Mehr Finanzbildung an Schulen erwünscht

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Das „Handelsblatt“ macht auf die mangelnde Finanzbildung vieler Jugendlicher aufmerksam. Das ermögliche es Influencern und Finanzdienstleistern, junge Menschen mit dem Versprechen auf schnelles Geld über den Tisch zu ziehen.

In drei Monaten so viel verdienen, dass man nie wieder arbeiten muss? Sofort investieren - ohne Vorkenntnisse? Garantierte Renditen von 20 Prozent - ganz ohne Risiko? Mit solchen Sprüchen werben fragwürdige Finanzdienstleister auf YouTube und anderen Social-Media-Plattformen. Schon ihr Auftreten und ihre Ansprache machen deutlich, dass sie eine junge Zielgruppe anvisieren. Die Protagonisten in den Videos fahren große -vielleicht gemietete- Luxusautos, tragen angesagte Klamottenmarken, der Ton ist locker und kumpelhaft. Das Versprechen „739 Euro am Tag - Schritt-für-Schritt-Anleitung“ endet dann oft damit, dass die Angesprochenen ein dubioses Abo abschließen oder ihr Geld nie wiedersehen.

Nur 45 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen kennen Begriff "Inflation"

Derartige Angebote sind Anlass für das „Handelsblatt“, auf Lücken in der Finanzbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hinzuweisen. Denn die Frage, ob man in finanziellen Fragen gute Entscheidungen treffen kann, hängt auch von der Finanzkompetenz ab. Eine Umfrage des Bankenverbandes aus dem Jahr 2022 verdeutlicht die gefährlichen Wissensdefizite. Befragt wurden hierfür bevölkerungsrepräsentativ 1.022 Personen ab 16 Jahren sowie zusätzlich 250 Personen von 16- bis 24-Jahren.

  • Nur etwa jeder dritte (30 Prozent) der 16- bis 24-Jährigen kennt den Begriff ‚Investmentfonds‘, wobei nur rund ein Viertel (24 Prozent) ihn erklären kann.
  • Der Begriff ‚ETF‘ ist bereits etwas bekannter, mit einer Bekanntheit bei vier von zehn Befragten in dieser Altersgruppe (41 Prozent), jedoch können nur 17 Prozent ihn erklären.
  • Besonders alarmierend ist, dass 45 Prozent der 16- bis 24-Jährigen nicht wissen, was „Inflation“ bedeutet, obwohl diese im betreffenden Jahr ein Rekordniveau erreicht hatte und bei der Geldanlage berücksichtigt werden sollte.
  • Nur weniger als jeder vierte junge Erwachsene (23 Prozent) kennt die genaue Höhe der Inflation.

Acht von zehn Befragten für eigenes Schulfach "Wirtschaft"

Die Umfrage von Bundesverband Deutscher Banken zeigt auch, dass der Wunsch nach mehr Finanzbildung vorhanden ist. 82 Prozent aller repräsentativ Befragten stimmen der Aussage zu, „Die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge in der Schule sollte einen höheren Stellenwert bekommen“.

Dabei ist „Möglichkeiten der Geldanlage“ mit 56 Prozent Zustimmung unter den Bejahenden zwar die Antwort mit der niedrigsten Zustimmung, „Möglichkeiten der Altersvorsorge“ mit 67 Prozent jene mit dem zweitniedrigsten Zustimmungswert. Aber das ist noch immer die Mehrheit. „Umgang mit Geld“ landet auf Rang eins: 85 Prozent derjenigen, die sich mehr Finanzbildung in der Schule wünschen, räumen diesem Thema einen hohen Stellenwert ein.

Quelle: infas quo / Bundesverband Deutscher Banken

Aber ein eigenes Schulfach „Wirtschaft“ gibt es bisher nur in zwei Bundesländern: Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Das „Handelsblatt“ verweist auf eine Initiative der Bundesregierung, die das Ziel hat, die finanzielle Bildung zu stärken. Als erster Schritt solle eine Finanzbildungs-Plattform entstehen, um seriöse Bildungsangebote zu bündeln und bundesweit zugänglich zu machen. Bisher gebe es aber keine Kriterien, welche Lernmaterialien und Angebote für den Schulunterricht geeignet seien. Ein weiteres Problem: Bildung ist Ländersache, der Einfluss des Bundes begrenzt. Lediglich über Empfehlungen oder Bund-Länder-Programme kann der Bund hier Einfluss auf die Lehrpläne nehmen: Selbst nationale Bildungsstandards haben keine rechtlich bindende Wirkung.

Interessenkonflikte bei Lehrmaterialien?

Ein weiteres Problem bezieht sich darauf, wer die Lehrmaterialien für ein Schulfach „Wirtschaft“ entwickeln und anbieten soll. Auch weil das Geld in vielen Schulen knapp ist, greifen sie auf Bildungsangebote von Banken und Finanzdienstleistern zurück. Als Beispiel nennt das „Handelsblatt“ das Inkassounternehmen EOS. Über seine Stiftung „Finlit Foundation“ biete es zwei Bildungsprogramme an - konkret ManoMeter, das „Finanzen kinderleicht“ verspricht, und OhMoney mit dem Slogan „Finanzensicher durchstarten“.

Doch EOS steht selbst in der Kritik. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat eine Musterfeststellungsklage gegen den Inkassodienstleister angestrengt, der sich über 700 Personen angeschlossen haben. Das Inkassounternehmen gehört zum Otto Konzern. Aus Sicht des vzbv erzeugt EOS künstlich überzogene Inkassokosten, indem zwei Unternehmenstöchter (EOS Investment GmbH und EOS Deutscher Inkasso-Dienst GmbH) sich gegenseitig mit der Eintreibung von Forderungen beauftragen und so quasi doppelt abkassieren. Die Klage konnte vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (OLG) einen Teilerfolg erzielen. Am 15. Juni 2023 entschied das Gericht, dass es sich bei der Schadensposition, die die EOS Investment GmbH für die Beauftragung des EOS DID verlangt, um einen rein fiktiven Schaden handelt. Der Streit ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

Drängen solche Anbieter in die Schulen, stellt sich die Frage nach Interessenkonflikten. Das „Handelsblatt“ zitiert den Verhaltensökonomen Hartmut Walz, wonach das Angebot von EOS „Reputation-Washing“ sei: also eine Maßnahme, den eigenen Ruf aufzubessern. Die Stiftung des Inkassoanbieters erinnere ihn an die Imagewerbung der Tabakindustrie mit Gesundheitsprogrammen, erklärt Walz dem Blatt. Demgegenüber argumentiert das Inkassounternehmen, es wolle Schülerinnen und Schüler für das Thema der Überschuldung sensibilisieren - sie sei "sowohl gesellschaftlich als auch für unser Geschäftsmodell ein Problem".

Solche externen Bildungsdienstleister mit einem vermeintlichen Eigeninteresse sind keine Seltenheit. Das „Handelsblatt“ beruft sich auf eine unveröffentlichte Studie von Anja Bofig, Juniorprofessorin an der Hochschule Schwäbisch Gmünd. Demnach stammen 17 Prozent der kostenlos verfügbaren Bildungsmaterialien von Banken und Finanzdienstleistern, weitere 13 Prozent von Stiftungen - hinter denen sich auch oft Unternehmen verstecken. Experte Walz warnt davor, dass die Unternehmen mit ihren Angeboten indirekt Eigenwerbung betreiben, einseitige Informationen streuen oder versuchen, schon im jungen Alter Schülerinnen und Schüler an ihre Marke zu binden - das würde der Finanzbildung eher entgegen laufen.