Die Wohngebäudeversicherung bleibt in einer schwierigen Lage. Zwar konnte die Combined Ratio der Branche 2023 erstmals seit Jahren unter 100 Prozent gedrückt werden. Doch noch immer schreibt die halbe Branche rote Zahlen. Die erkämpfte Stabilität wirkt fragil – gerade mit Blick auf Unwetterkatastrophen wie in Österreich oder Valencia. Versicherungsbote stellt wichtige Kennzahlen vor.
Die Wohngebäudeversicherung steht vor enormen Belastungen. Klimabedingte Extremwetterereignisse nehmen nicht nur zu, sondern treffen mit immer größerer Wucht. Hochwasser wie im Ahrtal 2021 oder die verheerenden Unwetter im Sommer 2023 zeigen, wie stark Naturgewalten die Schadenbilanzen belasten können.
Doch die Natur ist nicht der einzige Faktor, der die Branche unter Druck setzt: Auch wirtschaftliche Entwicklungen verschärfen die Lage. Gestörte Lieferketten und Materialknappheit treiben die Baukosten in die Höhe, während die anhaltende Inflation und steigende Zinsen Bauprojekte zusätzlich verteuern. Diese doppelte Belastung aus Klimarisiken und wirtschaftlichem Druck bringt die Branche zunehmend an ihre Grenzen – ein Bild, das der aktuelle Branchenmonitor Wohngebäudeversicherung der V.E.R.S. Leipzig GmbH mit deutlichen Zahlen unterstreicht. Denn trotz schon merklicher Beitragsanpassungen 2023 gibt es noch keinen Grund zur Entwarnung.
Schadenquote leicht verbessert
Trotz der insgesamt angespannten Lage zeigt der Branchenmonitor in einigen Bereichen moderate Verbesserungen. So konnte die Schadenquote 2023 auf 72,05 Prozent gesenkt werden – eine deutliche Entlastung gegenüber den 76,74 Prozent des Vorjahres und den extremen 99,74 Prozent im Katastrophenjahr 2021, das vor allem durch die Ahrtal-Flut geprägt war. Diese Verbesserung spiegelt sich jedoch nicht in den Schadenaufwendungen wider.
Die durchschnittlichen Schadenaufwendungen pro Vertrag stiegen 2023 auf 459,72 Euro – ein Plus von knapp 8 Prozent im Vergleich zu 2022 (425,65 Euro). Zwar liegen die Werte unter dem Höchststand von 508,23 Euro aus dem Jahr 2021, doch sie bleiben deutlich über dem Niveau der Jahre vor der Ahrtal-Flut. Zum Vergleich: 2018 betrugen die durchschnittlichen Schadenaufwendungen pro Vertrag noch 311,21 Euro; im als „mild“ geltenden Jahr 2020 sogar nur 299,42 Euro. Die gesunkene Schadenquote ist somit weniger das Ergebnis geringerer Schäden, sondern vor allem ein Effekt gestiegener Prämieneinnahmen. Die finanzielle Belastung durch Schadensfälle bleibt für die Versicherer weiterhin hoch.
Beitragserhöhungen: Notwendige Maßnahme mit Nebenwirkungen
Um die hohen Schadenaufwendungen auszugleichen, haben die Versicherer ihre Prämien deutlich angehoben. Die gebuchten Bruttoprämien stiegen 2023 um 16,5 Prozent auf 224,82 Millionen Euro. Auch die Durchschnittsprämie pro Vertrag legte spürbar zu: von 556,98 Euro im Jahr 2022 auf 649,38 Euro in 2023 – ein Plus von 16,6 Prozent oder 92,40 Euro je Vertrag. Dieser Anstieg wirkt umso gravierender, wenn man die langfristige Entwicklung betrachtet. 2018 lag die Durchschnittsprämie pro Vertrag noch bei vergleichsweise moderaten 420,72 Euro. Innerhalb von fünf Jahren entspricht das einer Erhöhung um rund 54 Prozent.
Allerdings gibt es auch eine problematische Entwicklung: Der Vertragsbestand je Versicherer ist im gleichen Zeitraum kontinuierlich gesunken. Während 2021 durchschnittlich noch 375.573 Verträge je Versicherer geführt wurden, sank die Zahl 2022 auf 366.902 und weiter auf 362.012 im Jahr 2023 – ein Rückgang von insgesamt 3,6 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Dieser Trend könnte darauf hindeuten, dass die steigenden Prämien für einige Kunden zur Belastung werden. Zwar lässt sich dies nicht abschließend belegen, doch der Rückgang der Verträge birgt das Risiko, dass weitere Beitragserhöhungen künftig schwieriger umzusetzen sein könnten. Während die Versicherer derzeit ihre Einnahmen stabilisieren, könnte die schwindende Vertragsbasis langfristig zur Herausforderung werden.
