Ukraine-Krieg und Inflation bestimmen aktuell die Schlagzeilen. Drohen hier mit Blick auf technische Anlagen zusätzliche Risiken, etwa weil Lieferketten ausfallen oder der Gashahn zugedreht wird? Sollten Unternehmen eventuell den Schutz auffrischen?
Stephan: Nicht erst seit der Gewinnwarnung von Sabre, die den britischen Aktienmarkt ordentlich durchgeschüttelt hat, wissen wir, was die Inflation für die Versicherungsbranche bedeutet – nämlich deutlich höhere Schadenleistungen durch inflationsgetriebene Preise. Die Inflation ist im Euroraum im Mai auf einen neuen Höchststand von +8,1 Prozent gegenüber dem Vormonat gesprungen. Dies betrifft zudem nicht nur bestimmte Segmente, die Kerninflation ist ebenfalls im Mai auf saftige +4,4 Prozent gestiegen. Man kann also von einer „Breiteninflation“ sprechen. Versicherungsprämien sehen in der Regel keine Inflationsanpassung vor, bleiben also unverändert.
Daher ist die Frage nach der Auffrischung des Versicherungsschutzes sehr berechtigt, denn es droht – vor allem bei Unternehmen aus dem Industrie- und Gewerbebereich – nun auch deutlich häufiger die Einrede der Unterversicherung. Denn der Versicherungsnehmer muss dafür sorgen, dass seine Versicherungssummen noch den Versicherungswerten entsprechen. Also ist nach den aktuellen Gegebenheiten zu prüfen, ob die Versicherungssummen und Haftzeiten noch passen.
Von der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) war anlässlich der Präsentation des aktuellen Schadenreports zu hören, dass man bei seinen Kunden eine Neubewertung ihrer versicherten Vermögensgegenstände dringend anmahnt: Viele Unternehmen hätten diese seit Jahren nicht neu bewertet. Somit drohen Deckungslücken.
Andreas: Durch die Abschaltung einer Maschine auf Grund fehlender Energie und des damit verbundenen Produktionsausfalls entsteht noch kein Schaden im Sinne der Bedingungen. Wichtigste Voraussetzung ist, dass ein Schaden unvorhergesehen eintritt. Dies ist durch eine reine Abschaltung nicht gegeben – zumal davon auszugehen ist, dass der Kunde vorab vom Versorger informiert werden würde.
Das Ansprechen des Problems der Unterversicherung, welches Stephan beschrieben hat, kann ich nur unterstützen. Durch die Indizierung der Versicherungssummen und Beiträge kann ein Teil der Preissteigerungen ausgeglichen werden. Wenn die Indizierung vereinbart wurde, meist bei den fahrbaren und stationären Maschinen, besteht rein formal ein Unterversicherungsverzicht. Dennoch kann es Konstellationen geben, bei denen die Indizierung nicht ausreicht: wenn beispielsweise bei Spezialmaschinen die Preise sehr stark gestiegen sind. Hier empfiehlt es sich, die Summen individuell anzupassen.
Sehen Sie durch die aktuelle Krisensituation zusätzliche Kosten auf die Branche zukommen – zum Beispiel auch, weil Lieferketten ausfallen? Könnte es hier sogar vermehrt zu Ausschlüssen kommen, sodass bestimmte Risiken künftig nicht mehr versicherbar sind?
Andreas: Ich sehe das Risiko, dass sich beispielsweise die Maschinen auf Grund der Knappheit derart verteuern, dass eine Entschädigungsleistung aus dem Versicherungsvertrag nicht ausreicht, um eine neue Maschine zu erwerben. Das gilt insbesondere bei recht neuen Maschinen, da Versicherer hier üblicherweise bis zu einer gewissen Dauer, beispielsweise 12 Monate, den Neuwert entschädigen. Hier könnte ich mir vorstellen, dass man eine Art prozentuale Vorsorge einführt.
Im Übrigen ist das nicht erst ein Thema der aktuellen Krise aufgrund des Ukraine-Konfliktes. Bereits seit der geänderten Wirtschaftslage aufgrund Corona konnte man dies beobachten. Kostensteigerungen aufgrund der starken Inflation und der Lieferkettenunterbrechungen werden wir auch bei den Reparaturschäden sehen. Neben den Lohnkosten werden auch die Ersatzteilkosten steigen.
Stephan: Bei der Betriebsunterbrechung droht auch neben dem Inflationsstörfeuer weiteres Ungemach: Die Dauer der Wiederherstellung der technischen und kaufmännischen Betriebsbereitschaft nach Schäden verlängert sich. Warum? Maschinen sind nicht lieferbar, es bestehen Engpässe bei Ersatzteilen. Kapazitäten bei Montage- und Handwerksbetrieben sind kaum noch vorhanden.
Wie viel technisches Know-how brauchen Makler denn, um zu technischen Versicherungen zu beraten? Und woher bekommen sie es?
Stephan: Technisches Know-how hilft naturgemäß sehr, ist aber nicht zwingend erforderlich. Das kaufmännische Verständnis ist hier mindestens ebenso wichtig, technischen Sachverstand hat der Versicherungsnehmer selber. Spätestens, wenn die Underwriter der Versicherer mit am Tisch sitzen, braucht man sich über das ausreichende technische Verständnis keine Sorgen mehr machen.
Wichtig ist ein gutes Verständnis über die Versicherungsinhalte: Ausschlüsse, Begrenzungen, Versicherungswerte sowie das Themenfeld der Betriebsunterbrechung sollte man draufhaben.
Andreas: Bei den Versicherern wie auch bei der Maklerschaft, die sich auf das Gewerbesegment spezialisiert, schwindet das TV-Know-how. So können wir es zumindest beobachten. Daher ist es unerlässlich, auch in die Ausbildung zu investieren. Denn wenn einem Makler die Kenntnis im TV- Geschäft fehlt, wird er es vermutlich bei seinen Kunden nicht offen ansprechen. Aber gerade die TV-Sparten müssen meist aktiv beim Kunden angesprochen werden. Gleiches ist im Übrigen auch beim Versicherer in den Ausschließlichkeitsorganisationen zu beobachten. Neben der eignen Ausbildung sind Seminare bei einschlägigen Weiterbildungsanbietern sinnvoll. Hier gibt es auch eine recht umfangreiche Auswahl an verschiedenen TV-Schulungen.