Laufzeit der Verträge. Denn Situationen des Kunden können sich mit der Zeit verändern, und zwar auch zum Schlechten. Sucht dann ein Kunde Rat bei einem Makler, muss der Makler in genügendem Umfang Möglichkeiten aufzeigen, auf die neue Situation zu reagieren.
So hätte der Makler auch über Alternativen zum gewählten Verkauf der Policen aufklären müssen. Das Gericht benennt ganz konkrete Alternativen, zu denen es Rat erwartet hätte – die Möglichkeit einer Beitragsfreistellung zur Reduzierung der Beitragslast, die Aufnahme von Policendarlehen (und damit ein gewährtes Darlehen auf die Versicherungssumme der Policen) oder die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung der Lebensversicherungsverträge.
Der Makler hätte zum einen diese Möglichkeiten erwähnen, zum anderen auch Vor- und Nachteile dieser Alternativen benennen müssen. Nur durch eine solche Beratungsleistung hätte der Makler laut Darstellung des Gerichts seine Pflichten gemäß Paragraph 61 VVG erfüllt und wäre demnach nicht gemäß Paragraph 63 VVG zu Schadenersatz verpflichtet.