Die b2b Protect GmbH aus Hildesheim betrachtet neuartige versicherungstechnische Lösungen als ihr Kerngeschäft – mit besonderem Schwerpunkt auf den Themen Wetterrisiken und Energieeffizienz. Ein Grund für den Versicherungsboten, mit Sebastian Sieloff zu sprechen – zuständig für Produktentwicklung sowie Risikoanalyse in dem Unternehmen. Beraten doch die Experten aus Hildesheim, unter der Marke „WetterProtect“, auch zu parametrischen Wetterversicherungen. Diese noch relativ neuen Produkte auf dem deutschen Markt basieren auf Wetterdaten und sichern gewerbliche Risiken ab.
Versicherungsbote: Können Sie Ihr Unternehmen kurz vorstellen? Und wie kamen Sie darauf, Wetterversicherungen zu Ihrem Geschäftsgebiet zu machen?
Sebastian Sieloff: WetterProtect wurde von unseren Gesellschaftern im Jahr 2012 gegründet. Einige Gesellschafter kamen aus dem Versicherungsbereich und erkannten, dass der Klimawandel uns vor Herausforderungen stellt. Es gab viele Schäden, die zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht abgesichert werden konnten. Und Wetterindexversicherungen oder parametrische Wetterversicherungen – das kann man synonym verwenden – sind eben ein mächtiges Werkzeug, um geschäftliche Risiken des Klimawandels abzusichern.
Was wir tun, ist letztendlich Beratung. Wir beraten Makler. Wir beraten Versicherer. Wir beraten auch Unternehmen und Rückversicherer bei der Entwicklung von geeigneten Produkten. Wir gehen zu einem Kunden und schauen uns an: Was ist überhaupt das Risiko, wo ist er betroffen? Gibt es ein passendes Produkt? Wir beraten Versicherer auch dabei, neue Versicherungsprodukte in diesem Bereich der Wetterversicherung zu entwickeln. Und wir beraten Entwicklungsbanken dabei, wie man geeignete Versicherungsprodukte entwickelt und anbringt.
Risikoanalyse und Suche des passenden Produkts – das klingt nach Makler-Tätigkeiten. Vermitteln Sie also auch, quasi wie ein Makler, die Produkte?
Wir können zum Beispiel anbieten, dass wir Kundengespräche gemeinsam mit dem Makler führen, wenn sich Fragen stellen. Wir können bei der Analyse des richtigen Produktes helfen. Wir können auch unterstützen, wenn ein Makler ein bestimmtes Produkt oder einen Versicherer mit ins Portfolio nehmen möchte. Wir haben zum Beispiel Vertriebstools entwickelt, mit denen die Bepreisung beim Kunden direkt vor Ort stattfinden kann.
Und wenn ein Makler jetzt plant, ins Geschäft einzusteigen, kann er sich quasi an Sie wenden, um die Produkte entwickeln zu lassen?
Genau: Er kann anfragen, welche Art von Kunden er hat oder was er glaubt, als Wetterrisiko für den Kunden identifiziert zu haben. Dann können wir helfen, passende Absicherungen zu entwickeln oder anzubieten – je nachdem, was eben notwendig ist. Das Vorgehen hängt auch immer davon ab, wie tiefgehend sich ein Makler schon mit der Thematik Wetterindexversicherung beschäftigt hat.
Und plant ein Makler, neu ins Geschäft mit Wetterindexversicherungen einzusteigen – was ist da beachtenswert? Was muss er über das Produkt wissen?
Grundsätzlich: Eine Wetterindexversicherung versichert einen Index. Man schaut sich mögliche Schäden an – bei Wetterindexversicherungen geht es um finanzielle Verluste, die zum Beispiel durch Umsatzausfall, durch Arbeitsausfall, durch Mehrkosten verursacht werden. Idealerweise sollte man damit anfangen, überhaupt Kunden zu identifizieren, die ein Wetterrisiko in ihrem Geschäft haben – Bauunternehmen sind da zum Beispiel ganz klassisch.
Wenn Sie im Frühjahr beispielsweise noch lange morgens Bodenfrost haben, können Sie als Bauunternehmer nicht arbeiten. Dann haben Sie Arbeitsausfall, müssen aber Mitarbeiter bezahlen. Auch die Agrarwirtschaft ist stark von ungünstigen Wetterereignissen betroffen. Oder kleinere Stadtwerke könnten interessant sein. Weil: Gibt es zum Beispiel einen warmen Winter und es wurden zuvor Verträge abgeschlossen, Gas einzukaufen, bleiben die Unternehmen auf dem Gas sitzen. Oder Sie haben Events, bei denen es kräftig regnet…
...es stehen zunehmend Satellitendaten zur Verfügung
Versicherungsbote: Aufgrund von Regen oder schweren Gewittern wurden ja auch schon Veranstaltungen abgebrochen, wie "Rock am Ring“ in 2016. Man kann sich vorstellen, dass da enorme Verluste entstehen.
