Altersvorsorge: „Frauen fällt es leichter, sich Frauen anzuvertrauen.“

Quelle: @Cornelia Frankenberg

Wie können Frauen ihre Altersvorsorge besser gestalten? Cornelia Frankenberg, Maklerin und Inhaberin von ILMFINANZ, spricht im Interview mit dem Versicherungsboten über die besonderen Herausforderungen, denen Frauen bei der Altersvorsorge gegenüberstehen, über bewährte Beratungsstrategien und darüber, welche Maßnahmen notwendig sind, damit die Versicherungsbranche gerechtere Lösungen anbietet.

Versicherungsbote: Frau Frankenberg, wie haben Sie in Ihrer Beratungspraxis die spezifischen Herausforderungen von Frauen in Bezug auf Altersvorsorge erlebt? Und hat sich hierbei in den letzten Jahren etwas verändert?



Cornelia Frankenberg: Frauen bringen tatsächlich sehr spezifische Herausforderungen mit. Zum einen ist das eine größere Rentenlücke, zum anderen weniger frei verfügbares Einkommen für Altersvorsorge. Beides folgt z.B. aus Elternzeit und Teilzeit aufgrund von Care-Arbeit (z.B. Kindererziehung oder Pflege). Der Gender-Pay-Gap spielt hier auch eine große Rolle.
Zu diesen Themen hat sich in den letzten Jahren das Bewusstsein zum Glück verbessert, sodass immer mehr Männer Elternzeit nehmen oder für Care Arbeit in Teilzeit gehen. Doch von einer Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt.



Das Thema „Mental Load“ ist auch präsent. Zwischen dem Managen von Beruf, Familie und sozialen Verpflichtungen haben Gedanken an Altersvorsorge oft wenig Platz. Das Thema findet erst so langsam Beachtung. Leider ist es oft so, dass Männer im Haushalt „helfen“, wenn sie einen Auftrag dazu bekommen. So bleibt die gedankliche Aufgabenverwaltung trotzdem bei den Frauen hängen. Bei vielen jungen Familien erlebe ich da zum Glück bereits einen Wandel.

Frauen mangelt es systemisch bedingt auch oft an Selbstvertrauen und Wissen in Finanzthemen. Das verbessert sich zum Glück gerade rapide, da es immer mehr frauenspezifische Informationsangebote gibt, die auch genutzt werden. Dennoch bleibt die Angst, etwas falsch zu machen. Frauen tragen eine große Verantwortung, nicht nur sich selbst gegenüber. Daher ist ein Fehler fataler, insbesondere wenn die Ressourcen knapp sind. Im Beratungsgespräch – und das ist seit Jahren unverändert – äußert sich das darin, dass Frauen sehr genau verstehen wollen, welches Produkt sie erwerben. Oftmals kommen mehrere Fragerunden, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Diese wird dann aber nach dem Abschluss seltener hinterfragt und ist weniger stornoanfällig.

Welche Hindernisse begegnen Frauen Ihrer Erfahrung nach am häufigsten, wenn es um den Aufbau einer soliden Altersvorsorge geht?


Zum einen sind das die knappen finanziellen Mittel, zum anderen aber auch die fehlende finanzielle Kontrolle. Leider erlebe ich oft, dass sich eine Partei in der Beziehung um die Finanzen kümmert, verknüpft mit einem einzigen Gemeinschaftskonto. Wenn es dann keine Einigung gibt, wird die eigentlich notwendige Altersvorsorge nicht realisiert. Hier müssen wir einfach früher ansetzen und Frauen ermächtigen, eigene finanzielle Entscheidungen zu treffen. 

Wenn dann eine Frau Altersvorsorge betreiben möchte, fehlen die passenden Anlaufstellen. Die meisten Vermittler sind männlich und Frauen fällt es leichter, sich Frauen anzuvertrauen.

Es fehlt auch oft Grundwissen über das Produktportfolio und die Vergleichbarkeit. Am Ende gewinnt die Sympathie. Das beste Produkt bekommt man dann oft nicht (auch wenn es i.d.R. besser ist als gar keine Altersvorsorge).

Welche Auswirkungen haben traditionelle Rollenbilder und unterbrochene Erwerbsbiografien auf die Altersvorsorge von Frauen, und wie gehen Sie in Ihrer Beratung damit um?

In der traditionellen Rollenverteilung geht die Frau in Elternzeit und steigt in Teilzeit wieder ein, sobald das jüngste Kind in KiTa oder Schule ist. Während Kindererziehungszeiten zumindest noch halbwegs durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) gepuffert sind (ein Jahr Kindererziehung bringt fast einen Rentenpunkt), ist das bei Teilzeit nicht mehr der Fall. Bei einem Rentenniveau von 48 Prozent habe ich bereits mit einer Vollzeitstelle eine Rentenlücke von 52 Prozent. Mit einer Teilzeitstelle erhöht sich die Lücke auf etwa 75 Prozent.

Teilzeit hört oft auch nicht auf, wenn die Kinder älter werden. Dann kommt nämlich häufig ein Pflegefall in der Familie dazu, um den sich dann auch die Frau kümmert – denn sie hat ja ohnehin bereits das geringere Einkommen. Und wenn sie doch wieder voll in den Job einsteigt, fehlen ihr viele Jahre Berufserfahrung. Somit bleibt das Einkommen gering. Dies ist ein Teufelskreis.

In meiner Beratung (siehe ILMFINANZ) kläre ich die Familien genau darüber auf. Und selbst wenn ein traditionelles Rollenbild gewählt wird – was vollkommen legitim ist –, kann man entsprechend vorsorgen. Das Schlimmste, und das beobachte ich leider regelmäßig, ist die bestehende Altersvorsorge (AV) der Frau während der Elternzeit auch noch beitragsfrei zu stellen.

