‚Knallharte Verkaufsvorgaben‘ und ein Buch, dessen finanzieller Nutzen „durchschnittlich im Bereich mehrerer zehntausend Euro“ liegt: Prof. Hartmut Walz zeigt sich im Interview mit der Wirtschaftswoche von seiner ideologischen Seite, kommentiert Michael Fiedler.
Der Verhaltensökonom Hartmut Walz hat ein neues Buch geschrieben. Titel: „Beraten statt Verraten: So wehren Sie Manipulationen in der Finanzberatung souverän ab“. Ein Interview mit der Wirtschaftswoche darüber nutzt Walz, um altbekannte Vorurteile über Provisionsberatung zu verbreiten.
Doch der Reihe nach: Gleich zu Beginn des Interviews macht Professor Dr. Hartmut Walz klar, dass es in Zukunft auf effiziente und vor allem kostengünstige Anlageformen ankäme: „Die Bürger werden es sich künftig kaum leisten können, dass ihnen durch schlechte Produkte und durch von Eigennutz geleiteten Vertrieb die erhoffte Rendite gemindert wird.“
Also qualifizierte Beratung nutzen? Lieber nicht! Wer das neue Büchlein von Hartmut Walz und Co-Autor Ulrich Bosetti liest, sollte bestens gerüstet sein. Denn: „Unser Buch kann den Lesern daher helfen, sich selbst zu helfen und die eigenen Interessen bei Verkaufsgesprächen rund um Finanzanlagen und Versicherungsprodukte besser zu vertreten. Der finanzielle Nutzen dürfte durchschnittlich im Bereich mehrerer zehntausend Euro liegen.“
Walz ist argumentativ ganz auf Linie von Niels Nauhauser oder Gerhard Schick, die auch dafür eintreten, dass Verbraucher ihre Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen. Aus Sicht von Walz ein Erfordernis. Denn: „… es ist völlig unstrittig und durch viele Quellen belegt, dass fast alle Finanzdienstleister knallharte Verkaufsvorgaben besitzen.“
Wer aber nun Versicherungsmaklern ‚knallharte Verkaufsvorgaben‘ machen sollte? Prof. Dr. Walz bleibt die Antwort schuldig. So genau nimmt es der Herr Professor dann eben doch nicht mit so langweiligen und trockenen Themen wie Sachwalter-Urteil des Bundesgerichtshofs oder Vermittlerrichtlinie.
Zum Provisionsverbot und den damit verbundenen Befürchtungen, die wissenschaftlich untersuchten Folgen aus beispielsweise Großbritannien könnten sich in Deutschland wiederholen, sagt Walz: „Hier passt das Sprichwort: ‚Wer einen Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen.‘“
Tatsächlich lässt sich dieses Sprichwort auch trefflich auf die Verbraucherschützer selbst anwenden, deren Kampagnen Walz tatkräftig unterstützt. Denn die Verbraucherschutzzentralen bieten längst Honorarberatung an und haben tatsächlich ein Interesse daran, dass diese Position weiter gestärkt wird. Um im Bild zu bleiben: Walz stimmt kräftig in das Gequake jener Frösche ein, die ihren ganz eigenen Sumpf fordern.
Ein 'Fakt', der sich nicht belegen lässt
Wie ideologisch Walz ist, lässt sich vor allem an den Aussagen zum Provisionsvertrieb ablesen: So ist er überzeugt, dass nach dem Provisionsverbot „weniger, aber erheblich qualifizierter beraten“ wird. Woher der unterstellte Qualitätsschub kommt? Nur Hartmut Walz weiß es und verrät es keinem. Zudem behauptet Walz, im Finanzvertrieb werde „häufig verraten statt beraten“. Das sei leider Fakt, sagt Walz. Ein Fakt, der sich allerdings weder anhand der Beschwerdezahlen von BaFin, noch denen der Ombudsleute beweisen lässt.
Als weitere Folge eines Provisionsverbots erwartet Walz, dass die Möglichkeiten digitaler Informations- und Beratungsmöglichkeiten stärker genutzt werden. An dieser Stelle sollte er sich ehrlich machen: Geringverdiener, die es sich nicht leisten können, Honorar-Stundensätze zu zahlen, sollen sich ihren ‚passenden Versicherungsschutz‘ selbst zusammen klicken.
