Ein weiteres strategisches Element ist die Förderung von Präventionsmaßnahmen, um künftige Schadenquoten zu senken. Welche Maßnahmen haben sich als besonders wirksam erwiesen, und wie können Versicherer ihre Kunden besser in die Prävention einbinden?
Wie bereits angesprochen ist das Thema Prävention in Zeiten zunehmender Schadenhäufigkeiten und gleichzeitig steigender Schadenkosten von elementarer Bedeutung, um die Entwicklung der Schadenaufwendungen positiv beeinflussen zu können. Eine gute Orientierung bietet der GDV-Leitfaden „Build Back Better“, der verschiedene sinnvolle Maßnahmen vorschlägt. Dazu zählen unter anderem die Verwendung wasserresistenter Materialien, die Installation von Rückstauklappen sowie bauliche Anpassungen wie die Erhöhung des Gebäudesockels oder eine verstärkte Gebäudehülle.
Während Versicherer Anreize für Prävention setzen können, liegt die Verantwortung für baurechtliche Vorgaben beim Gesetzgeber. Dieser könnte durch entsprechende Vorschriften sicherstellen, dass Neubauten und Sanierungen stärker auf Hochwasser- und Klimarisiken ausgerichtet werden.
Für die Versicherungswirtschaft ist es denkbar, dass Präventionsmaßnahmen künftig vertraglich als Obliegenheit festgelegt werden. Das würde bedeuten, dass der volle Versicherungsschutz nur greift, wenn bestimmte Schutzmaßnahmen umgesetzt wurden. Eine solche Entwicklung könnte dazu beitragen, langfristig bezahlbaren und nachhaltigen Versicherungsschutz sicherzustellen.
Welche neuen Konzepte – etwa Pay-as-you-go-Modelle, dynamische Prämien oder individuelle Risikobepreisung – könnten sich in der Wohngebäudeversicherung in Zukunft noch etablieren?
Die Risikobepreisung wird in der Zukunft sicher noch individueller erfolgen. Besonders die von mir eben genannten Präventionsmaßnahmen könnten stärker in den Prämien berücksichtigt werden. Aber auch die individuelle Risikosituation des Gebäudes wird aufgrund des technischen Fortschrittes immer besser erfasst, was ebenfalls zu einer stärkeren Prämiendifferenzierung führen kann.
Die Diskussion um eine Pflichtversicherung für Elementarschäden hält an. In der Bundestagsanhörung gab es unterschiedliche Meinungen – während einige Experten eine Verpflichtung fordern, warnen andere vor Eingriffen in das Vertragsrecht und steigenden Kosten für Versicherte. Wie bewerten Sie diese Debatte aus Marktsicht – und wäre eine Pflichtversicherung eine tragfähige Lösung für die Branche?
Hier muss man zwei Perspektiven unterscheiden. Aus Sicht der Politik sind zu viele Gebäude nicht versichert. Das ist ein Fakt, den auch die Versicherungsbranche nicht leugnet. Der Anteil der versicherten Gebäude steigt in den letzten Jahren – trotz aller Bemühungen der Versicherer – nur sehr langsam an. Hier besteht also Handlungsbedarf. Eine Versicherungspflicht geht dieses Problem an und erhöht die Versicherungsquote.
Auf der anderen Seite haben wir über die Ertragssituation der Branche bereits ausführlich gesprochen. Die Pflicht, für jedes Gebäude einen bestimmten Versicherungsschutz zur Verfügung stellen zu müssen, wird die Branche überfordern. Die Versicherungspflicht muss also so ausgestaltet sein, dass die Versicherer letztlich eine risikoadäquate Prämie erhalten.
Die Begrenzung des Risikos über hohe Selbstbehalte hilft zwar den Versicherern, untergräbt aus meiner Sicht jedoch den Gedanken der Versicherungspflicht, die Hausbesitzer vor finanzieller Überforderung zu schützen. Ein Selbstbehalt von 100.000 Euro oder mehr dürfte viele Hausbesitzer weiterhin überfordern. Aktuell erscheint es so, dass zwischen CDU/CSU und SPD im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zumindest eine Einigkeit hinsichtlich der Einführung einer Versicherungspflicht gibt, was zu begrüßen ist. Über die genaue Ausgestaltung im Detail ist aktuell noch nichts bekannt. Die kolportierten Vorschläge über eine staatliche Rückversicherungslösung würde ich aber zunächst positiv bewerten.
Eine der diskutierten Lösungen ist das Opt-out-Modell, bei dem eine Elementardeckung automatisch enthalten wäre, aber aktiv abgewählt werden kann. Wäre eine solche Regelung aus versicherungstechnischer Sicht sinnvoll, und welche Herausforderungen würde sie für die Kalkulation und Risikosteuerung der Versicherer mit sich bringen?
Viele Versicherer haben in den letzten Jahren auf Opt-out-Modelle gesetzt. Damit konnte der Anteil von Elementarabdeckungen in den Wohngebäudepolicen auch gesteigert werden. Im Neugeschäft inkludieren so rund 75 Prozent der Kunden die Absicherung gegen Elementarrisiken. Durch das vergleichsweise geringe Neugeschäft bewegt sich der Anteil im Gesamtbestand – wie erwähnt – aber nur sehr langsam nach oben. Außerdem gibt es weiterhin Kunden, die den Versicherungsschutz nicht wählen, so dass eine hundertprozentige Durchdringung nicht realistisch erscheint.
Zusätzlich setzen Versicherer häufig auf hohe Selbstbehalte, was für viele Kunden eine finanzielle Herausforderung darstellt. Besonders problematisch ist dies für Eigentümer in hochgefährdeten Gebieten, die bereits mit steigenden Prämien zu kämpfen haben. Die zentrale Frage bleibt daher: Wie sollen Gebäudebesitzer mit hohem Risiko eine risikoadäquate Prämie bezahlen können? Bevor über eine Versicherungspflicht oder ein Opt-Out-Modell entschieden wird, muss hierfür eine tragfähige Lösung gefunden werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Versicherungen für viele unbezahlbar werden und ihr eigentlicher Zweck – finanzielle Sicherheit im Schadensfall – nicht mehr erfüllt wird.