In der vergangenen Woche kritisierte der Fondsverband BVI die Lebensversicherer scharf: Ihre staatlich geförderten Produkte würden kaum Rendite erzielen, während ihr Lobbyeinfluss verhindere, dass Fonds-Investments als Altersvorsorge gefördert werden. Jetzt schlägt der Versichererverband GDV zurück und attackiert eine Studie, die beweisen soll, dass Fonds-Auszahlpläne der klassischen Altersvorsorge mit kapitalbildenden Lebensversicherungen überlegen seien. Der Vorwurf: Die Fondsbranche präsentiere eine „Mogelpackung“.
Dass die deutschen Lebensversicherer mit Kritik an ihren Altersvorsorge-Produkten konfrontiert werden, ist keine neue Erfahrung. Seit Jahren nehmen die Verbraucherzentralen und der Bund der Versicherten (BdV) ihre Angebote ins Visier, kritisieren die vermeintlich hohen Kosten, die Provisionszahlungen und die Intransparenz der Verträge. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übte wiederholt Kritik an den Renditen und will die Versicherer verstärkt auf Wohlverhaltensregeln verpflichten.
Doch in der letzten Woche kam eine neue Stimme direkt vom Börsenparkett hinzu: Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Investment und Asset Management e.V. (BVI), forderte, dass sich die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge nicht allein auf Versicherungslösungen konzentrieren dürfe. „Von der Riester-Rente profitieren seit Jahren die Lebensversicherer, nicht aber die Sparer. Das muss sich ändern“, schrieb er in einem Meinungsbeitrag für die Tageszeitung „Welt“.
Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob eine staatlich geförderte Altersvorsorge nur auf Produkte beschränkt sein sollte, die eine lebenslange Rente garantieren. Denn genau eine solche lebenslange Rente bieten die Bankauszahl- oder Fondsentnahmepläne, mit denen die Fondsanbieter Altersvorsorgelösungen gestalten, nicht. In der Regel sehen diese Pläne nur eine Zahlung bis zum 85. Geburtstag vor. Das reiche nicht aus, argumentieren die Versicherer, denn im schlimmsten Fall sei – stark vereinfacht ausgedrückt – noch jede Menge Restlebenszeit übrig, wenn das zusätzliche Vermögen aufgebraucht sei. Es drohen demnach Versorgungslücken und Altersarmut.
Die Fondsbranche hält dem entgegen, dass die Rentenlösungen der Versicherer nicht genug Rendite erwirtschaften, um ein auskömmliches Alterseinkommen zu ermöglichen. Die Versicherer seien verpflichtet, das Geld der Kunden aus Sicherheitsgründen in wenig lukrative Anlagen wie Staatsanleihen zu investieren. „Die Kosten einer lebenslangen Rente, wie sie auch bei Riester vorgeschrieben ist, mindern die Rendite gewaltig. Rendite ist aber notwendig, um den Lebensstandard im Alter auch nur einigermaßen halten zu können“, schrieb Richter in seinem Kommentar.
BVI-Studie zu Vorteilen der "Fondsrente"
Um die eigenen Argumente zu stützen, präsentierte der BVI eine Studie, die die Vorteile des Fonds-Investments als Altersvorsorge belegen soll. Das Risiko, dass eine Fondsrente vorzeitig aufgebraucht werde, sei demnach gering. Die BVI-Analyse zeige, dass das Geld in rund 96 von 100 Fällen bis zum Lebensende reiche. Selbst wenn das Kapital vorzeitig aufgezehrt werde, decke die Fondsrente den Großteil des Ruhestands ab: Nur in etwa einem Prozent der Fälle sei das Kapital für eine private Zusatzrente fünf oder mehr Jahre zu früh aufgebraucht.
„Ein Fondsauszahlplan, eine sogenannte Fondsrente, biete deutlich höhere Renditechancen sowie mehr Flexibilität als eine lebenslang garantierte Leibrente und sei dabei nur unwesentlich riskanter“, schreibt der Verband im Pressetext zur Studie. In der zugrunde liegenden Simulation investiere jeder Bürger des Jahrgangs 1958 zu Beginn der Rentenphase 35.200 Euro in einen Mischfonds aus 70 Prozent deutschen Anleihen und 30 Prozent deutschen Aktien. Die anfängliche Jahresauszahlung betrage 1.260 Euro, steige jährlich um zwei Prozent und erreiche nach 20 Jahren knapp 1.900 Euro, um die Inflation auszugleichen.
