Im zweiten Fall (X R 20/19) klagte ein Zahnarzt, der Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks ist, aber auch freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung blieb.
Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere „Rürup“-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten. Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Leistungen der Höherversicherung den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 Prozent an. 42 Prozent der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei. Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sog. Öffnungsklausel an. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die „Rürup“-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz.
Dagegen richtete sich die Klage. Argument: Die gesetzliche Altersrente, eine der „Rürup“-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen würden unzulässigerweise doppelt besteuert, weil nach ihren Berechnungen die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge höher seien als der steuerfreie Teil der zu erwartenden Rentenzahlungen.
Der BFH sah dies anders. Er entschied, dass die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern sind. Dass jene Leistungen sozialversicherungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicherten finanziert wurden, erachtete der BFH als unerheblich.
Zudem bestätigte der BFH die bisherige Rechtsprechung in Sachen Versteuerung der „Rürup“-Rente. Demnach sind diese auch in der Übergangsphase in voller Höhe zu berücksichtigen. Bei den Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten könne systembedingt keine Doppelbesteuerung vorliegen, so der BFH. Zur Begründung führten die Richter aus, dass „der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.“
Wer von Doppelbesteuerung betroffen wäre
Der Bund der Steuerzahler (BdSt), der beide Kläger unterstütze, forderte, dass der Gesetzgeber nun nachbessert, um eine rechtmäßige Renten-Besteuerung sicherzustellen. „Die Finanzverwaltung hat sich die Rentenbesteuerung bislang schöngerechnet“, so Reiner Holznagel, Präsident des BdSt. In weiten Teilen widersprach der BFH der Rechenweise der Finanzverwaltung: Insbesondere der Grundfreibetrag ist den Senioren nicht als steuerfreier Rentenzufluss anzurechnen (Az. X R 33/19 und X R 20/19).
Nach Ausführungen des Gerichts sind insbesondere Selbstständige, Unverheiratete und Männer stärker von einer möglichen Doppelbesteuerung betroffen. Der BdSt rät, dass diese Gruppe nun prüfen lässt, ob sich bei ihnen eine mögliche Doppelbesteuerung ergibt.
Das Bundesministerium für Finanzen oder die Bundesregierung äußerten sich bislang noch nicht zu den Urteilen - Rücklagen für mögliche Erstattungen wurden nicht gebildet.