Wandert das Standardgeschäft von Maklern bis 2030 ins Internet?

Quelle: DALL-E

Immer mehr Kunden informieren sich zu Versicherungen im Internet. Auch die Direktabschlüsse über Online-Plattformen oder Landingpages nehmen kontinuierlich zu. Müssen Makler und andere Vermittler damit rechnen, dass in fünf Jahren das Standardgeschäft nur noch online abgeschlossen wird. Unternehmens- und Strategieberater Dr. Peter Schmidt geht in seiner Kolumne für Versicherungsbote auf diese Frage ein.

Eine Studie von YouGov hatte 2023 interessante Erkenntnisse zum Kundenverhalten in Bezug auf Informationen und Abschlüssen zu Versicherungen erbracht. Dazu gehört die Erkenntnis, dass zirka nur 20 Prozent der 18 bis 44jährigen noch eine Beratung vor Ort bevorzugt. Diese Altersgruppe orientiert sich stärker an Vergleichsportalen, Landingpages und auch am Self Service von Banken. Überraschend schon damals, dass diese Altersgruppe bestimmte Versicherungen zu sechzig Prozent online abschließt. Selbst Änderungswünsche werden zu 57 Prozent online getätigt.

Auch die Studie „Versicherungen von Gegenständen und Embedded Insurance“ von Nordlight zeigte, dass 2024 zirka elf Prozent der deutschen Versicherungsentscheider das Thema Embedded Insurance auf der Tagesordnung hatten. Diese Versicherungsform wird vor allem in Verbindung mit dem Verkauf von Smartphones, Tablets und Notebooks sowie von Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik gesehen.

Der @AssekuranzDoc

Quelle: DALL-E

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Nun mögen solche Studienergebnisse auch ihre Schwachstellen haben. Wenn man Kunden online befragt, dann hat man es natürlich mit onlineaffinen Kunden zu tun, die eh ihre täglichen Geschäfte auch online abwickeln. Dennoch sehe ich diesen Trend, wenn man sich die Kundenzahlen von Check24 mit rund 15 Millionen Kunden (Quelle: FAZ) oder von Verivox ansieht, die nach eigenen Angaben über 8 Millionen Kunden beim Anbieterwechsel unterstützt haben.

Bestätigung für den Trend zu Online-Versicherungen und Embedded Insurance sind außerdem sehr interessante Zahlen bei Assekuradeuren und Online-Maklern. Allein die insolvente Element Insurance AG hatte 500.000 Kunden, die größtenteils ihre Versicherungen online abgeschlossen hatten.

Argumente Pro des Trends der Verlagerung des Standardgeschäfts ins Internet

Die Studie „Maklermarkt 2030“ von BearingPoint ® hatte als eine ihrer Thesen in unter dem Punkt „Big Tech“ so formuliert, dass das Standardgeschäft im Bereich Sach Privat und Kfz bis 2030 zu 50 Prozent nicht mehr von Vermittlern abgeschlossen werden wird. Es soll bei großen Technologie-Konzernen (Big Tech) und bei Embedded Insurance landen.

Kurze Erklärung zu Embedded Insurance: Darunter versteht man Versicherungen die als Nebenprodukt in andere Produkte und Dienstleistungen eingebunden sind. Bestes Beispiel die Kfz-Versicherung im Leasingvertrag. Oder das Produkt Apple Care beim Kauf eines Mobile Phones oder Tablets dieser Marke. Die Anbieter machen es den Kunden damit leichter und zusätzliche Erträge können auch generiert werden generieren.

Laut der BearingPoint-Studie geht einer der befragten Fürsprecher davon aus, dass „zukünftig 80 Prozent des Geschäfts vollständig digital über Plattformen, Tools und Verbündete abgewickelt werden“. Experten sind der Ansicht, dass die Einführung einfacher Zusatzversicherungen den Weg für den Übergang zu Big Tech und Embedded Insurance ebnen könnte. Und in diesem Prozess sind wir mittendrin, wenn wir uns entsprechende Angebote von Versicherern und Assekuradeuren ansehen.

Quelle: DALL-E

Das Abwandern des Kfz-Versicherungsgeschäfts Richtung Internet wird als Anzeichen für ähnliche Entwicklungen gesehen. Dies trifft sowohl auf die Direktabschlüsse von Kunden über die Big Techs als auch für den Abschluss über Autohäuser, also embedded Insurances, zu.

Aus diesem Grund konnte sich Embedded Insurances sich bereits erfolgreich im Bereich des Kfz-Versicherungsgeschäfts durchsetzen. Laut Dr. Matthias Maslaton von der ARAG ist der Kfz-Bereich besonders anfällig für diese Entwicklung, da der Kundenkontakt hier häufig über Autohäuser oder online erfolgt.

Ähnliche Trend gibt es auch bei verschiedenen Zusatzversicherungen, wenn wir an Zahnzusatz- und Brillenversicherungen denken. Dieses Segment wird ja bereits erfolgreich auch von Online-Versicherungsmaklern bedient. Als erfolgreiche Beispiele kann man hier die ZVO GmbH für Zahnversicherungen oder die Krankenzusatz für Beamte von Beamterberater.de aufführen.

