Niemand redet schlechter über die Versicherungswirtschaft, als die Branche selbst. Das ist unberechtigt und hat auch fatale Folgen. Welche das sind, was all die Image-Kampagnen der Versicherer falsch machen und welche Lösungsansätze es gibt, erläutert MarKo Petersohn im Gastbeitrag.
Ich bin 2010 in die in die Versicherungsbranche gestolpert. Und vom ersten Tag an war ich von dem allgegenwärtigen Minderwertigkeitsgefühl überrascht, das bei jedem in der Branche mitschwang und immer noch mitschwingt.
Vielleicht werden Sie nun anmerken wollen, dass doch aber gerade Makler und Vermittler sehr selbstbewusst auftreten und auch gerne zeigen was sie haben. Das mag schon sein. Aber um Geld, Statussymbole und ähnliches geht es mir nicht. Mir geht es darum, dass jeder, den ich damals traf, um über den Relaunch einer Versicherungswebseite zu reden, von sich aus die Versicherungsbranche klein machte. Und sei es auch nur im halb ironischen Tone.
Marko Petersohn
Das As im Ärmel der Versicherungsbranche, wenn es um die Kommunikation in der neuen Medienrealität geht. MarKo Petersohn hat mehr als 20 Jahre Erfahrung im Onlinemarketing und ist seit 2010 ausschließlich für die Assekuranz aktiv. Er hilft Gesellschaften und Vermittlern, sich zukunftssicher aufzustellen. Er berät sie beim Thema „digitaler Kommunikation“ und schult die dafür notwendigen Kompetenzen.
Außerdem ist er Gründer der Onlinemarketing Gesellschaft für Versicherungsvermittler, verleiht jährlich den renommierten OMGV Award und verantwortet das Projekt „Digitale Kommunikation, Multikanalfähigkeit und Kollaboration in der Versicherungsbranche“ im Auftrag des Bildungsministeriums NRW und des BWV Bildungsverbandes.
Man erklärte mir ungefragt „Versicherungen sind langweilig“, „Versicherungen sind nicht innovativ“ oder der Klassiker „Versicherungen haben ein schlechtes Image. Menschen vertrauen ihnen nicht, weil sie glauben wir zahlen eh nicht.“ Wobei gerade letzteres offensichtlich falsch sein muss. Denn würden Menschen nicht darauf vertrauen, dass Versicherungen im Schadensfall zahlen, würden sie schlicht keine Versicherung abschließen. Niemand war stolz darauf, das Leben von Menschen abzusichern. Sondern vielmehr schien sich damals jeder vorauseilend dafür zu entschuldigen, etwas mit Versicherungen zu tun zu haben. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Nun werden Sie wahrscheinlich Erfahrungen aus Ihrem eigenen Berufsleben anbringen, in denen Sie auf Ablehnung und Vorurteile bei Kunden, Bekannten oder Fremden gestoßen sind. Und das wird ohne Zweifel geschehen sein. Aber meinen Sie, dass dies bei anderen Branchen anders ist? Sprechen Sie mal Ihre Friseurin darauf an, welche Vorurteile es zu ihrem Beruf gibt oder einen Maurer, Rechtsanwalt, Lehrer... Es gibt Vorurteile zu allem und jedem.
Aber es gibt doch jedes Jahr Beliebtheitsstudien. Stimmt, aber schauen Sie mal genau hin. Es gibt natürlich Schwarze Schafe in der Branche. Das steht außer Frage. Aber warum fühlen Sie sich für diese verantwortlich? Was können Sie dafür, wenn Ihnen unbekannte Personen vorsätzlich schlecht beraten und wissentlich schlechte Versicherungsprodukte verkaufen? Nichts! Also warum ziehen Sie sich den Schuh dann an?
Wahrscheinlich werden Sie nun ins Feld führen, dass es aber jedes Jahr Umfragen gibt, wonach die Versicherungsbranche am unbeliebtesten ist und das geringste Ansehen / Vertrauen genießt. Das stimmt. Nur dafür sind nicht (nur) die schlechten Berater verantwortlich. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Aber darauf will ich heute nicht eingehen. Denn viel wichtiger ist, jedes Jahr wird diese Umfrage veröffentlicht. Jedes Jahr lese ich Artikel und Kommentare dazu, in denen sich die Branche selbst geißelt. Und jedes Jahr wird erklärt, dass man etwas gegen das schlechte Image tun müsste.
