The same procedure as every year: Deutschlands Rentensystem zeigt sich im Melbourne Mercer Global Pension Index erneut leistungsfähig, aber wenig nachhaltig. Dadurch bleibt das Rentensystem Mittelmaß, fällt sogar um zwei Ränge zurück. Versicherungsbote stellt Ergebnisse des aktuellen Rankings internationaler Rentensysteme vor.
Der Vergleich internationaler Rentensysteme ist kompliziert – variieren doch grundlegende Prinzipien der Alterssicherung von Land zu Land. Das betrifft zum einen die Gewichtung umlagefinanzierter oder kapitalgedeckter Ansätze, aber auch volkswirtschaftliche Bedingungen (wie Einkommensniveau) oder demografische Faktoren (Lebenserwartung, Geburts- und Sterberaten). Eine Studie, die sich dennoch dieser schwierigen Aufgabe stellt, ist der Melbourne Mercer Global Pension Index (MCGPI).
Der Index geht von dem bekannten Drei-Säulen-Modell aus und untersucht Bedingungen für jede Säule in einem Land. Zugleich stellt der Index aktuelle Rentenleistungen und die Zukunftsfähigkeit eines Rentensystems gegenüber. Letztendlich führen mehr als 50 Indikatoren zu drei großen Indices:
- Der Bereich der „Angemessenheit“ ist der mit 40 Prozent am stärksten gewichtete Subindex. Er untersucht die derzeitigen Bedingungen eines Rentensystems – Indikatoren werden berücksichtigt wie das von einem System bereitgestellte Grundeinkommen oder die Netto-Lohnersatzrate, aber auch Indikatoren für steuerliche Anreize zum Vorsorgen, für die Sparquote und die Verschuldung privater Haushalte. Die Frage hinter dem Index: Kann das Rentensystem seinen Rentnern aktuell eine angemessene Rente zusichern?
- Die „Integrität“ bezieht sich auf gesetzliche Rahmenbedingungen insbesondere der privaten Vorsorge – Governance, Risikosteuerung sowie Kommunikation spielen für Indikatoren dieses Subindex eine Rolle. Die Frage lautet: Sind gesetzliche Rahmenbedingungen so ausgestaltet, dass Bürgern den privaten Rentenanbietern und Finanzakteuren vertrauen können?
- Der Subindex für „Nachhaltigkeit“ gibt an, ob das gegenwärtige System in Zukunft aufrechterhalten werden kann. Rückdeckung und Finanzierung, Demografie, Staatsverschuldung und das von der Weltbank gemessene reale Wirtschaftswachstum beeinflussen diesen Subindex, der mit 35 Prozent gewichtet wird. Die Frage hinter dem Index lautet: Kann auch zukünftig eine angemessene Rentenleistung garantiert werden?
Für jeden dieser übergeordneten Indices kann eine Höchstpunktzahl von 100 Punkten erreicht werden. Diese führen dann – gemäß der Gewichtung der drei Indices – zu einer Gesamtpunktzahl.
Wie aber hat Deutschlands Rentensystem abgeschnitten? Im Grunde so, wie man es gewohnt ist: der Melbourne Mercer Global Pension Index bescheinigt zwar ein hohes aktuelles Niveau, aber nur wenig Nachhaltigkeit. Letztendlich verschlechtert sich Deutschland auch gegenüber dem Vorjahr, während andere Länder (zum Beispiel Südkorea, Singapur und Japan) durch Reformen ihre Punkte gegenüber vorigen Studien verbessern konnten.
Angemessenheit: Deutschland unter den Top-Ten
Bei der "Angemessenheit" ist Deutschland top – die Mercer-Studie bescheinigt jetzigen Rentnerinnen und Rentnern, vom neuntbesten System weltweit zu profitieren. Insgesamt 79,8 Punkte werden für diesen Teilindex an Deutschland vergeben. Freilich: Deutschland fällt hier dennoch ab. Denn im MCGPI von 2018 war Deutschland bei der "Angemessenheit" noch auf Rang eins (Versicherungsbote berichtete); beim Ranking von 2021 immerhin noch auf Rang fünf (Versicherungsbote berichtete).
Stärken und Schwächen Deutschlands bei der "Angemessenheit"
Mit welchen Kriterien aber kann Deutschland punkten, bei welchen gibt es für die "Angemessenheit" Punktabzug?
- Volle Punktzahl (10 Punkte von 10 möglichen Punkten) bekommt Deutschland zum Beispiel für den Indikator: "Werden bei der Scheidung oder Trennung eines Paares die angesammelten Rentenguthaben der einzelnen Personen normalerweise bei der Aufteilung des Gesamtvermögens berücksichtigt?" Auch bei Fragen zur lebenslangen Bezugsdauer einer Rentenleistungen ab Rentenbeginn kann Deutschland überzeugen. Umso kritischer muss es bewertet werden, wenn aktuell dieses Fundament des deutschen Rentensystems aufgrund der Vorschläge der "Fokusgruppe Altersvorsorge" zur Diskussion steht, wie Versicherungsbote berichtete. Volle Punkte gibt es auch bei der Frage, ob Vorsorgesparen für eine Rentenleistung gegenüber anderen Arten des Sparens oder der Geldanlage bevorzugt werden.
- Negativ aber fallen Nettosparquote und Nettoverschuldung bei der "Angemessenheit" auf (hier gibt es nur 5,7 Punkte von 10 Punkten). Auch die Frage, inwieweit es erforderlich ist, dass "eine Person weiterhin eine Rentenleistung im Rentensystem erwirbt, während sie nicht erwerbstätig ist und sich um kleine Kinder kümmert", beschert bei einen Teilindex der "Angemessenheit" nur fünf Punkte. Den schlechtesten Wert aber – nämlich 3,1 Punkte von 10 Punkten – erhält der Angemessenheits-Index bei der Frage nach dem Anteil von Wohneigentum im Land.
