Leibrenten sind auf dem deutschen Markt noch jung, werden aber in Zeiten des demografischen Wandels breit beworben. Verbraucherschützer aber warnten in der Vergangenheit wiederholt vor den Tücken der Verträge und fehlenden Marktstandards. Versicherungsbote stellt Möglichkeiten und Risiken vor.
Angesichts sinkender Renten und wachsender Altersarmut werden Leibrenten zunehmend als Option zur Altersvorsorge beworben. In Ländern wie den USA ist die Leibrente seit Jahrzehnten ein etabliertes Finanzinstrument. In Deutschland hat sie erst in den letzten Jahren an Bekanntheit gewonnen. Das Grundprinzip ist einfach: Der Eigentümer verkauft seine Immobilie an einen Anbieter und erhält dafür eine monatliche Leibrente, während ihm ein lebenslanges Wohnrecht in seiner Immobilie garantiert wird. Zielgruppe sind vor allem ältere Menschen, die Kapital benötigen, aber im eigenen Zuhause wohnen bleiben möchten. Für viele Immobilienbesitzer klingt die Aussicht auf ein zusätzliches Einkommen im Alter attraktiv. Allerdings bedeutet ein Leibrentenvertrag nicht zwangsläufig finanzielle Entlastung. Denn das Modell birgt zahlreiche Risiken und erfordert eine gründliche Prüfung der Vertragsbedingungen.
Wonach sich die monatliche Leibrente richtet
Die Höhe der monatlichen Leibrente, die der Immobilienbesitzer erhält, richtet sich nach verschiedenen Faktoren. Ein entscheidendes Kriterium ist der Verkehrswert der Immobilie, der von unabhängigen Gutachtern ermittelt wird. Dieser Verkehrswert bildet die Grundlage für die Berechnung der Rentenhöhe, jedoch nicht ohne Abschläge.
Ein erheblicher Abzug entsteht durch das lebenslange Wohnrecht, das der Verkäufer behält. Dieser sogenannte „Wohnwert“ wird vom monatlichen Rentenbetrag abgezogen und schmälert die Rente deutlich. Das oft beworbene „mietfreie Wohnen“ ist daher nur bedingt kostenlos – denn je nach Vertrag und Anbieter kann der Abzug mehrere hundert Euro im Monat betragen. Der Wohnwert entspricht letztlich einer Art Miete, die für die Nutzung der eigenen Immobilie weiterhin anfällt.
Leibrenten als „Wetten auf den Tod“
Zusätzlich fließt die Lebenserwartung des Rentenempfängers in die Berechnung der Rentenzahlungen ein. Anbieter greifen hierbei auf sogenannte Sterbetafeln zurück, statistische Daten, die die durchschnittliche Lebenserwartung von Menschen gleichen Alters und Geschlechts prognostizieren. Die Leibrente wird entsprechend der geschätzten Lebensdauer berechnet: Je älter die Person beim Vertragsabschluss ist, desto höher fällt die monatliche Rente aus, da die statistische Restlebenszeit kürzer ist. Jüngere Rentenbezieher hingegen erhalten in der Regel geringere monatliche Zahlungen, da bei ihnen von einer längeren Rentenlaufzeit ausgegangen wird. Bei Paaren erfolgt die Berechnung der monatlichen Renten häufig anhand der Lebenserwartung des jüngeren Partners – zum Nachteil des Paares, weil dies die Rentenhöhe reduziert.
Das Konstrukt wird häufig mit einer „Wette auf den Tod“ verglichen. Denn die Leibrente bleibt lebenslang garantiert. Wer besonders lang lebt, kann von der Leibrente profitieren und unter Umständen mehr erhalten als den ursprünglichen Wert der Immobilie. Doch stirbt der Rentenempfänger frühzeitig, bevor er den Immobilienwert durch die Rentenzahlungen ausgeglichen hat, profitieren vor allem die Anbieter. Die Rentenansprüche enden dann in der Regel, ohne dass verbleibende Rentenbeträge an Erben ausgezahlt werden. Zusammengefasst sind Leibrente für Rentenbezieher durch einen frühen Todesfall wirtschaftlich oft nachteilig.
Absicherungsmöglichkeiten für Erben
Um die Risiken für Erben zu begrenzen, bieten einige Anbieter Verträge mit Mindestlaufzeiten an. Diese Vereinbarungen sorgen dafür, dass Rentenzahlungen für einen bestimmten Zeitraum über den Tod des Rentenempfängers hinaus an Hinterbliebene weitergeführt werden. Solche Absicherungen erhöhen jedoch in der Regel die monatlichen Kosten oder reduzieren die Höhe der Rentenzahlungen, da zusätzliche Gebühren fällig werden.
Verbraucher sollten die möglichen Absicherungsoptionen und die damit verbundenen Kosten im Vertrag prüfen, um zu entscheiden, ob der zusätzliche Schutz sinnvoll ist und wie er sich auf die Rente auswirkt.