Dass laut einer Assekurata-Studie, die Kundenzufriedenheit in Bezug auf ihre Versicherungsvermittler so hoch ist, wie nie zuvor, erhält im Gegensatz dazu nur wenig Aufmerksamkeit. Was noch einmal verdeutlicht, worauf der Fokus der Versicherungsbranche liegt. Aber das nur am Rande. Kommen wir zurück zur alljährlichen Studie des DBB.
Wissen Sie, was ich mich jedes Jahr bei der Studie frage? Ich frage mich, ob ich eigentlich der Einzige bin, der sich den vorletzten Platz anschaut. Denn auf diesem liegt immer die Werbebranche. Nur kann ich mich nicht daran erinnern, jemals jemanden getroffen zu haben, der sich dafür entschuldigt hat, in der Werbung zu arbeiten. Sie vielleicht? Können Sie sich erinnern, dass Jung van Matt, Ogilvy, Scholz & Friends oder irgendeine andere Werbeagentur jemals erklärte, dass man etwas für das Branchenimage tun müsse? Denn Scharlatane gibt es zweifellos viele im Marketingbereich. Denken Sie nur an all die selbsternannten Coaches, die seit geraumer Zeit ihr Unwesen treiben und Versicherungsvermittler mit 3-5-Neukunden-pro-Monat-Versprechen abzocken.
Aber fühlen sich die Mitarbeiter der Werbebranche für diese Schlangenölverkäufer verantwortlich? Nein. Und warum nicht? Weil das mit ihnen nichts zu tun hat. Sie wissen, dass sie gute Arbeit leisten und nur das zählt für sie. Warum nimmt sich die Versicherungsbranche hieran kein Beispiel? Eigentlich müssten Mitarbeiter von Versicherungsagenturen, um ein Vielfaches stolzer auf ihre Arbeit sein als Mitarbeiter von Werbeagenturen. Denn während die einen Werbung produzieren, sorgt man in der Versicherungsbranche dafür, dass Menschen ein sichereres Leben führen können und hilft ihnen im Notfall. Dafür muss man sich doch nicht schämen, oder?
Die drei Probleme des Minderwertigkeitskomplexes
Hinzu kommt, dass der Minderwertigkeitskomplex der Versicherungsbranche nicht nur nicht nachvollziehbar ist, sondern auch zu Problemen führt, die gravierende Folgen haben. Hier die drei Kernprobleme.
1. Das Problem der Wiederholung
Die beständige Wiederholung der Vorurteile über Versicherungen reproduziert die Vorurteile und festigt diese. Nehmen wir bspw. die unseriösen Berater. Spricht ein Vermittler von sich aus mit seinen Kunden darüber, und sei es auch nur, um die eigene Seriosität hervorzuheben, dann festigen Sie das Vorurteil der unseriösen Versicherungsbranche. Spricht man nicht davon, dann werden Kunden nicht nur nicht in dem Vorurteil bestärkt, sondern nehmen nur das Gefühl einer guten Beratung aus der Beratung mit. Was nicht bedeutet, dass man unseriöse Methoden verschweigen soll. Man sollte sie nur nicht von sich aus ansprechen.
2. Das Problem der falschen Image-Auffassung
Weil sich die Branche selbst als mangelhaft einschätzt, ist sie enorm empfänglich für Schaumschläger. Ich höre gefühlt jede Woche, dass man Versicherungen cool oder gar sexy machen muss. Was ein Irrsinn ist. Denn warum bitte sollten Versicherungen sexy sein? Die Aufgabe einer Versicherung ist nicht Kunden zu verführen, sondern ihnen Zuverlässigkeit und Sicherheit zu bieten. Wenn man sich dieser Aufgabe nicht bewusst ist, kommuniziert man die falschen Dinge. Versucht eine Versicherung cool, lässig oder sexy zu sein, macht sie sich nicht nur lächerlich, sondern bricht außerdem die Kundenerwartung. Was dem eigenen und dem Ansehen der Branche schadet. Ganz zu schweigen davon, dass man außerdem Unsummen an die Wir-machen-Versicherungen-sexy-Schaumschläger verschwendet.
