Das Ratinghaus Morgen & Morgen hat Erwerbsunfähigkeitsversicherungen unter die Lupe genommen. Zehn Tarife erhielten die Bestnote. Das liegt vornehmlich an einem aufgeweichten Kriterium, dass neun Tarife nach oben spült. Die schwächsten untersuchten Angebote wurden als "durchschnittlich" eingeordnet.
Das Analysehaus Morgen & Morgen hat sich zum vierten Mal dem Thema Erwerbsunfähigkeitsversicherung gewidmet. Dabei stellten die Prüfer aus Hofheim am Taunus unter anderem einen Rückgang der Tarifanzahl fest. „Die Erwerbsunfähigkeit ist nach wie vor als einzige echte Alternative zur Berufsunfähigkeit weit unterschätzt. Auch wenn der Markt sehr überschaubar ist, sind die wenigen Tarife sehr gut. Das ist ein wichtiges Signal für die Vermittlung“, sagt Andreas Ludwig, Bereichsleiter Rating & Analyse bei Morgen & Morgen.
In der Vermittlerschaft hat die EU-Versicherung jedoch eher einen schweren Stand. Für einige Vermittler sind die Produkte ein wichtiges Plus in der Einkommensabsicherung. Andere aber sehen darin schlicht eine ungenügende und lückenhafte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Ein Kritiker ist Gerd Kemnitz. Der Versicherungsmakler aus dem sächsischen Stollberg hatte bereits mehrfach auf die Schwächen der Verträge hingewiesen. Das wichtigste Problem: Anders als eine vollwertige Berufsunfähigkeitsversicherung berücksichtigen diese Tarife in der Regel nicht den bisherigen Beruf des Versicherten. Er kann auf jeden anderen Beruf verwiesen werden, wenn er den erlernten Job nicht mehr ausüben kann - auch, wenn die neue Tätigkeit mit einem deutlichen Verlust an Einkommen und Status einher geht (der Versicherungsbote berichtete).
Weniger Anbieter und weniger EU-Tarife
In der aktuellen Auswertung wurden 17 Tarife von 12 Anbietern geprüft. Im vergangenen Jahr waren es noch 18 Tarife von 13 Anbietern. 2020 war die Teilnehmerzahl sogar noch deutlich höher: Damals waren es 24 Tarife von 17 Anbietern. Auch in diesem Jahr flossen 24 Leistungsfragen in die Benotung ein. Diese führten zu maximal 68 Punkten für gute Tarifeigenschaften. Folgende Fragen brachten den Tarifen bei positiver Antwort der Vertragsbedingungen bis zu fünf Punkte und wurden demnach besonders stark für die Endnote bedacht:
- Wird bei einem verspätet gemeldeten Versicherungsfall ohne Einschränkung rückwirkend geleistet?
- Wird der Prognosezeitraum auf sechs Monate verkürzt?
- Wird bei einer bereits sechs Monate andauernden ununterbrochenen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend von Beginn an geleistet?
- Leistet der Versicherer einer Erwerbsunfähigkeitsrente in Anlehnung an die gesetzliche Definition bei voller und teilweiser Erwerbsminderung?
- Verzichtet der Versicherer auf unübliche Einschränkungen bzw. Klauseln, die nicht zu den ratingrelevanten Sachverhalten gehören?
- Verzichtet der Versicherer auf sein Recht auf Beitragserhöhung oder Kündigung bei unverschuldeter Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers nach Paragraph 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)?
- Besteht der Versicherungsschutz weiter, wenn die versicherte Person während der Versicherungsdauer ins Ausland verzieht?
Im aktuellen Rating sei jedoch ein Ratingkriterium angepasst worden, um der Entwicklung des Marktes Rechnung zu tragen. Konkreter Hintergrund ist, dass ausschließlich die MetallRente, als Versorgungswerk der Tarifvertragsparteien IG Metall und Gesamtmetall, seit Bewertungsbeginn einen Tarif anbietet, der eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Anlehnung an die gesetzliche Definition nicht nur bei voller, sondern auch bei teilweiser Erwerbsminderungsrente leistet.
Die Ergebnisse
Dieser Tarif ist allerdings nur Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie zugänglich. Deshalb ist dieses Mindestkriterium als Voraussetzung für eine fünf Sterne Bewertung entfallen. Ab einer Bewertung von vier Sternen müsse es weiterhin teilweise erfüllt sein, heißt es im Pressetext.
Diese Anpassung der Kriterien führt zu einem deutlich veränderten Bild der Ergebnisse. Denn in der Auswertung aus dem Vorjahr erhielt lediglich ein Tarif die bestmögliche Bewertung. Dabei handelte es sich um den Tarif "MetallRente.EMI Plus Komfort" von der MetallRente Swiss Life. Ausschlaggebendes Kriterium, das nur der Fünf-Sterne-Tarif erfüllt, ist die Leistung analog der Vorgabe zur gesetzlichen Rentenversicherung. Nämlich die Voraussetzung, dass der Versicherungsnehmer nur noch weniger als sechs Stunden zu arbeiten vermag. Alle anderen Tarife enthalten in ihren Bedingungen die Grenze von drei Stunden und weniger.
Im vergangenen Jahr erklärte Ludwig dazu: „Bei der Bestbewertung im Rating gibt es noch deutlich Luft nach oben. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Versicherer schon leistet, wenn der Versicherungsnehmer nur noch sechs Stunden arbeiten kann, oder erst, wenn nur noch drei Stunden möglich sind.“. Anno 2022 scheint das so wichtige Kriterium für eine Bestbewertung nicht mehr ganz so wichtig zu sein.
In Summe haben 13 der 17 getesteten Tarife eine "sehr gute" oder bessere Bewertung erhalten. Durch das aufgeweichte Kriterium wurden gleich zehn Unternehmen auf den Siegerpodest gehievt. Hierzu gehören unter anderem die Angebote der Axa ("SEU"), Continentale ("premiumEU"), DBV ("SEU"), Dialog ("SEU" und "Erw. Bed. SEU"), Europa ("EU Premium"), MetallRente Swiss Life ("MetallRente.EMI Plus Komfort" und "MetallRente.EMI Plus Basis"), Volkswohl Bund ("SEU") und Zurich ("SEU"). „Mit knapp zwei Drittel top bewerteter Tarife zeigt sich das Angebot in der Erwerbsunfähigkeit auf einem sehr hohen Bedingungsniveau“, zieht Ludwig Bilanz.
Drei Tarife erhalten zudem, mit vier Sternen, eine immerhin „sehr gute“ Bewertung. Hierzu gehören unter anderem die Angebote der Hannoversche ("SEU"), Inter ("SEU (Restleistung 3 Stunden)") und MetallRente Swiss Life ("MetallErwerbsminderungsschutz Basis Komfortschutz"). Zugleich weist das Rating insgesamt vier Tarife aus mit drei Sternen und damit mit einer nur „durchschnittlichen“ Bewertung. Zu diesen Angeboten zählten Credit Life ("SEU"), Inter ("SEU (Restleistung 1 Stunde)"), MetallRente Swiss Life ("MetallErwerbsminderungsschutz Basis Basisschutz") und WWK ("SEU").