Das OLG Karlsruhe rügte nicht nur die unzureichende Begründung der Verweisungen, sondern auch deren inhaltliche Substanz. „Auch im Prozess ist keine formal wirksame Einstellung erfolgt“, heißt es im Urteil (Az. 12 U 34/24). Nach ständiger BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 12.06.1996 – IV ZR 106/95) wäre es sogar möglich gewesen, eine Einstellungsmitteilung während des Prozesses nachzuholen.
Doch dies hätte im vorliegenden Fall nicht ausgereicht. Die Versicherung verfolgte eine besondere Argumentationslinie, die bei Sportlern häufig anzutreffen ist: Sie versuchte, die Lebensstellung des Klägers nicht mit seiner Tätigkeit als Profitorwart zu vergleichen, sondern mit dem typischen Karriereverlauf eines Sportlers nach der aktiven Laufbahn. Ihr Ziel: zu beweisen, dass der Einkommensrückgang nicht auf die Berufsunfähigkeit zurückzuführen sei, sondern eine normale Entwicklung für ehemalige Profis darstelle.
„Der Kläger hätte auch ohne Berufsunfähigkeit nicht über das 40. Lebensjahr hinaus sein Einkommen als aktiver Torwart erzielt, weshalb seine dadurch bedingte Lebensstellung mit seiner jetzigen zu vergleichen sei“, führte die Versicherung aus. Doch das Gericht bemängelte, dass diese Argumentation unzureichend und unkonkret blieb. „Konkretere Ausführungen dazu, wie sich die Lebensstellung des Klägers als Profifußballer nach dem Ende seiner aktiven Karriere ohne den Eintritt der Berufsunfähigkeit ihrer Auffassung nach typischerweise dargestellt hätte, hat die Beklagte […] nicht gemacht“, heißt es im Urteil.
Eine nachvollziehbare Prognose über das zu erwartende Einkommen und die soziale Stellung eines ehemaligen Profitorwarts fehlte völlig. Die bloße Behauptung, dass das Einkommen sinken würde, reichte nicht aus, um die Vergleichbarkeit der neuen Tätigkeit zu belegen. Ohne konkrete Zahlen und eine realistische Prognose blieb die Argumentation der Versicherung lückenhaft.
Was bedeutet das Urteil für Makler und Versicherte?
Das Urteil des OLG Karlsruhe verdeutlicht, dass die konkrete Verweisung klare Grenzen hat. Entscheidend ist nicht allein, ob eine neue Tätigkeit aufgenommen wurde, sondern ob diese tatsächlich in Einkommen, sozialer Stellung und beruflichen Anforderungen vergleichbar mit der bisherigen Tätigkeit ist. Für Versicherte heißt das:
- Prüfen Sie die tatsächliche Vergleichbarkeit. Ein erheblicher Einkommensverlust – wie im Fall des ehemaligen Profitorwarts – ist ein starkes Indiz dafür, dass die Verweisung nicht zulässig ist. Das Gleiche gilt für einen Prestigeverlust.
- Nicht nur die formale Einstellungsmitteilung zählt. Die Begründung muss auch inhaltlich belastbar sein. Allgemeine Aussagen zum typischen Karriereverlauf reichen nicht aus. Es braucht eine nachvollziehbare Prognose, wie sich die Lebensstellung ohne Berufsunfähigkeit entwickelt hätte.
Für Makler zählt: Karriereverläufe realistisch einschätzen. In Berufen mit typischen Einkommensschwankungen – etwa im Profisport, in der Kunst oder im Medienbereich – besteht ein erhöhtes Risiko, dass die Vergleichbarkeit nach Wegfall der Rente fehlerhaft bewertet wird. Eine nachvollziehbare Begründung durch den Versicherer ist entscheidend, doch oft bleibt diese lückenhaft. Gerade hier eröffnet sich die Chance, erfolgreich gegen eine Verweisung vorzugehen.
Am Ende bleibt eine wichtige Botschaft: Die konkrete Verweisung ist kein Freifahrtschein für Versicherer. Versicherte haben das Recht auf eine umfassende und realistische Bewertung ihrer Lebensstellung – in allen relevanten Aspekten. Das vollständige Urteil ist auf der Webseite des Landesrechts Baden-Württemberg verfügbar.