3. Das Problem des mangelnden Selbstbewusstseins
Aufgrund des Minderwertigkeitskomplexes tritt die Branche nicht nur ohne Selbstbewusstsein auf, sondern scheint sich auch nicht ihrer selbst bewusst zu sein. Was bedeutet, dass man sich nicht bewusst ist, welche Relevanz man für die Gesellschaft hat. So vergleicht man sich bspw. in der aktuellen Insurancer-Kampagne nicht mit Feuerwehrleuten, Notärzten oder anderen Rettungsdiensten, sondern mit Rappern, YouTubern und Gamern. Der Fokus liegt wie immer, nicht auf den eigenen Stärken, sondern auf den vermeintlichen Schwächen. Auch wenn man Ironie nutzt, so wertet man doch andere Berufsbilder ab, anstatt die eigenen Stärken hervorzuheben. Was nicht nur Ausdruck mangelnden Selbstbewusstseins ist, sondern auch nicht anziehend wirkt. Ganz im Gegenteil. Warum setzt man nicht die eigenen Stärken in Szene? Davon gibt es nicht nur viele, sondern diese sprechen auch zweifellos den hart umkämpften Nachwuchs an.
Und das sind nur die drei gravierendsten Probleme, welche aus dem Minderwertigkeitskomplex der Versicherungsbranche resultieren und die stärker als all die unseriösen Vermittler für das schlechte Branchenimage sorgen.
Wie kommen Sie raus aus dem Teufelskreis?
Die Lösung für das Imageproblem der Versicherungsbranche, mit dem Sie alle immer hadern, liegt nicht in irgendwelchen Kampagnen. Sie liegt auch nicht in Brancheninitiativen und schon gar nicht darin, Versicherungen sexy zu machen. Die Lösung des Imageproblems der Branche liegt bei jedem selbst. Und dafür hätte ich spontan sieben Ratschläge, wobei es sicherlich noch viel mehr gibt.
- 1. Selbstbewusst auftreten. Das, was Sie machen, ist gut. Sie haben keinen Grund, sich für die unseriösen Versicherungsvermittler verantwortlich zu fühlen.
- 2. Unterlassen Sie es, von sich aus zu erwähnen, dass „die Leute“ Versicherungsvermittlern und Versicherungen nicht trauen. Wie schon erwähnt ist es a) faktisch falsch und b) verstärken Sie so die Vorurteile.
- 3. Wenn Sie mit dem Vorurteil konfrontiert werden, dann stimmen Sie zu, dass es natürlich auch in der Versicherungsbranche Schwarze Schafe gibt. Aber stellen Sie dabei klar, dass der Großteil der Branche nicht dazugehört und verweisen darauf, dass Sie stets das Beste für Ihre Kunden wollen und diese Ihnen zurecht vertrauen. Verweisen Sie im Idealfall auf ihre Kundenbewertungen und wer weiß, vielleicht profitieren Sie so von dem Vorurteil und gewinnen einen Neukunden.
- 4. Übernehmen Sie nicht die Verantwortung für Dinge, die Sie nicht getan haben. Sondern stehen Sie zu dem, was Sie tun. Der positive Nebeneffekt ist, dass Sie so viel einfacher Auszubildende finden. Denn nichts ist besser für Jugendliche in der Berufsfindungsphase, als ein Versicherungsvermittler, der seinen Job liebt und dies selbstbewusst zeigt. Selbstbewusstsein ist anziehend!
- 5. Fokussieren Sie sich nicht auf die schlechten Äpfel in der Branche, sondern auf all die positiven Beispiele. Diese verdienen Ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht können Sie von denen noch etwas lernen. Im Gegensatz zu den Negativbeispielen.
- 6. Hören Sie auf, sich gegenseitig schlecht zu machen. Hören Sie auf mit dem Makler vs. Ausschließlichkeit vs. Finanzberater-Gestreite. Das interessiert keinen Kunden! Kunden wollen eine Person, der sie vertrauen können. Welche Bezeichnung diese hat, interessiert außerhalb der Branche niemanden. Alles, was Sie damit erreichen, wenn Sie sich gegenseitig schlecht machen ist, dass Sie das Vertrauen in die gesamte Branche schwächen.
- 7. Last but not least: Versicherungen sind nicht sexy! Ich wiederhole es zu Sicherheit noch einmal: Versicherungen sind nicht sexy! Versicherungen sind zuverlässig und sicher. Dafür müssen Sie sich nicht schämen, sondern ganz im Gegenteil, sollten Sie genau dies in ihrer Kommunikation hervorheben. Sie müssen nicht mit einer sexy Oberflächlichkeit verführen. Denn Sie bieten Sicherheit, Vertrauen und Zuverlässigkeit. Darauf können Sie ruhig etwas stolzer sein!