Versicherungsbote: Aufgrund von Regen oder schweren Gewittern wurden ja auch schon Veranstaltungen abgebrochen, wie "Rock am Ring“ in 2016. Man kann sich vorstellen, dass da enorme Verluste entstehen.
Sebastian Sieloff: Genau! Nur: Was sichern Sie für diesen Fall über eine klassische Versicherung ab? Da können Sie nur absichern, dass die Veranstaltung komplett ausfällt, weil ein Ordnungsamt sagt: „Nein, ihr dürft jetzt nicht mehr die Veranstaltung stattfinden lassen“. Aber bei einer Entscheidung des Veranstalters, zu sagen: „Die Veranstaltung kann so nicht weitergehen“…
… greifen Bedingungen einer klassische Versicherung mitunter nicht? Und hier greifen dann die Parameter, wenn ich es richtig verstanden habe?
Ja. Denn was tut eine Wetterindexversicherung? Man schaut sich im Voraus an: Was sind mögliche Schäden, was ist der Auslöser – also zum Beispiel Niederschläge über einen bestimmten Zeitraum, bestimmte Temperaturen im Durchschnitt oder zu bestimmten Uhrzeiten. Und man vereinbart eine Wetterstation oder eine andere Datenquelle. Und man legt fest: Wenn dort, an dieser Station, dieses Wetterereignis gemessen wird in diesem Zeitraum oder zu diesem Zeitpunkt, wird die im Voraus berechnete Deckungssumme ausgezahlt. Das ist im Prinzip, wie eine Wetterindexversicherung funktioniert.
Dazu greifen wir in der Regel auf die Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zurück, der hat in Deutschland ein sehr gut ausgebautes Netz. Man kann natürlich auch mit privaten Wetterdiensten zusammenarbeiten, man kann Satellitendaten verwenden oder andere Dinge – das wird auch in Zukunft sicherlich noch mehr in den Fokus treten, dass zusätzliche Datenquellen überall verfügbar sind. Nicht alle haben aber die Qualität, dass man sagen würde: Darüber kann man versichern. Gerade bei vielen kleinen Sensoren, die irgendwo mitverbaut sind, reicht die Qualität nicht aus. Wenn Sie hingegen eine Messung des DWD haben, hat dieser ganz klare definierte Standards.
Ist es denn ein Problem, wie der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) geschrieben hat, dass oft noch zu wenige Wetterstationen existieren oder Daten nicht verfügbar sind?
Der Hinweis geht in die richtige Richtung, ist aber zu stark vereinfacht. Der Hintergrund ist: Für die Risikokalkulation werden eben Wetterdaten benötigt. Und gerade für längerfristige Events muss man die lokale Historie fast lückenlos vorliegen haben – zum Beispiel zu extremeren lokalen Wetterereignissen. Wenn die Wetterdaten nicht vorliegen und man erst eine neue Wetterstation aufbaut, dann dauert es ein paar Jahre, bis Sie eine gewisse Historie haben, bei der sich der Versicherer wohlfühlt und sagt: Das kann ich versichern.
Wenn wir jetzt aber, wie es momentan geschieht, zunehmend Satellitendaten verfügbar machen über Programme der Europäische Raumfahrtagentur (ESA) oder wenn der Deutsche Wetterdienst mehr Stationen aufbaut und Daten sammelt und auswertet, schaffen wir für die Zukunft eine Versicherbarkeit dieser Wetterparameter. Insofern – der GDV hat schon recht – brauchen wir mehr Wetterstationen und mehr Datensammelpunkte.
Also gibt es tatsächlich Gegenden, wo die Versicherung noch nicht abgeschlossen werden kann, weil die Daten noch nicht vorliegen?
Naja, sagen wir mal so: Es gibt bei den Wettermessstellen Unterschiede: Gebiete, die sehr gut abgedeckt sind, andere hingegen nicht. Generell ist die Abdeckung in Deutschland sehr gut. Problematisch wird es zum Beispiel, wenn Sie sich auf einer Seite eines Berges befinden. Da kann es sein, dass mit Luftlinie drei Kilometer hinter dem Berg die Interpretation der Daten nicht mehr sinnvoll ist. Denn auf der anderen Seite des Berges ist die Situation nicht mehr vergleichbar.
Da ja auch wenige geographische Unterschiede einen großen Unterschied in der Wetterhistorie bedeuten können?
Ja. Deswegen brauchen wir mehr Wettermessungen. Grundsätzlich haben wir aber schon eine sehr gute Abdeckung, gerade auch im internationalen Vergleich.