Wie sind Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden verteilt? Das stellte nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar und teilte die entsprechenden Grundsätze mit.
Im Mai 2019 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten in einem verlässlichen, objektiven und zugänglichen System vollständig erfassen sollen. Ein Urteil, das für viele Unternehmen folgenreiche Konsequenzen hat. Denn bis dahin mussten in Deutschland „nur“ Überstunden sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen erfasst werden.
Im September 2020 kam es dann aus Sicht vieler Arbeitgeber zu einem „Schock-Urteil“: Ein Lieferfahrer machte für einen Zeitraum von 1,5 Jahren Überstundenvergütung geltend.
Das Arbeitsgericht Emden gab der Klage statt und führte damals aus: Das Unternehmen war zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten verpflichtet. Die vorgelegten technischen Aufzeichnungen seien als Indiz für die geleistete Arbeitszeit ausreichend und nicht, z.B. durch Darlegung von Pausenzeiten, entkräftet wurden.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen rückte das Urteil zwar zurecht, ließ aber Revision zum Bundesarbeitsgericht zu (Versicherungsbote berichtete).
Die Erfurter Richter stellten heraus, dass „die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit keine Auswirkung auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess“ hat. Die EuGH-Entscheidung erging zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, so das BAG. Diese Bestimmungen seien darauf beschränkt, Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Auf die Vergütung der Arbeitnehmer würden diese Bestimmungen grundsätzlich keine Anwendung finden.
Überstunden geleistet: Was Arbeitnehmer nachweisen müssen
Das BAG bestätigte damit die Rechtsauffassung der Vorinstanz, dass der Kläger nicht ausreichend konkret dargelegt habe, warum es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Die bloße pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten genügt hierfür nicht, so die Richter.
Wer die Vergütung von geleisteten Überstunden einklagt, muss laut BAG
- darlegen, dass er die Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat
- vortragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.