Stattdessen gibt es ein gemeinsames Familieneinkommen, zu dem der Mann den Löwenanteil beisteuert. Davon muss dann auch die Altersvorsorge der Frau finanziert werden. Das ist der entscheidende Punkt. Die meisten Männer finden das auch total super und sind bereit, für ihre Partnerinnen zu investieren. Das ist dann der Ausgleich für die unbezahlte Care-Arbeit der Frau.

Ich empfehle unverheirateten Partnern außerdem, über eine Hochzeit nachzudenken, um im Trennungsfall zumindest vom gesetzlichen Versorgungsausgleich zu profitieren.

„Ich erzähle gern von Frauen, die sich nicht aus unglücklichen Beziehungen lösen können.“

Welche Ansätze verwenden Sie, um Frauen über die langfristigen Risiken einer unzureichenden Altersvorsorge aufzuklären?

Die meisten Frauen sind dahingehend bereits aufgeklärt und sich der Risiken bewusst, verdrängen das Thema aber. Ich erzähle gerne von Beispielen meiner Elterngeneration, in denen Frauen sich nicht aus unglücklichen Beziehungen lösen können, weil das eigene Einkommen nicht zum Überleben reicht. Die meisten Frauen kennen auch solche Beispiele. Außerdem nutze ich ein Analysetool, welches umfassend die aktuelle und zukünftige Einkommenssituation darstellt. Die aufgezeigten Lücken sind für alle sehr eindrücklich – vor allem, wenn man die Inflation einrechnet.

Wie nehmen Frauen Ihrer Erfahrung nach staatlich geförderte Produkte wie die Riester-Rente an, und welche Empfehlungen geben Sie in diesem Bereich?

Staatliche Förderung ist immer ein Teil des Beratungsprozesses. Dazu gehört neben Riester ja auch die Basisrente und die betriebliche Altersvorsorge. Alle geförderten Produkte bergen auch Nachteile, und die müssen abgewogen werden.

Die Riesterrente hat aktuell den großen Nachteil der 100-Prozent-Beitragsgarantie. Das kostet Rendite. Daher empfehle ich das, wenn es zur Anlagementalität meiner Kundinnen passt oder wenn es allein durch die zu erwartenden Zulagen rentabel wird (meist ab ein bis zwei Kindern). Leider wurde die Riesterrente in den letzten Jahren sehr verunglimpft. Daher haben viele Kundinnen Vorbehalte. In einem gut geplanten Altersvorsorge-Portfolio für eine Frau mit Kindern findet die Riesterrente jedoch meist ihren Platz.

Welche spezifischen Altersvorsorgeprodukte oder Strategien empfehlen Sie Frauen, die nach einer Scheidung oder Trennung eigenständig vorsorgen müssen?

Das kommt wiederum ganz auf den persönlichen Fall an. Nach dem Abschluss des Versorgungsausgleichs wird eine neue Altersvorsorge-Analyse notwendig. In dieser werden die bestehenden Ansprüche aufgenommen sowie die gewünschte Rentenhöhe. Unter Einbeziehung der Inflation und der persönlichen Wünsche und Anlagementalität der Kundin wird eine Strategie festgelegt.

Die genaue Empfehlung hängt auch davon ab, wie weit es die Frau noch bis zur Rente hat und wie groß die Lücke ist. Die Realität zeigt leider, dass oft wenig Vorsorge getroffen wurde und wenig Kapazitäten für weitere Vorsorge besteht. Es wäre aber unseriös, an dieser Stelle ein konkretes Produkt zu nennen, da jede Frau unterschiedliche Voraussetzungen mitbringt.

Doch eine grundlegende, produktunabhängige Empfehlung spreche ich aus – nämlich eher einen Netto- statt einen Courtagetarif zu wählen, da in diesen durch die ausgelagerte Vermittlungsprovision der Kapitalaufbau schneller in Fahrt kommt.

Was sind aus Ihrer Sicht die dringendsten Maßnahmen, die die Versicherungsbranche ergreifen sollte, um Frauen eine gerechtere und attraktivere Altersvorsorge zu bieten?

Die dringendste Maßnahme ist meines Erachtens Aufklärung. Und zwar nicht nur bei den Frauen, sondern auch bei den Männern. Dazu müssen auch die Vermittler geschult werden. Und das Thema sollte Einzug in den Ausbildungskanon halten.

Noch immer ist das Gros der Vermittler männlich. Und nicht jede Frau hat Zugang zu einer weiblichen Vermittlerin. Daher müssen auch die männlichen Vermittler das Thema ansprechen.

Die Produkte am Markt können entsprechende Lösungen bereits abbilden, man muss sie nur richtig einsetzen. Auch muss die Branche attraktiver für weibliche Vermittlerinnen werden. Im Innendienst sind diese ja schon stark vertreten, doch im Vertrieb fehlt es an weiblichen Vorbildern. Hier darf ein bisschen mehr geworben werden. Denn abseits vom möglichen Risiko einer Selbständigkeit lockt die Flexibilität und das ortsunabhängige Arbeiten, was vor allem für Frauen mit Kindern ein echter Bonus ist.

Der dritte Ansatzpunkt ist außerhalb der Kernfamilie bei den Arbeitsstellen der Kundinnen. Eine bezuschusste und geförderte betriebliche Altersvorsorge kann für viele Frauen den Grundstein legen, ohne dass sie selbst viel dafür tun müssen.