Berufungsgericht entschied: Das Landgericht hätte das Privatgutachten einbeziehen müssen
Denn das Landgericht hatte einen Fehler begangen: Es berief sich auf das Gutachten des eigenen Sachverständigen, ohne auf das detaillierte Gutachten des Versicherungsnehmers einzugehen. Dies bewertete das Oberlandesgericht als "Gehörsverletzung" und "Fehler bei der Beweiswürdigung". Auf Berufung des klagenden Versicherungsnehmers kassierte das Oberlandesgericht Naumburg das Urteil aus erster Instanz demnach wieder und sprach nun dem Marktleiter auch Leistungen der BU-Rente zu.
Auch das Oberlandesgericht berief sich für sein Urteil auf ein eigenes Gerichtsgutachten und war, aufgrund des eigenen Sachverständigen, deutlich von seinem Urteil überzeugt – eine Revision des Versicherers wurde zunächst nicht zugelassen. Erst über eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß Paragraph 544 Zivilprozessordnung erreichte das beklagte Versicherungsunternehmen, überhaupt ein Revisionsverfahren in Gang zu setzen.
Erfolg des Versicherers in Revision: Ausgang des Verfahrens wieder offen
Und nun neigte sich Justitias Waage zwar nicht zugunsten des verklagten Versicherungsunternehmens, aber zumindest zugunsten eines offenen Ausgangs. Denn in Revision wurde das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und der Fall, zur neuen Verhandlung und Entscheidung, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Und dies ist darin begründet, dass das Oberlandesgericht einen Fehler des Landgerichts wiederholte.
Denn auch das Oberlandesgericht hatte sich auf den eigenen Sachverständigen berufen und hierbei nun allerdings jenes Privatgutachten in seinen Urteilsgründen missachtet, das die Versicherung in Auftrag gab. Bereits vorliegende Gutachten dürfen allerdings nicht übergangen werden. Im Gegenteil!
Widersprechende Gutachten erfordern besondere Sorgfalt
Denn der Bundesgerichtshof stellt deutlich heraus: Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so sei vom Tatrichter sogar besondere Sorgfalt gefordert. Der Tatrichter dürfe in einem solchen Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht einfach dadurch entscheiden, dass er „ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt“.
Stattdessen müssen Einwände der Privatgutachten oder sich widersprechender Gutachten ernst genommen werden – ihnen ist gezielt nachzugehen. Der zugrunde liegende Sachverhalt der Privatgutachten ist weiter aufzuklären, bevor geurteilt wird.
Gegebenenfalls: Gegenüberstellung der Gutachter
Mehr noch: Gegebenenfalls muss das Gericht eigene Sachverständige unter Gegenüberstellung mit den Privatgutachtern anhören. Erst so ist zu entscheiden, wieweit das Gericht dann tatsächlich den Ausführungen des eigenen Sachverständigen folgen will oder wieweit es den privaten Gutachtern folgt. Das Urteil kann auf den Seiten des Bundesgerichtshofs nachgelesen werden.