Und das, obwohl es Kunden schon jetzt schwerfällt, die Konsequenzen ihres Handelns zu überblicken: So beschreibt Walz, die Kunden würden Kosten zum Abschlusszeitpunkt gar nicht wahrnehmen und erst 10, 15 Jahre später bemerken, dass schon viel Geld verloren sei. Dann krönt Walz seine Ausführungen damit: „Der Vertrieb ist jedoch nach spätestens fünf Jahren fein heraus, da die Stornohaftung dann abgelaufen ist.“
Dieser Satz dürfte bei vielen Versicherungsvermittlern für Schnappatmung sorgen. Denn Walz findet offenbar überhaupt nichts daran, dass Berater u.a. dafür in Haftung genommen werden, dass sich Kunden scheiden lassen, in den Urlaub fahren wollen oder ihren Vertrag lieber kündigen, weil sie ein Buch von Hartmut Walz gelesen haben. Die jeweils erbrachte Beratungsleistung erfolgte dann ohne jede Bezahlung.
Und wie steht es um die versprochene ‚Aufklärung über Tricks der Verkäufer‘? Auf die Frage, wovon sich Menschen unbewusst bei Finanzentscheidungen beeinflussen lassen, antwortet Walz: „Enormen Einfluss haben die beiden Gefühle ‚Sympathie‘ und ‚verpflichtet fühlen‘. Wenn wir einen Verkäufer sympathisch finden, neigen wir dazu, seinen Empfehlungen weitgehend zu folgen und schalten kritische Überlegungen und das Hinterfragen gerne aus. Dabei sollten wir gerade dann sehr vorsichtig sein, wenn wir jemanden besonders sympathisch finden. Das unterschwellige Gefühl wiederum, dem anderen verpflichtet zu sein, etwa weil er sich für uns Mühe gemacht hat, lenkt unsere Entscheidung ebenfalls in unbewusster Weise. Sagt uns der Vermittler zum Beispiel, er habe sich mehrere Stunden intensiv mit unserer Bedarfsanalyse oder Finanzplanung auseinandergesetzt, so fällt es uns besonders schwer, seinen später geäußerten Wunsch nach einer Unterschrift abzulehnen.“
Nur, was ändert sich an den beschriebenen Mechanismen und ihren Gefahren, wenn statt Provision Honorar gezahlt wird?
Die goldenen Regeln des Hartmut Walz
Am Ende des Interviews wird Walz gebeten, seine ‚drei goldenen Regeln‘ zu nennen, die vor Übervorteilung schützen sollen. Als erste nennt er folgende: „Vertrauen Sie häufiger als bisher auf sich selbst, informieren Sie sich aus wirklich seriösen (!) Quellen und werden Sie in vielen Finanzfragen zum mündigen Selbstentscheider, der bestenfalls gar keine persönliche Beratung benötigt. Bei allen Fragen, in denen Sie keine persönliche Beratung benötigen, entfallen auch die Manipulationsgefahren dieser Beratung.“
Diese Logik besticht! Wer sich nicht beraten lässt, kann auch nicht manipuliert werden. Nun muss der Ratsuchende bloß noch feststellen, welche Quellen wirklich (!) seriös sind und bei welchen Fragen er keine Beratung braucht.
Die zweite: „Meiden Sie Komplexität! Komplexität nützt letztendlich immer der Finanzdienstleistungsindustrie sowie den Vermittlern und nicht Ihnen. Die häufigsten Treiber von Komplexität sind zum Beispiel angebliche steuerliche Vorteile. Zumeist jedoch ‚erkaufen‘ sich viele Kunden kleine Steuervorteile mit hohen Kosten und teils unangemessenen Verlusten an Flexibilität. Die Bilanz aus Kundensicht ist meistens negativ.“
Der von mir geschätzte Chef eines Maklerpools brachte es schon vor Jahren auf die weit weniger komplexe Formulierung: „Verstehe, was Du kaufst.“
Schließlich drittens: „Niemand ist so informiert und kompetent, dass ein guter Rat eines Dritten ihm bei speziellen Problemstellungen keinen zusätzlichen Nutzen stiften könnte. Wenn Sie professionelle Beratung abrufen, sollte sie wirklich in Ihrem Interesse sein und nicht im Interesse der Finanzdienstleister - also einkaufsorientiert statt verkaufsorientiert.“
Nun also doch wieder Beratung. Einkaufsorientiert soll diese Beratung sein und ergebnisoffen. Walz antwortet auf die Frage, was einen guten Honorarberater ausmacht, dass das Ergebnis einer Beratung auch sein könne, dass der Kunde keinen Vertrag abschließt. Dass der Bedarf ermittelt wird und entsprechende Produkte aufgezeigt werden und dem Kunden geholfen wird, „die typischen anlagepsychologischen Fehler zwischen Angst und Gier sowie die ewige ‚Aufschieberitis‘ zu vermeiden“.
Ehrlich gesagt, liest sich das wie die Stellenbeschreibung eines Versicherungsmaklers. Und, Herr Walz, das findet bereits zehntausendfach statt in Deutschland. Nicht trotz, sondern aufgrund des Provisionsmodells.