Pflegeversicherung - Schon 2022 droht höherer Beitrag

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Kritik übte Gernot Kiefer im "Rheinische Post"-Interview auch an den Pflegeplänen der Ampel-Regierung: und damit indirekt an den privaten Krankenversicherern. Die Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung sei eine permanente Aufgabe: so auch in dieser Legislaturperiode, mahnte er. „Bemerkenswert ist, dass der Ampel-Vertrag sich stellenweise wie ein Formelkompromiss liest. SPD und Grüne stehen für eine Bürgerversicherung, die FDP ist strikt dagegen und nun ist im Koalitionsvertrag von einer freiwilligen, paritätisch finanzierten Pflege-Vollversicherung die Rede. Man wolle dazu eine Kommission einrichten, heißt es“, sagte Kiefer.

Die Bundesregierung verfolge einen "dritten Weg" zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung, beobachtet Kiefer. "Dabei sind 90 Prozent der Bevölkerung in der gesetzlichen Pflegeversicherung, zehn Prozent in der privaten Pflegepflichtversicherung. Diese sind weniger häufig pflegebedürftig und haben eine höhere Finanzkraft. Dies war ein historischer Kompromiss aus der Entstehungszeit der Pflegeversicherung. Man könnte die Solidarität auch über die Gesamtbevölkerung organisieren“, so der Krankenkassen-Funktionär. Gerade die bessere Bezahlung von Pflegekräften sowie deren Ausbildung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - ein Ruf nach mehr Finanzierung der Pflegeleistungen über Steuerzuschüsse.

Privatversicherer haben niedrigere Pflegekosten: Das könnte sich umkehren

Tatsächlich haben die Privatversicherer im Schnitt deutlich niedrigere Pflegekosten pro versicherter Person als gesetzliche Versicherer. Das zeigt der „Pflegereport 2019“, den die Sozialwissenschaftler Stefan Greß, Dietmar Haun und Klaus Jacobs vorgelegt haben. Die ausgewerteten Zahlen beziehen sich überwiegend auf die Jahre 2016 und 2017.

Das Ergebnis: Während die Soziale Pflegeversicherung pro Versichertem im Schnitt 492 Euro im Jahr für Pflegeleistungen ausgeben musste, waren es in der privaten Pflegeversicherung lediglich 197 Euro: Beihilfen bereits eingerechnet. Pro Versicherungsnehmer geben die gesetzlichen Pflegekassen folglich satte 250 Prozent mehr aus als die privaten Anbieter (Zahlen für 2017). Die Gründe hierfür sind vielfältig, um nur einige zu nennen:

  • Private Krankenversicherer können -mit Ausnahme des Basistarifs- Personen mit Vorerkrankungen ablehnen oder mit deftigen Risikoaufschlägen „bestrafen“. Das wirkt sich speziell in jüngeren und mittleren Altersgruppen aus. Laut Pflegereport 2019 liegt im Altersbereich zwischen 20 und 50 Jahren das Pflegerisiko der Privatversicherten bei nicht einmal 20 Prozent der gesetzlich Pflegeversicherten.
  • Weitaus mehr Frauen als Männer sind gesetzlich pflegeversichert. 2016 lag der Frauenanteil in der sozialen Pflegeversicherung bei 53 Prozent, in der privaten Pflege hingegen nur bei 39 Prozent. Frauen haben aber eine höhere Lebenserwartung als Männer, im Schnitt leben sie 4,4 Jahre länger. Hier wirkt sich aus, dass Hochbetagte ein größeres Risiko haben, auf Pflege angewiesen zu sein. Von den 1,9  Millionen Pflegebedürftigen über 80 Jahren waren 2018 -laut Statistischem Bundesamt- 72 Prozent Frauen.
  • Der hohe Frauenanteil trägt dazu bei, dass die Zahl der Hochbetagten in der sozialen Pflegeversicherung höher ist. Bei der Altersgruppe mit der höchsten Pflegequote, den über 80-Jährigen, liegt der Versichertenanteil in der SPV mit 6,4  Prozent um fast die Hälfte über dem entsprechenden Anteil in der PPV. Dies könnte sich aber bald umkehren. Denn der Anteil der 60- bis 79-jährigen Privatversicherten liegt mit 34,7  Prozent sogar über dem Anteil in der SPV (26,3 Prozent).
  • Mehr als die Hälfte aller privat Krankenversicherten in Deutschland sind beihilfeberechtigt. Auch im Fall von Pflegebedürftigkeit kommt der Dienstherr hier für einen Teil der Kosten auf.

Bei Twitter konterte der PKV-Verband aber die Kritik von Kiefer. Das Wissenschaftliche Institut der privaten Krankenversicherung habe errechnet, dass der Beitragssatz in der Sozialen Pflegeversicherung bis 2030 auf 4,8 Prozent steigen könnte, schreibt der Verband in einem Tweet. Eine nachhaltige Finanzierung sei nur mit mehr Kapitaldeckung möglich. Hier sehen sich die Privatversicherer gut gerüstet. Die Alterungsrückstellungen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung sollen Anfang 2022 bei rund 300 Milliarden Euro liegen, argumentiert der PKV-Verband auf seiner Webseite.