Kfz-Versicherung: "Die Situation ist problematisch, wenn auch nicht ungewöhnlich"

Quelle: Advyce & Perlitz GmbH

Die Entwicklungen in der Fahrzeugtechnologie könnten zu neuen, datenbasierten und individualisierten Tarifen führen und die Branche verändern. Welche Auswirkungen haben die großen Mobilitätstrends wie „connected, autonomous, shared, und electric“ auf die Geschäftsmodelle der Kfz-Versicherer und wie werden diese Trends die Tarifgestaltung beeinflussen?

Die großen CASE-Mobilitätstrends werden die Geschäftsmodelle der Kfz-Versicherer erheblich beeinflussen und zu grundlegenden Veränderungen in der Tarifgestaltung führen.

Vernetzte Fahrzeuge generieren eine enorme Menge von Daten, die das Fahrverhalten, die Nutzungsmuster und den Zustand des Fahrzeugs kontinuierlich erfassen. Versicherer können diese Daten nutzen, um individualisierte, risikobasierte Tarife zu entwickeln, die auf dem tatsächlichen Verhalten des Fahrers basieren. Telematik-Tarife, die Daten in Echtzeit verwenden, um die Prämienhöhe zu bestimmen, sind ein Beispiel dafür.

Versicherer könnten, sofern sie Zugriff auf diese Daten erhalten, zusätzliche Dienstleistungen anbieten, die auf den Daten dieser vernetzten Fahrzeuge basieren, wie z.B. präventive Wartungsempfehlungen oder Fahrverhaltensanalysen, die zu einer sichereren Fahrweise beitragen.

Bei autonomen Fahrzeugen verlagert sich das Unfallrisiko zunehmend vom Fahrer auf die Technologie und die Hersteller. Produkthaftpflichtversicherungen gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung und verdrängen das klassische Kfz-Versicherungsgeschäft.

Die Einführung autonomer Fahrzeuge erfordert eine Überarbeitung der bestehenden Haftungsmodelle, da Fragen der Verantwortung zwischen Fahrer, Fahrzeughersteller und Softwareanbietern neu geregelt werden müssen. Versicherer müssen flexibel auf diese Veränderungen reagieren. Das sogenannte Robofahrzeug hat sicherlich den größten Impact, ist aber auch am futuristischsten unter den Entwicklungen.

Geteilte Mobilitätsdienste, wie Carsharing, könnten die traditionelle Kfz-Versicherung durch nutzungsbasierte Versicherungsmodelle ersetzen. Versicherer müssen neue Tarife entwickeln, die den spezifischen Anforderungen dieser geteilten Fahrzeuge gerecht werden, z.B. durch Pay-per-use-Versicherungen, bei denen die Prämien nach der tatsächlichen Nutzung berechnet werden.

Elektrofahrzeuge haben spezifische Risiken, die in den aktuellen Risikomodellen oftmals noch nicht ausreichend berücksichtigt sind, wie z.B. die Brandgefahr durch Batterien oder die höheren Kosten für Reparaturen und Ersatzteile. Versicherer müssen ihre Risikomodelle anpassen und spezialisierte Tarife für Elektrofahrzeuge anbieten.

Versicherer, die flexibel auf diese Trends reagieren und innovative Produkte entwickeln, werden langfristig wettbewerbsfähig bleiben. KFZ-Versicherung wird mehr erfordern als möglichst genaue Risikomodelle, wir stehen vor einem gewaltigen Shift. Jene, die an traditionellen Modellen festhalten und nicht in die notwendige technologische Transformation investieren, könnten hingegen Marktanteile verlieren und Schwierigkeiten haben, ihre Relevanz in einem zunehmend digitalisierten und technologiegesteuerten Markt aufrechtzuerhalten.

Bereits in die Richtung individualisierter Angebote gingen Telematik-Tarife, die bisher auf dem deutschen Markt nur eine Nische sind. Haben Sie eine Erklärung, weshalb sie sich bisher nicht in der Breite durchsetzen konnten? Wird sich das aus Ihrer Sicht ändern - Was muss dafür bei den Angeboten nachgebessert werden?

Telematik-Tarife haben sich in Deutschland bisher noch nicht durchgesetzt, obwohl sie das Potenzial haben, individualisierte und risikobasierte Versicherungsangebote zu ermöglichen.

Viele Verbraucher in Deutschland sind sehr sensibilisiert, was den Schutz ihrer persönlichen Daten betrifft. Die Vorstellung, dass ihr Fahrverhalten ständig überwacht und ausgewertet wird, löst bei vielen Bedenken aus. Die Angst vor Missbrauch dieser Daten oder vor einer möglichen Weitergabe an Dritte hält viele Versicherungsnehmer von dieser besonderen Art der Absicherung ab. Viele befürchten zudem, dass die Daten nicht nur zur Prämienkalkulation, sondern auch in anderen Zusammenhängen, etwa bei der Schadensregulierung oder im Falle eines Unfalls gegenüber der Polizei, negativ gegen sie verwendet werden könnten. Die mangelhafte Aufklärung darüber, wie solche Tarife funktionieren und welche Vorteile sie bieten, führt ebenfalls zu einer geringeren Nachfrage.

Mit den zunehmenden Mobilitätstrends wie vernetzten und autonomen Fahrzeugen könnte sich die Akzeptanz von Telematik-Tarifen verbessern. Wenn sich die Technologie weiterentwickelt und die Angebote attraktiver und transparenter werden, besteht eine gute Chance, dass diese Tarife in Zukunft eine größere Rolle im Kfz-Versicherungsmarkt spielen werden. Versicherer müssen jedoch die oben genannten Hürden überwinden und ihre Angebote entsprechend anpassen, um Telematik-Tarife aus der Nische in den Massenmarkt zu bringen.