Was gesetzlich Versicherte von ihrer Krankenkasse wirklich wollen
Wie können gesetzliche Krankenkassen Mitglieder langfristig an sich binden? Die Studie "Was gesetzlich Versicherte von ihrer Krankenkasse wirklich wollen" der Managementberatung Bain & Company will Antworten darauf geben. Ein Ergebnis: Die Zufriedenheit jüngerer Kunden lässt sich durch einen zügigen Ausbau des digitalen Leistungsspektrums erhöhen.
Die Phase der finanziellen Erholung und Konsolidierung könnte für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) schon im Herbst enden. Unabhängig von möglichen neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen steht die Branche vor großen strukturellen Veränderungen. Die abnehmende und alternde Bevölkerung in Deutschland erfordert ebenso wie die rasant voranschreitende Digitalisierung der Gesellschaft die Weiterentwicklung der bestehenden Geschäftsmodelle.
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Eine stabile und loyale Kundenbasis ist gerade in einem solchen Umfeld die Grundlage für den nachhaltigen Markterfolg. Die Umfrage, die Bain unter mehr als 3.200 Kunden von 17 großen Krankenkassen in Deutschland durchgeführt hat, zeigt, wie zufrieden die Versicherten tatsächlich sind und was ihre Loyalität besonders fördert.
Bain misst die Kundenzufriedenheit und -loyalität mit dem Net Promoter Score (NPS). Diese Kennzahl errechnet sich aus den Antworten auf eine einzige Frage: "Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Ihre Krankenkasse einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?"
Dabei hat sich gezeigt, dass nur Werte von neun oder zehn für wirklich zufriedene Kunden stehen ("Promotoren") und Bewertungen von sechs oder weniger als "Kritiker" verstanden werden müssen. Ein negativer NPS-Wert bedeutet, dass ein Unternehmen mehr Kritiker als begeisterte Anhänger hat.
Mehr zufriedene als unzufriedene Kunden in der GKV
Die gesetzliche Krankenversicherung erreicht in der repräsentativen Bain-Umfrage einen NPS von plus zehn Prozent. Damit liegt sie deutlich über dem Wert anderer Dienstleistungsbranchen. So kommt die Telekommunikation auf minus acht Prozent und das Retail-Banking auf minus 16 Prozent. Aufschlussreich ist vor allem der Vergleich mit der Versicherungswirtschaft. Im Jahr 2012 hat Bain mehr als 2.500 Kunden von Lebens- und Sachversicherungen befragt und dort einen NPS von minus 13 Prozent ermittelt. "Die Krankenkassen sind auf einem sehr guten Weg", betont Bain-Partner und Studienautor Dr. Christian Kinder mit Blick auf diese hohe Diskrepanz. "Ungeachtet dessen ist die Loyalität ihrer Mitglieder aber noch ausbaufähig."
Tatsächlich unterscheiden sich die NPS-Werte der einzelnen Krankenkassen deutlich. Während die Besten selbst den Vergleich mit Deutschlands beliebtester Branche, den Autobauern, nicht zu scheuen brauchen, stehen andere Krankenkassen noch vor der Aufgabe, ihre Versicherten durch konsequente Kundenorientierung nachhaltig zu begeistern. Ein entscheidender Hebel dafür ist die Kontaktfrequenz, denn im Dialog überzeugen die gesetzlichen Krankenversicherungen. Bei einem Kundenkontakt während der letzten drei Monate erreicht der NPS einen Wert von plus 20,4 Prozent. Herrschte mehr als zwei Jahre Schweigen, ist der NPS mit minus 20,6 Prozent klar negativ.
Die Studie offenbart auch die entscheidenden Treiber für die Kundenloyalität. An erster Stelle rangieren die Leistungen, dahinter folgen Service und Beratung. Der Krankenkassenbeitrag hingegen belegt nur den vierten Platz. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Befragung keine Kasse einen Zusatzbeitrag erhoben hat.
Im Service und in der Beratung verändert sich derzeit das Kundenverhalten grundlegend. Die Versicherten erwarten heute neben Geschäftsstellen und Callcentern auch ein breites digitales Angebot.
Künftig möchten sie selbst entscheiden, ob sie klassische Kanäle oder digitale Möglichkeiten nutzen, um mit ihrer Krankenkasse Kontakt aufzunehmen - und hier allen voran Internet und E-Mail. Die Nachfrage nach digitalen Angeboten steigt in Zukunft um bis zu 60 Prozent an.
Jüngere Versicherte setzen auf digitale Kanäle
Beim Thema Digitalisierung gibt es noch Optimierungsbedarf. Der NPS onlineaffiner Kunden liegt bei plus 5,9 Prozent, bei Nutzern klassischer Kanäle kommt er auf plus 13,3 Prozent. Die Skepsis gerade der "Digital Natives", also der unter 35-Jährigen, unterstreicht auch eine Auswertung des NPS nach Altersgruppen. Dieser lag bei den 25- bis 34-Jährigen bei minus 8,3 Prozent im Vergleich zu plus 34,4 Prozent bei den über 70-Jährigen. Auch die Wechselbereitschaft der jungen Berufstätigen erreicht mit mehr als 40 Prozent Spitzenwerte - der Durchschnitt liegt bei 25 Prozent.
"Für die nachwachsende Generation ist ein umfassendes digitales Angebot mittlerweile eine Selbstverständlichkeit", betont Mareike Steingröver, Partnerin bei Bain & Company und Co-Autorin der Studie.
"Aber auch die Älteren möchten zunehmend selbst entscheiden, auf welchem Weg sie mit einer Versicherung Kontakt aufnehmen. Mit dem Ausbau ihres digitalen Leistungsspektrums können die Krankenkassen die Zufriedenheit ihrer Kunden weiter erhöhen und gleichzeitig ihre Effizienz verbessern."
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Die Integration der Online- und Offlinewelt in einen Omnikanalauftritt zählt daher zu den fünf Erfolgsfaktoren, mit denen die Krankenkassen ihr Angebot weiter verbessern können. Hinzu kommen eine klare und für die Versicherten erlebbare Positionierung, ein maximaler Kundenfokus, einfache und effiziente Prozesse sowie die Mobilisierung und Qualifizierung der Mitarbeiter. "Die GKV hat sich eine vergleichsweise gute Ausgangsposition erarbeitet, um die anstehenden Aufgaben zu meistern", sagt Bain-Partner Dr. Christian Kinder. "Angesichts möglicher Neuerungen nach der Bundestagswahl bleibt aber keine Zeit zum Ausruhen. Es geht darum, die Zufriedenheit und Loyalität der Kunden weiter zu steigern und sich so vom Wettbewerb in einem gesättigten Markt nachhaltig abzuheben."