Krankenkassen unter Betrugsverdacht
Fast die Hälfte aller Krankenkassen sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, falsche Daten an das Bundesversicherungsamt zu melden. Denn je kränker die Versicherten sind, desto mehr Geld erhalten die Kassen aus dem Gesundheitsfonds. Den Anbietern drohen nun harte Sanktionen.
Es ist paradox: Je kränker die Versicherten einer Krankenkasse sind, desto mehr Geld erhalten die Anbieter aus dem Gesundheitsfonds ausgezahlt. Da ist die Versuchung offenbar groß, bei den Patientendaten zu tricksen. Nahezu jede zweite Krankenkasse wird verdächtigt, falsche Zahlen an das Bundesversicherungsamt gemeldet zu haben, berichtet die Rheinische Post am Dienstag.
Anzeige
280 Prozent mehr Herzinfarkte bei der BKK
Die Zeitung zitiert aus einem Schreiben des Bundesversicherungsamtes an den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Demnach entdeckten die Beamten bei insgesamt 59 der derzeit 134 Krankenkassen Auffälligkeiten und forderten die Kassen zu einer Stellungnahme auf.
So muss die BKK erklären, warum die Zahl der Herzinfarkte bei ihren Patienten um 280 Prozent gestiegen ist, während sie im Bundesschnitt nur um einen Prozent zunahm. Bei einer Ersatzkasse nahmen die Hautgeschwüre um 30 Prozent zu – im Bundesschnitt nur um 1,5 Prozent.
Diese ungeheuren Abweichungen von den Durchschnittswerten legen den Verdacht nahe, dass bei der Abrechnung der Krankheiten getrickst wurde. Den betroffenen Kassen drohen Sanktionen, sollten sich die Unregelmäßigkeiten bestätigen. Das Bundesversicherungsamt kann ihnen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds kürzen.
Krankenkassen stehen in der Kritik
In den letzten Wochen haben die Krankenkassen wiederholt für Negativschlagzeilen gesorgt. Der „Spiegel“ hatte am Montag berichtet, dass die Kassen vor allem bei der Gesundheitsprävention sparen, obwohl sie derzeit auf Milliardenüberschüssen sitzen. Demnach seien die Ausgaben für Anti-Stress-Maßnahmen und Gesundheitsförderung zwischen 2008 und 2012 um 30 Prozent gekürzt worden.
Den Rotstift angesetzt haben die Kassen auch bei Maßnahmen wie Wirbelsäulengymnastik, Mutter-Kind-Kursen und Burnout-Prävention, obwohl diese für die Vermeidung langwieriger Krankheiten immens wichtig sind. Oftmals seien die Folgekosten für die Behandlung dieser Leiden deutlich höher, als wenn zuvor Geld für die Prävention in die Hand genommen wurde, warnen Gesundheitsexperten. Versicherungsbote hatte bereits im Dezember 2010 die Kürzungen der Kassen bei der Prävention kritisiert.
Anzeige
Zudem habe der medizinische Dienst der Krankenkassen 2012 in hunderttausenden Fällen Leistungen wie Krankengeld und Reha abgelehnt und Krankschreibungen wieder aufgehoben (der Versicherungsbote berichtete). Grund sei der Kostendruck im Wettbewerb um junge und gesunde Gutverdiener, die von den Kassen mit zahlreichen Bonusleistungen geködert werden.