Wo steigen Kosten und Beiträge schneller und höher? In der Privaten Krankenversicherung oder bei den gesetzlichen Kassen? Eine neue Studie kommt zu Ergebnissen, die alte Vorurteile entkräften sollen.
Beitragsanpassungen in der Privaten Krankenversicherung sind für alle Beteiligten äußerst unangenehm: In erster Linie natürlich für die Versicherten, die höhere Prämien entrichten müssen. Doch auch die Versicherer handelt es sich um eine heikle Angelegenheit: Überschriften, die den Versicherer mit „Beitragsschock“ oder dergleichen in Verbindung bringen, sind Gift für Neugeschäft und Bestand. Was also tun, wenn man weiß, dass anstehende Beitragsanpassungen für einen medienwirksamen Aufschrei sorgen werden? Der erwartbare Imageschaden muss so klein wie nur irgend möglich ausfallen. Gut, wenn man dabei auf neutrale, wissenschaftlich arbeitende Fürsprecher zählen kann.
Wie das dann in der Praxis aussieht, führt gerade die Debeka vor. Am Wochenende titelte zuerst das Branchenmedium Versicherungsmonitor „Beitragsschock bei der Debeka“ und breitete mit Zitaten von Vorstand Roland Weber die Sichtweise des Versicherers aus. Wenig später zog die Süddeutsche Zeitung mit „Saftige Preiserhöhung bei Debeka“ nach. Nicht verwunderlich, denn Frommes Versicherungsmonitor GmbH beliefert auch die SZ mit Inhalten aus der Versicherungsbranche. Damit ist der erste „Aufschlag“ in der Öffentlichkeit erfolgt und gespickt mit Zitaten des Vorstands. Die nachfolgenden Berichterstatter werden sich daran orientieren (müssen).
Der neutrale, wissenschaftliche arbeitende Fürsprecher wird dabei schon angekündigt: Eine Studie des privatwirtschaftlichen IGES Instituts aus Berlin. Die Wirtschaftsforscher haben die Beitragsentwicklung der Debeka-Mitglieder bereits für den Zeitraum 1995 bis 2017 untersucht und konnten für die aktuelle Studie darauf aufbauen. Mit dieser Datengrundlage war es möglich, die individuelle Beitragsentwicklung von fast 800.000 bei der Debeka PKV-versicherten Mitgliedern im Längsschnitt über einen Zeitraum von 20 Jahren (2000-2020) auszuwerten.
Die nun also aktualisierte Studie, deren Teilergebnisse die Debeka am Montag versandte, bestätigt, dass die Beiträge in der Privaten Krankenversicherung (PKV) langfristig nicht stärker steigen als in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Gegenteil: Würde man nur die vergangenen zehn Jahre betrachten, zeigt sich, dass die PKV-Beiträge im Durchschnitt schwächer stiegen, als die GKV-Beiträge:
- GKV-Beitragseinnahmen je Versicherten 2008-2018: Zuwachs um durchschnittlich 3,5 Prozent pro Jahr.
- PKV-Beitragseinnahmen je Versicherten 2008-2018: Zuwachs um durchschnittlich 2,3 Prozent pro Jahr.
Doch kann man vergrämte Kunden mit Durchschnittswerten überzeugen? Eher nicht. Die Studie liefert auch hier die passende Antwort: Über zwei Jahrzehnte seien praktisch alle langfristig bei der Debeka versicherten Beihilfeberechtigten und 85 Prozent der Arbeitnehmer und Selbstständigen durch ihre Prämienveränderungen geringer oder zumindest nicht wesentlich stärker belastet wurden, als dies für sie in der GKV der Fall gewesen wäre. Die Beitragsanpassung 2021 sei dabei schon vollständig berücksichtigt, hieß es zur IGES-Studie.
Oder, in konkrete Zahlen gefasst: Unter den langjährig Beihilfeversicherten liegt der durchschnittliche Monatsbeitrag für Männer bei 234 Euro und für Frauen bei 239 Euro. Bei den Arbeitnehmern und Selbstständigen beträgt der durchschnittliche Monatsbeitrag jeweils 563 Euro für Männer und Frauen. In der GKV würden Arbeitnehmer häufig den Höchstbeitrag zahlen, der 2021 voraussichtlich bei 769 Euro liegt, heißt es in der Debeka-Meldung zur IGES-Studie.
Dr. Martin Albrecht, Geschäftsführer des IGES Instituts und Leiter der Studie, macht deutlich, was die Studie bezwecken will: „Die bisherige öffentliche Diskussion über das Ausmaß von Beitragssteigerungen in der PKV stützt sich vor allem auf Momentaufnahmen einzelner Jahre oder oft nur auf Einzelfälle. Die Studie nimmt deshalb die langfristige Beitragsentwicklung von PKV-Versicherten in den Blick. Sie liefert so valide Ansätze, um die gesundheitspolitische Diskussion zu versachlichen.“
BAP betreffen oft „Billig-Tarife“
Der IGES-Auswertung zufolge gibt es allerdings Auffälligkeiten bei den Beitragsanpassungen. So würden sehr starke prozentuale Prämienerhöhungen häufig mit vergleichsweise geringen Prämienhöhen einhergehen.
Zudem würden die individuellen Ausgestaltungen des Versicherungsschutzes bei Eintritt und die Veränderungen im Zeitverlauf die Prämienentwicklung maßgeblich beeinflussen. „Pauschale Aussagen über die Beitragsentwicklung in der PKV, in denen diese individuell unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Beitragsentwicklung keine Berücksichtigung finden, erscheinen vor diesem Hintergrund fragwürdig“, so die Debeka-Meldung zur IGES-Studie.
Damit auch wirklich keine Zweifel bleiben, empfehlen die Studienautoren: „Veränderungen des erforderlichen Rechnungszinses im Versicherungsaufsichtsgesetz zusätzlich als auslösenden Faktor zu berücksichtigen, wäre somit ein weiterer Schritt, um zukünftigen Beitragssprüngen für privat Versicherte entgegenzuwirken. Aus Sicht des Versicherten und zur tatsächlichen Verstetigung der Prämienentwicklung wäre es allerdings noch sinnvoller, über die Betrachtung der einzelnen Rechnungsgrundlagen hinaus auch die kumulierte Wirkung veränderter Rechnungsgrundlagen auf den Beitrag zu bewerten und die Berechtigung zu einer Prämienüberprüfung und -anpassung hiervon abhängig zu machen.“
Also genau das, was Debeka-Vorstand Roland Weber in Person als DAV-Vorsitzender mindestens seit zwei Jahren fordert. Man darf gespannt sein, ob sich Politik oder Kunden von dieser „Echo-Argumentation“ überzeugen lassen.