Versicherungsbote: Wir wissen aus anderen Umfragen, dass gerade im Kundenservice vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern der persönliche Kontakt mit einem Ansprechpartner aus Fleisch und Blut noch sehr wichtig ist. Glauben Sie, KI kann den persönlichen Kontakt dauerhaft ersetzen?
René Schoenauer: Die Antwort ist hier sehr eindeutig: Nein, der persönliche Kontakt kann nicht komplett ersetzt werden. Es geht mehr und mehr hin zum hybriden Ansatz – also Mensch plus KI. Dabei geht es darum, die jeweiligen Stärken der Kanäle, Technologien und Touchpoints so zu kombinieren und anzubieten, dass dem Versicherungsnehmer letztendlich ein optimales Produkt zur Verfügung gestellt werden kann. Zudem muss der Weg bis zur Unterzeichnung des Vertrags und darüber hinaus für den Kunden ein möglichst angenehmer, unkomplizierter und nahtloser sein. Auf den Punkt gebracht: Wenn der Versicherungsmakler dank KI ein passgenaues Angebot unterbreiten kann, dann ist das sicherlich ein Gewinn für alle Beteiligten.
Wo sehen Sie die Gefahren beim Einsatz künstlerischer Intelligenz in der Versicherungswirtschaft? Wo kann sie vielleicht eher schaden als nützen?
Grundsätzlich sind wir bei Guidewire davon überzeugt, dass die Vorteile von KI überwiegen werden. Dabei muss allerdings eine optimale Integration in operationale Prozesse stattfinden. Zudem ist notwendig, dass von KI getroffene Entscheidungen immer nachvollziehbar und dokumentierbar sind, weil sich sonst ein Transparenzproblem ergeben kann. Und es muss darauf geachtet werden, dass KI in den richtigen Momenten eingesetzt wird. Fehlende Emotion und Empathie im Schadenfall können sich zum Beispiel negativ auswirken. Auf der anderen Seite kann KI bei der Anwendung in der Kommunikation bei einfachen Schäden dem Versicherungsnehmer viel Arbeit abnehmen, wenn ein Schaden schnell automatisiert oder über einen Chatbot gemeldet wird. Entscheidend ist hierbei immer, dass der Kunde den von ihm bevorzugten Weg gehen kann.
..ein Blick in die Zukunft: Wie stark wird Corona die Versicherungsbranche ändern? Und wie?
Wir erwarten durch die aktuelle Pandemieereignisse eine deutliche Beschleunigung von Digitalisierungsmaßnahmen auf allen Ebenen und in allen Bereichen die nicht nur die Versicherungsnehmer erreichen, sondern für jeden Teilnehmer im Versicherungszyklus erlebbar werden. Das Omnikanal-Konzept wird zudem deutlich an Fahrt aufnehmen. Es muss jederzeit möglich sein, nahtlos über verschiedene Kanäle hinweg kommunizieren und sich austauschen zu können, ohne das Informationen verloren gehen. Voraussetzung dafür ist eine größere Transparenz von Prozessen, Systemen und letztendlich auch Daten.
Bei den Versicherern selbst wird sich der Arbeitsalltag, wie in so vielen Branchen, hin zu flexibleren und hybrideren Modellen bewegen. Auf verstärktes Remote Working oder Home-Office werden Versicherer sowohl mit einer Erhöhung der IT-Resilienz durch spezifische Sicherheitskonzepte als auch mit der Ausweitung der Cloud-Infrastruktur reagieren müssen. Nur so sind sie in der Lage, Arbeitsabläufe auch über die Distanz hinweg optimal zu gestalten.
Die Fragen stellte Mirko Wenig