In zahlreichen weiteren Produktbereichen ist ebenfalls der Trend ins Internet zu identifiziert. Je einfach die Produkte, je standardisierter die Risikoprüfung, um so mehr wandern Produkte wie Hausrat-, Tier-, Fahrrad- und weitere Versicherungen zu den Big Techs. Aber auch in diesen Sparten sind Versicherer selbst, Makler oder Assekuradeure online aktiv. Hier sei pro Anbieter nur jeweils ein Beispiel genannt:

Versicherer: Ammerländer Versicherungen (Fahrrad)
Makler: krist.com (Photovoltaikversicherungen
Assekuradeur: agencio.de (u.a. Hausrat-, Hundehalterversicherungen)

Argumente Contra des Trends der Verlagerung von Standardgeschäft ins Internet

Natürlich gibt es auch Stimmen, die gegen einen Trend der Verlagerung von einfachen Versicherungsprodukten ins Internet sprechen oder von einem langwierigen Prozess ausgehen. Besonders bei Branchenvertretern, die gegen den geschilderten Trend Argumente ins Feld führen (darunter auch viele Einzelmakler), wird das Thema persönliche Beratung der Kunden betont. Teilweise subjektiv überhöht wird auf betreuungs- und beratungsintensive Produkte verwiesen.

Als Argumente werden dann mangelnde Kompetenzen von Big Techs und das fehlende Vertrauen von Kunde in anonyme Abschlussstrecken aufgeführt, weil es an der Vertrauensbasis zwischen Vermittler und Kunde fehlen würde. BearingPoint zitiert dazu Sascha Beck, Key Account- & Plattform-Management bei Concordia, wie folgt:

„Wir sind ein Verkaufsmarkt mit personenbezogenem Geschäft. Wir verkaufen Vertrauen. Keine Technologie wird das ersetzen können.“ In dieser Absolutheit würde ich dem nicht zustimmen, eine Differenzierung nach Sparten und Produkten sollte man schon Blick behalten.

Die Argumente Contra des Trens der Verlagerung von Standardgeschäft ins Internet greifen besonders dann, wenn es um komplexe Produkte geht. Aktuell informieren sich viele Kunden vor dem Abschluss im Internet, lassen sich dann aber dennoch von Maklern beraten. Ich denke aber, dass die Vereinfachung von heute noch komplexen Produkten dieses Argument peu a peu verschwinden lassen wird. Dafür sprechen Produktvereinfachungen der jüngeren Vergangenheit wie bei Verbraucherkrediten oder online abschließbaren Produkten zur Arbeitskraftsicherung, die man sich vor Jahren noch nicht vorstellen konnte.

Fazit und Empfehlung für Versicherungsmakler

Die „Wahrheit“ zwischen Pro und Contra wird irgendwo zwischen den beiden Meinungen liegen. Klar ist, dass sich der Trend eher weiter langsam umsetzen wird. Eine schnelle Entwicklung ist eher unwahrscheinlich. Dennoch sind die Anstrengungen der Branche zum Multikanalvertrieb unübersehbar. Die Geschwindigkeit des Trends Pro hängt auch vom Investment in ein entsprechendes Marketing statt. Wenn Online-Angebote im Internet nicht oder schwer gefunden werden, dann geht es eben langsamer.

Aber in Sachen Angebote im Internet tut sich viel. Probieren Sie es doch selbst einmal mit den Schlagworten „Photovoltaikversicherung online“ einmal aus. Die gesponserten Online-Angebote gehen deutlich über die früher angebotenen vier oder fünf Angebote hinaus. Einfache und standardisierte Produkte könnten zunehmend über Big-Tech- oder Embedded-Insurance-Plattformen angeboten werden, während komplexe Produkte, die eine individuelle Beratung erfordern, weiterhin durch Vermittler vertrieben werden.

Handlungsempfehlung für Makler sehe ich darin, dass diese sich auf den geschilderten Trend einstellen und selbst entsprechende Angebote über Home- und Landingpages anbieten. Auf den Angebots-Mix von persönlicher Beratung und Online-Abschluss verbunden mit weiteren digitalen Services (Kundenportal, Kunden-App, WhatsApp- Kommunikation etc. verweise ich regelmäßig in meine Strategieberatungen für Makler bei der Evaluation der Geschäftsmodelle von Maklern.

Wenn sich der Trend zur Verlagerung von einfachen Produkten zu den Big-Tech- oder Embedded-Insurance-Plattformen verlagert, dann kann das für Makler und Finanzanlageberater auch ein großer Vorteil sein, denn diese dort zu findenden Produkt sind meist arbeitsintensiv und ertragsarm, wenn wir nur an KFZ-Versicherungen denken. Makler können ihre Stärken in der persönlichen Beratung spezifischer auszubauen und gleichzeitig die digitalen Fähigkeiten zu verbessern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ich teile die Schlussfolgerungen der BearingPoint- Studie, dass besonders im beratungsintensiven Geschäft der klare Vorteil von Maklern liegt und maßgeblich die Zukunftsfähigkeit der Versicherungsmakler und Finanzanlageberater prägen kann. Wenn dies mit einer Spezialisierung auf gewisse Produktsparten oder Zielgruppen verbunden wird, dann muss uns um langfristige und nachhaltige Konzepte bei den unabhängigen Vermittlern nicht bange sein.

Der Start in die Online-Welt bei Makler beginnt mit Online-Beratungen, die Kunden auch in die Online-Welt mitnehmen, wie ich ausführlicher in „Neuer Kurs für Maklerunternehmen“ beschreibe.