Auch die steuerliche Belastung ist zu beachten
Ein weiterer, oft vernachlässigter Aspekt ist die steuerliche Belastung. Die Rente ist gemäß Paragraf 22 EStG mit einem Ertragsanteil steuerpflichtig, der sich nach dem Alter des Rentenbeziehers richtet. Der Ertragsanteil bezeichnet den Anteil der Rentenzahlung, der als „Rendite“ betrachtet wird und daher versteuert werden muss. Je jünger der Rentenempfänger beim Start der Rente ist, desto höher ist dieser Anteil, da die statistische Lebenserwartung und damit die Laufzeit der Rente länger sind.
Ein Beispiel: Ein 75-jähriger Rentenempfänger erhält eine monatliche Leibrente von 1.000 Euro. Für ihn beträgt der Ertragsanteil gemäß Tabelle des Paragrafen 22 EStG 11 Prozent. Das bedeutet, dass 110 Euro dieser Rente als steuerpflichtiges Einkommen gelten, während die verbleibenden 890 Euro steuerfrei sind. Zum Vergleich ein jüngerer Rentenbezieher im Alter von 65 Jahren, der dieselbe monatliche Rente von 1.000 Euro erhält. Für ihn liegt der Ertragsanteil bei 18 Prozent, sodass 180 Euro versteuert werden müssen, während die übrigen 820 Euro steuerfrei bleiben. Wenngleich die Besteuerung "günstig" ist, wie das Portal Finanztip wertet, sollte sie bei einer Entscheidung sorgfältig einkalkuliert werden.
Instandhaltungs- und Modernisierungskosten als Risiko
Ein oft übersehener, aber bedeutender Kostenpunkt bei der Leibrente sind die Ausgaben für Instandhaltung und Modernisierung der Immobilie. Trotz des Verkaufs bleibt der Rentenbezieher häufig für solche Kosten verantwortlich, da er weiterhin das Nutzungsrecht an der Immobilie besitzt. Das bedeutet, dass teure Reparaturen oder gesetzlich vorgeschriebene Modernisierungen weiterhin vom ehemaligen Eigentümer getragen werden müssen. Im Alter können diese Ausgaben eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen, besonders wenn unvorhergesehene Maßnahmen wie Dachsanierungen, Fassadenarbeiten oder energetische Modernisierungen anfallen.
Da viele Verträge diesen Punkt nur unzureichend regeln, sollten Verbraucher sorgfältig prüfen, wer für welche Kosten aufkommt und ob etwa eine Kostenteilung mit dem Anbieter vereinbart werden kann. Andernfalls könnten sich die finanziellen Vorteile der Leibrente durch hohe Instandhaltungsaufwendungen schmälern. Verbraucherschützer empfehlen daher, eine detaillierte Absprache zur Kostenverteilung im Vertrag festzuhalten und gegebenenfalls Rücklagen für Instandhaltungsmaßnahmen einzuplanen.
Zusätzlich empfiehlt es sich, den aktuellen Zustand der Immobilie vor Vertragsabschluss umfassend zu bewerten und mögliche Modernisierungsbedarfe zu berücksichtigen. Dies ermöglicht eine realistischere Einschätzung der zukünftigen Kostenbelastung und schützt den Rentenempfänger vor unangenehmen Überraschungen.
Fehlende Standards
In Deutschland fehlen einheitliche gesetzliche Standards für Leibrentenverträge. Dies erschwert es Verbrauchern, Angebote verschiedener Anbieter zu vergleichen und sich umfassend über ihre Rechte und Verpflichtungen zu informieren. Verbraucherschützer fordern daher eine bessere Regulierung des Marktes, um die Transparenz zu erhöhen und klare Rahmenbedingungen zu schaffen. Derzeit bleibt es den Anbietern überlassen, wie sie die Verträge gestalten, was für Verbraucher oft unklare Kosten- und Risikostrukturen bedeutet. Eine sorgfältige Prüfung der Vertragsdetails ist daher unerlässlich.
Wann sich die Leibrente dennoch lohnen kann
Geht es einzig um das lukrative Geschäft, rechnet sich häufig der direkte Verkauf einer Immobilie oder die Vermietung einer Immobilie mehr als die Immobilienverrentung zum Erhalt einer Leibrente. Und doch: Es gibt Situationen, in denen die Immobilienverrentung empfehlenswert ist. Das trifft zum Beispiel dann zu, wenn man in der eigenen Immobilie wohnen möchte, aber wenig Kapital vorhanden ist. Grundbedingung: Statt eines Vererbens der Immobilie an die Nachkommen wird der Verkauf angestrebt.
Und hier kommt eine weitere Möglichkeit hinzu: Anbieter ermöglichen auch Mischmodelle zwischen einer Leibrente und einer Einmalzahlung. In solchen Fällen wird vom Gesamtwert der Immobilie zwar in der Regel der Wohnwert und mitunter auch ein Wert für die Instandhaltung der Immobilie abgezogen. Der den Rentnern dann zur Verfügung stehende Betrag aber kann aufgeteilt werden, falls sofort Kapitalbedarf besteht – zum Beispiel für eine noch nicht beglichene Restschuld auf eine Hypothek oder für Unternehmungen wie eine Weltreise. Auch kann eine Einmalzahlung zum Beispiel für Pflegekosten genutzt werden, um Angehörigen nicht zur Last zu fallen. Freilich geht eine solche Einmalzahlung dann zulasten der monatlichen Renten.