"Fondsanbieter präsentieren Mogelpackung"
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und geht in seiner aktuellen Stellungnahme hart mit der BVI-Studie ins Gericht. Der Vorwurf lautet, die Fondsanbieter rechneten mit allzu optimistischen Zahlen und Annahmen, um die Sicherheit des Fonds-Investments als Altersvorsorgeinstrument zu beschönigen.
„Grundsätzlich sind die BVI-Berechnungen äußerst problematisch, weil sie auf sehr optimistischen, zum Teil auch falschen Annahmen bezüglich der Sterblichkeit sowie des Kapitalmarktes beruhen“, wird GDV-Präsident Norbert Rollinger in einem Pressestatement des Versichererverbandes zitiert. „Die Annahmen gehen sowohl an der Wirtschafts- als auch an der Lebensrealität vorbei. Wenn sich ältere Menschen darauf verlassen, stehen sie womöglich ohne Zusatz-Rente da“, ergänzt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Konkret erhebt der GDV fünf Kritikpunkte an der Studie:
- Unrealistische Annahmen zur Sterblichkeit: Die Studie basiere auf einer verkürzten Lebenserwartung und verwende Sterblichkeitsraten aus der Coronaphase, obwohl die Lebenserwartung laut aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes zuletzt um etwa 0,4 Jahre gestiegen sei, moniert der GDV. Die verwendete statistische Sterbewahrscheinlichkeit berücksichtige zudem nicht, dass die Lebenserwartung aufgrund des medizinischen Fortschritts noch weiter ansteigen werde.
- Optimistische Annahmen zu Kapitalmarktrenditen: Die BVI-Studie gehe von überdurchschnittlich hohen jährlichen Renditen aus, insbesondere für deutsche Staatsanleihen (REXP ca. 4,5 Prozent) und Aktien (DAX ca. 9,3 Prozent). Diese Annahmen seien laut GDV sehr optimistisch und nicht repräsentativ für die Zukunft.
- Irreführende Darstellung der „Fondsrente“: Der in der BVI-Studie verwendete Begriff „Fondsrente“ sei irreführend, kritisiert der GDV, da es sich in Wirklichkeit um einen Fonds-Auszahlplan handele, der im Gegensatz zu einer „echten“ Altersrente keine lebenslange Garantie biete.
- Falsche Sicherheit bei der Geldverfügbarkeit: Die BVI-Studie suggeriere, dass das Geld in über 95,7 Prozent der Fälle bis zum Lebensende reiche. "Das stimmt so nicht, denn: Zwei Drittel der Frauen und mehr als die Hälfte der Männer dürfen damit rechnen, in Zukunft das Alter von 85 deutlich zu überschreiten. Dann reicht ein Auszahlungsplan nicht aus, um die Lücken aus der gesetzlichen Rente zu schließen. Wichtig ist daher eine lebenslange Rente, die das Einkommen auch im hohen Alter sichert", positioniert sich Katja de la Viña, CEO der Allianz Leben und Vorsitzende des GDV-Präsidialausschusses Altersvorsorge.
- Unterschätzung der Bedeutung lebenslanger Renten: Der GDV kritisiert, dass die Bedeutung von lebenslangen Renten und Mindestgarantien in den Reformplänen für die private Altersvorsorge unterschätzt werde, obwohl dies zentral für die finanzielle Sicherheit im hohen Alter sei.
Doch die Versicherer werden sich auf neue Konkurrenz einstellen müssen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat angekündigt, zukünftig auch das Investment in Fonds oder andere geeignete Anlageklassen ohne Beitragserhaltgarantie staatlich fördern zu wollen. Das sehen die Pläne für ein sogenanntes Altersvorsorgedepot vor. Mit Lindners neuem Gesetz kündigt sich ein Paradigmenwechsel in der privaten Altersvorsorge an: Damit wird der Zwang aufgehoben, das angesparte Kapital zu verrenten und eine lebenslange Rente zu garantieren.