Halbe Branche mit roten Zahlen/ Ergebnis noch ernüchternder
Beitragserhöhungen wirkten sich zunächst durchaus positiv auf die Combined Ratio (CR) der Branche aus – erstmals seit Jahren konnte sie 2023 wieder unter die 100-Prozent-Marke gedrückt werden und lag bei durchschnittlich 99,30 Prozent über alle 50 analysierten Unternehmen hinweg. Zum Vergleich: 2022 lag die Quote noch bei 104,33 Prozent, im Katastrophenjahr 2021 sogar bei 127,57 Prozent. Betrachtet man den Branchenschnitt, zeigt sich eine erste Stabilisierung.
Doch ein genauerer Blick auf die einzelnen Unternehmen trübt dieses Bild. Denn trotz des besseren Schnitts müssen 25 Unternehmen noch eine CR über 100 Prozent hinnehmen. Diese Unternehmen gaben also in 2023 mehr für Schäden und weitere Kosten aus, als sie durch Prämien einnehmen konnten. Schon diese Zahlen machen deutlich, dass für die halbe Branche selbst die aktuellen Beitragserhöhungen nicht ausreichen, um profitabel zu wirtschaften.
Auch das versicherungstechnische Ergebnis ist ernüchternd
Noch düsterer wird der Blick beim versicherungstechnischen Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung). Die Branche wies 2023 im Durchschnitt ein Defizit von 14,59 Millionen Euro aus. Dieser Wert hat sich im Vergleich zu 2022, als der Verlust bei durchschnittlich 12,74 Millionen Euro lag, wieder verschlechtert. Noch schlechter war das Ergebnis im Katastrophenjahr 2021, das ein durchschnittliches Defizit von 23,77 Millionen Euro je Versicherer aufwies. Seit 2021 befindet sich die Branche damit konstant in der Verlustzone.
Besonders besorgniserregend: 2023 verzeichneten 32 der 50 analysierten Versicherer hier Verluste. Die größten Verlustbringer beim versicherungstechnischen Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) waren:
- R+V Allgemeine: -89,88 Millionen Euro
- Allianz: -123,26 Millionen Euro
- Axa: -134,88 Millionen Euro
Die besten und schlechtesten Schaden-Kosten-Quoten
Ein genauer Blick auf die Combined Ratios der einzelnen Versicherer zeigt ein stark gespaltenes Bild. Während einige Unternehmen ihre Schaden-Kosten-Quoten deutlich unter 100 Prozent halten konnten, kämpfen andere weiterhin mit hohen Belastungen.
Die besten Schaden-Kosten-Quoten
Folgende Unternehmen führen 2023 die CR-Tabelle der Wohngebäude-Versicherer an:
- Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse: 68,74 %
- WGV-Versicherung: 70,82 %
- Provinzial Versicherung: 82,47 %
- Oldenburgische Landesbrandkasse: 83,46 %
- Hamburger Feuerkasse: 83,60 %
- Saarland Feuer: 84,70 %
- BGV-Versicherung: 85,02 %
- VGH Landschaftliche Brandkasse: 85,55 %
Die schlechtesten Schaden-Kosten-Quoten
Auf der anderen Seite zeigt sich, dass eine Reihe von Anbietern weiterhin mit stark negativen Quoten zu kämpfen hat:
- ÖSA: 110,90 %
- Axa: 111,35 %
- Gothaer Allgemeine: 112,70 %
- Interrisk: 113,28 %
- Nürnberger Allgemeine: 114,30 %
- Adler: 119,15 %
- Bayerische Allgemeine: 119,30 %
- Mannheimer: 123,62 %
Fazit: Fragile Stabilität
Ein abschließender Blick auf die Kennzahlen offenbart ein uneinheitliches Bild: Ein erheblicher Teil der Branche konnte trotz gestiegener Prämien die bestehenden Probleme noch nicht lösen. Wie prekär die Lage der Wohngebäudeversicherung tatsächlich ist, verdeutlicht ein Blick nach Österreich oder Valencia: Eine vergleichbare Unwetterkatastrophe in Deutschland 2024 hätte die ohnehin angeschlagene Branche erheblich belastet. Die Versicherer stehen vor der Herausforderung, nachhaltige Lösungen für die steigenden Kosten und die wachsende Bedrohung durch Extremwetter zu finden.
Alle Zahlen stammen aus dem aktuellen Branchenmonitor Wohngebäudeversicherung der V.E.R.S. Leipzig GmbH. Das Analyseinstrument, das eine Vielzahl verschiedener Kennzahlen zugänglich macht, ist ab sofort zusammen mit weiteren Branchenmonitoren kostenpflichtig über die Webseite der Leipziger Experten erhältlich.