Sebastian Sieloff: Genau! Nur: Was sichern Sie für diesen Fall über eine klassische Versicherung ab? Da können Sie nur absichern, dass die Veranstaltung komplett ausfällt, weil ein Ordnungsamt sagt: „Nein, ihr dürft jetzt nicht mehr die Veranstaltung stattfinden lassen“. Aber bei einer Entscheidung des Veranstalters, zu sagen: „Die Veranstaltung kann so nicht weitergehen“…
… greifen Bedingungen einer klassische Versicherung mitunter nicht? Und hier greifen dann die Parameter, wenn ich es richtig verstanden habe?
Ja. Denn was tut eine Wetterindexversicherung? Man schaut sich im Voraus an: Was sind mögliche Schäden, was ist der Auslöser – also zum Beispiel Niederschläge über einen bestimmten Zeitraum, bestimmte Temperaturen im Durchschnitt oder zu bestimmten Uhrzeiten. Und man vereinbart eine Wetterstation oder eine andere Datenquelle. Und man legt fest: Wenn dort, an dieser Station, dieses Wetterereignis gemessen wird in diesem Zeitraum oder zu diesem Zeitpunkt, wird die im Voraus berechnete Deckungssumme ausgezahlt. Das ist im Prinzip, wie eine Wetterindexversicherung funktioniert.
Dazu greifen wir in der Regel auf die Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zurück, der hat in Deutschland ein sehr gut ausgebautes Netz. Man kann natürlich auch mit privaten Wetterdiensten zusammenarbeiten, man kann Satellitendaten verwenden oder andere Dinge – das wird auch in Zukunft sicherlich noch mehr in den Fokus treten, dass zusätzliche Datenquellen überall verfügbar sind. Nicht alle haben aber die Qualität, dass man sagen würde: Darüber kann man versichern. Gerade bei vielen kleinen Sensoren, die irgendwo mitverbaut sind, reicht die Qualität nicht aus. Wenn Sie hingegen eine Messung des DWD haben, hat dieser ganz klare definierte Standards.
Ist es denn ein Problem, wie der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) geschrieben hat, dass oft noch zu wenige Wetterstationen existieren oder Daten nicht verfügbar sind?
Der Hinweis geht in die richtige Richtung, ist aber zu stark vereinfacht. Der Hintergrund ist: Für die Risikokalkulation werden eben Wetterdaten benötigt. Und gerade für längerfristige Events muss man die lokale Historie fast lückenlos vorliegen haben – zum Beispiel zu extremeren lokalen Wetterereignissen. Wenn die Wetterdaten nicht vorliegen und man erst eine neue Wetterstation aufbaut, dann dauert es ein paar Jahre, bis Sie eine gewisse Historie haben, bei der sich der Versicherer wohlfühlt und sagt: Das kann ich versichern.
Wenn wir jetzt aber, wie es momentan geschieht, zunehmend Satellitendaten verfügbar machen über Programme der Europäische Raumfahrtagentur (ESA) oder wenn der Deutsche Wetterdienst mehr Stationen aufbaut und Daten sammelt und auswertet, schaffen wir für die Zukunft eine Versicherbarkeit dieser Wetterparameter. Insofern – der GDV hat schon recht – brauchen wir mehr Wetterstationen und mehr Datensammelpunkte.
Also gibt es tatsächlich Gegenden, wo die Versicherung noch nicht abgeschlossen werden kann, weil die Daten noch nicht vorliegen?
Naja, sagen wir mal so: Es gibt bei den Wettermessstellen Unterschiede: Gebiete, die sehr gut abgedeckt sind, andere hingegen nicht. Generell ist die Abdeckung in Deutschland sehr gut. Problematisch wird es zum Beispiel, wenn Sie sich auf einer Seite eines Berges befinden. Da kann es sein, dass mit Luftlinie drei Kilometer hinter dem Berg die Interpretation der Daten nicht mehr sinnvoll ist. Denn auf der anderen Seite des Berges ist die Situation nicht mehr vergleichbar.