Trotz dieser Teilkritikpunkte aber kann das aktuelle Niveau überzeugen. Freilich sind dennoch acht Länder bei der "Angemessenheit" besser als Deutschland:
- Portugal (86,7 Punkte bei Angemessenheit)
- Niederlande (85,6 Punkte bei Angemessenheit)
- Island (85,5 Punkte bei Angemessenheit)
- Frankreich (84,5 Punkte bei Angemessenheit)
- Uruguay (84,0 Punkte bei Angemessenheit)
- Dänemark (82,5 Punkte bei Angemessenheit)
- Belgien (82,0 Punkte bei Angemessenheit)
- Singapur (zwar mit gleicher Punktzahl wie Deutschland, aber im Ranking vor Deutschland genannt)
Leistungsfähigkeit – auf Kosten der Nachhaltigkeit „erkauft“
Bei den anderen zwei übergeordneten Kategorien aber überzeugt Deutschland weniger. Zwar gibt es für die "Integrität" immerhin 76,3 Punkte (und damit nur 3,5 Punkte weniger als bei der "Angemessenheit"). Die Punktzahl aber bringt Deutschland so ziemlich genau in die Mitte des Rankings mit Platz 23.
Punkten kann Deutschland vor allem bei Indikatoren, die zur Bewertung eines zuverlässigen Rechtsrahmens dienen: "Brauchen private Pensionspläne eine behördliche Genehmigung oder Aufsicht, um tätig zu werden?". Hierfür gibt es 10 volle Punkte, ebenso für die Frage: "Muss ein privater Pensionsplan eine vom Arbeitgeber getrennte juristische Person sein?" Aufklärungs- und Informationspflichten vor Abschluss eines privaten Vorsorgeplans haben laut Studienmachern ebenfalls ein hohes Niveau.
Geringer bewertet werden allerdings regelmäßige Informationspflichten über die gesamte Laufzeit eines privaten Rentenplans hinweg. So wird in der Studie gefragt: "Müssen die Mitglieder des Rentenplans Zugang zu einem Jahresbericht haben; muss dieser öffentlich zugänglich sein?" Hier bekommt Deutschland nur sechs von zehn Punkten. Für die Frage, ob Anwärter auf eine Privatrente Zugang zu einem unabhängigen Beschwerdegericht haben, bekommt Deutschland nur fünf Punkte von zehn Punkten. Solche Kritikpunkte bringen für die "Integrität" Punktabzug.
Nachhaltigkeit: Deutschland nur auf Rang 35 von 47
Dass in Deutschland die erste Säule der Altersvorsorge – die umlagefinanzierte Rente – einen großen Teil der Vorsorgelast trägt, ist bekannt. Gerade deswegen leidet das deutsche Rentensystem auch stark unter dem demografischen Wandel: immer stärker gerät die Zahl der Beitragszahler und die Zahl der Rentenbezieher bei der gesetzlichen Rente in ein Missverhältnis. Kommt es nicht zu Reformen, müsste schon in den 2040er Jahren mehr als die Hälfte des Bundeshaushaltes für die Rente aufgebracht werden (Versicherungsbote berichtete). Zudem wird vor einem Beitragssatz in Höhe von 29 Prozent gewarnt (Versicherungsbote berichtete). Derartige Probleme verursachten schon in den letzten Jahren schlechte Wertungen für den Teilindex "Nachhaltigkeit".
Diesjährig erhält Deutschland für die "Nachhaltigkeit" nur 45,3 Punkte von 100 Punkten. Kritikpunkte werden wieder anhand der geringsten Wertungen deutlich. Eine Frage lautet: "Wie hoch ist das Rentenvermögen, ausgedrückt in Prozent des BIP, das in privaten Rentenversicherungen, öffentlichen Rentenreservefonds, geschützten Buchrücklagen und Rentenversicherungsverträgen gehalten wird?" Für diese Frage werden an das deutsche Rentensystem nur 2,1 Punkte von möglichen 10 Punkten verteilt. Eine weitere Frage des Rankings lautet: "Wie hoch sind die Pflichtbeiträge, die für künftige Altersversorgungsleistungen zurückgelegt werden (d. h. kapitalgedeckt), ausgedrückt als Prozentsatz des Jahreslohns eines Vollzeit-Medianverdieners?" Für derartige Fragen erhält Deutschland sogar gar keinen Punkt, obwohl zehn Punkte möglich gewesen wären.
Gesamtbewertung: Deutschland verschlechtert sich von Jahr zu Jahr
Es sind die zwei Säulen "Betriebsrente" und "Privatvorsorge", in denen Deutschland noch Entwicklungsland ist. Aufgrund des schlechten Teil-Index "Nachhaltigkeit" erhält Deutschland insgesamt auch nur 66,8 Punkte gemäß Gewichtung aller drei Indices ("Angemessenheit", "Integrität" und "Nachhaltigkeit"). Dies bedeutet einen nochmaligen Abfall gegenüber früheren Platzierungen: Lag man 2021 in der Gesamtwertung noch auf Rang 14 und 2022 auf Rang 17, liegt Deutschland im Melbourne Mercer Global Pension Index 2023 nur noch auf Rang 19. Eine Pressemeldung zum Melbourne Mercer Global Pension Index sowie Links zur englischsprachigen Studie sind auf der Webseite von Mercer Deutschland verfügbar.