Da ja auch wenige geographische Unterschiede einen großen Unterschied in der Wetterhistorie bedeuten können?
Ja. Deswegen brauchen wir mehr Wettermessungen. Grundsätzlich haben wir aber schon eine sehr gute Abdeckung, gerade auch im internationalen Vergleich.
Wann leistet die Wetterversicherung?
Versicherungsbote: Wir hatten soeben die Messbarkeit des Wetters als Thema. Aber es geht auch um die Frage nach dem Schaden. Wann leistet die Versicherung? Ist es so, dass – ich weiß nicht, ob die Formulierung richtig ist – nicht nach einem entstandenen Schaden geleistet wird, sondern wirklich nach den Parametern?
Sebastian Sieloff: Also sachlich ist das richtig. Der Punkt ist aber: Natürlich wird bei so einer Versicherung vorher entsprechend genau hingeschaut und analysiert. Im Normalfall sollte der Schaden auch der vereinbarten Schadensumme bei dem festgelegten Parameter entsprechen.
Die Analyse kann mitunter relativ einfach sein. Am Beispiel Bodenfrost sehen Sie das: Da ist ein Handwerksbetrieb mit fünf Mitarbeitern, ein Dachdecker-Betrieb zum Beispiel. Und dieser Betrieb möchte im Frühjahr eben versichert haben, dass Tage mit Bodenfrost sich nicht übermäßig häufen. Pro Tag, an dem es über eine normale Wetterhistorie hinaus Bodenfrost gibt, braucht der Unternehmer eben eine Auszahlung von „x“. Das kann man relativ schnell kalkulieren.
Wichtig ist aber auch: Natürlich kann ein Unternehmen nie sein komplettes Geschäftsrisiko über das Wetter absichern. Sondern letztendlich geht es immer um Extreme. Denn das Risiko spiegelt sich auch irgendwo in der Prämie wider. Sobald also durchschnittlich zwanzig Tage Bodenfrost herrschen um zehn Uhr morgens, wenn gearbeitet werden soll in dieser Zeit, kann man sich sinnvollerweise nicht ab dem ersten Tag darüber hinaus versichern. Sondern man schaut: Was wäre jetzt ein extremes Ereignis, das mir auch ordentlich weh tut? Es geht darum, Spitzen abzufedern und nicht das, was sowieso jeden Tag passiert.
Wir haben verschiedene, jeweils spezifische Schadensszenarien. Und diese sind abhängig von spezifischen Wetterbedingungen an einem Ort. Das klingt nach sehr individuellen Produkten.
Sie haben recht: Wetterindexversicherungen sind immer sehr individuell – sowohl die festgelegten Schadensummen als auch die Wetterereignisse, die dann definiert werden. Es ist eben nicht die Gebäudeversicherung, wo fünf Fragen gestellt werden – ganz überspitzt gesagt – und man dann ein Standardprodukt eines Versicherers eventuell anbringen kann.
Welche Vorteile hat die Wetterversicherung gegenüber klassischen Produkten wie die Gebäudeversicherung oder Elementarschadenversicherungen?
Die haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Eine Elementarschadenversicherung versichert zwar auch gegen ungünstige Wetterereignisse. Aber da geht es um tatsächlich vorliegende Schäden, zum Beispiel an einem Gebäude, die müssen repariert werden. Bei der Wetterindexversicherung geht es um finanzielle Schäden – also zum Beispiel Umsatzausfall oder Mehrkosten. Beides kann man nicht in einen Topf werfen.
Denke ich darüber nach, greift ja die Elementarschadenversicherung auch nur bei wesentlich extremeren Wetterereignissen. Die Wetterversicherung greift hingegen auch bei Frost oder häufigen Niederschlag – Dinge, die alltäglicher sind…
Ja. Die Wetterversicherung kann als Instrument genutzt werden, um sich gegen alltägliche Wetterereignisse abzusichern, die aber ungewohnt häufig in einem Jahr auftreten. Und versicherbar sind eigentlich alle Ereignisse, die eindeutig gemessen werden können. Jedes messbare Wetterereignis kann, so gesehen, versichert werden – von Globalstrahlung über Sonnenstunden über Niederschlagsmengen bis hin zu Temperaturen oder eine Kombination daraus. Der Index kann frei gestaltet werden, solange dem dann natürlich mit der Schadensumme ein Schaden gegenüber steht. Was aber zum Beispiel nicht geht, ist Hagel. Denn Sie haben nicht die Möglichkeit, mit einem Becher die Korngröße zu messen.
Das Gespräch führte Sven Wenig