Wenn die Bank ihre Kunden aus dem Vertrag mobben will
Banken und Sparkassen versuchen offenbar, ihre Kunden aus lukrativen Altverträgen mit langer Vertragslaufzeit zu drängen. Dabei schrecken die Geldinstitute auch vor Betrug und falschen Behauptungen nicht zurück. Das berichtet die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die sich mit einer steigenden Zahl an Beschwerden konfrontiert sieht.
Als die Finanzwelt noch in Ordnung war und am Kapitalmarkt hohe Zinsen gezahlt wurden, da konnten auch die Sparer von der Goldgräberstimmung an den Finanzmärkten profitieren. In den Boomzeiten vor 2008 gab es für Bausparverträge und Banksparpläne vier Prozent Zinsen und mehr. Doch nun, da auch die Banken Probleme haben ihr Geld lukrativ anzulegen, wollen einige Anbieter offenbar ihren Kunden die Altverträge abluchsen.
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“Zunehmend berichten uns Verbraucher, dass Finanzinstitute sie aus diesen Verträgen hinausdrängen wollen“, schreibt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in einer Pressemeldung. Dies geschehe zum Teil mit dreisten Methoden und ohne rechtliche Grundlage. Denn viele Bankkunden können noch jahrelang auf fette Renditen aus ihren Altverträgen hoffen - die Banken aber bangen um ihre Bilanzen.
Vertreterbesuche an der „Grauzone zur Falschberatung“
Ein typisches Vorgehen sehe so aus, dass eine Bausparkasse ihre Kunden mit Altverträgen anschreibt oder Vertreter ins Haus schickt. Inhaber von Bausparverträgen mit Bonusverzinsung sollen zur Umdeckung in angeblich „bessere“ Verträge bewogen werden. Das Argument: Mit dem neuen Vertrag müsse für das gewünschte Darlehen ein deutlich niedrigerer Zins gezahlt werden.
Aber das ist Nonsens – in Wahrheit bieten die neuen Bausparverträge viel schlechtere Konditionen als der alte Vertrag. „Bei einem Tarifwechsel verliert der Verbraucher in der Regel seinen Anspruch auf die Bonuszinsen und muss zum Teil auch einen Teil der Guthabenzinsen zurückzahlen“, berichtet die Verbraucherzentrale. Dieser Verlust bedeute nichts anderes als eine extra Gebühr für das Bauspardarlehen, die aber nicht im Effektivzins enthalten sei. Das Fazit der Verbraucherzentrale: „Bei korrekter Rechnung würde sich das Bauspardarlehen je nach Einzelfall verteuern.“
Das ist nicht nur dreist, sondern auch rechtlich fragwürdig. Von einer „Grauzone zur Falschberatung“ sprechen die Verbraucherschützer. Zwar sei das Anbieten anderer Verträge nicht illegal. Aber die Umdeckung in schlechtere Policen stelle de facto eine Falschberatung dar. „Die Aussichten auf die Erfolgschancen einer Klage muss ein Anwalt bewerten“, heißt es dazu im Pressetext.
Schwierige Rechtslage
Es ist nicht die einzige Masche, mit der Sparkassen und Banken ihre Kunden aus den guten Verträgen drängen wollen. Immerhin zehn derartige "Rausschmeißer" listet die Verbraucherzentrale auf. Es ist eine komplizierte Materie. Manche „Rausschmeißer“ verstoßen eindeutig gegen das Gesetz, andere hängen vom Einzelfall ab, bei anderen hat das Geldinstitut gute Chancen, sich mit seinen Argumenten durchzusetzen.
Da wird für Sparerträge mit langer Laufzeit und hohen Schlusszinsen ein Kündigungsrecht behauptet, das gar nicht existiert – so will die Bank eine hohe Abschlusszahlung zu Vertragsende verhindern. Da behauptet eine Bausparkasse, sie könne einen Vertrag einfach deshalb kündigen, weil er schon einige Jahre zuteilungsreif sei. Der Kunde solle sich doch endlich mal entscheiden, ob er sein Bauspardarlehen noch wolle oder nicht. Wenn sich der Kunde nicht äußere, dann kündige man den Vertrag – auch das ist ein Vorgehen am Rande der Legalität.
Dabei nutzen die Banken bewusst die Unwissenheit der Kunden. Viele Sparer akzeptieren die neuen Konditionen einfach, um nicht in jahrelange Rechtsstreitigkeiten verwickelt zu werden. Und in manchen Fällen ist die Rechtslage so kompliziert, dass nicht einmal genau gesagt werden kann, ob die Banken tatsächlich das Recht brechen oder nicht. Es fehlt vielfach an einer verbindlichen Rechtsprechung.
Rechtsstreit in Ulm um 20.000 Scala-Verträge
So auch in einem Fall, von dem die Südwestpresse berichtet. In Ulm tobt seit Monaten ein erbitterter Rechtsstreit zwischen rund 20.000 privaten Anlegern und der örtlichen Sparkasse. Es geht um Bonuszinsen in sogenannten Scala-Verträgen: Das sind langfristige Verträge mit niedriger Grundverzinsung und einem Zinsbonus am Ende der Laufzeit. Die umstrittenen Verträge wurden bis 2005 angeboten und bieten den Kunden attraktive Renditen, weil die Bank einen hohen Schlussbonus von vier Prozent auf die Zinsen zahlen muss. Das Sparvolumen der Verträge könnte in der Summe mehrere 100 Millionen Euro übersteigen.
Diese Altverträge will die Sparkasse mit allen Mitteln loswerden, denn die hohen Zinsen belasten das Betriebsergebnis. Und so kontaktierte sie auch in diesem Fall ihre Kunden, um ihnen Alternativangebote zu unterbreiten – mit weitaus schlechterer Verzinsung. Wer das Alternativangebot nicht akzeptiert, der soll die Kündigung erhalten. Die Alternativverträge seien immer noch äußerst attraktiv, rechtfertig sich Manfred Oster, Vorstandsvorsitzender der Ulmer Sparkasse, gegenüber der Südwestpresse. Die Sparer erhalten 3,75 Prozent Zinsen bei einer Vertragslaufzeit von sieben Jahren.
In diesem Fall ist die Sparkasse möglicherweise im Recht, sollte sie ihren Kunden tatsächlich kündigen. Aus Sicht des Ulmer Oberbürgermeisters und Verwaltungsrats-Vorsitzenden Ivo Gönner handelt es sich um einen sogenannten „seitenverkehrten Kreditvertrag“, bei dem nicht die Bank dem Kunden, sondern der Kunde der Bank ein Darlehen gibt. Wie ein privater Kreditnehmer könne die Bank den Vertrag aufkündigen. Tausende Anleger haben bereits das Alternativangebot der Sparkasse akzeptiert.
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Der Imageschaden für die Sparkasse Ulm ist dennoch enorm. Neben der Südwestpresse griff auch die FAZ den Konflikt auf. Und nicht alle sind der Meinung, dass die Richter zu Gunsten der öffentlichen Bank entscheiden würden. Wenn die ersten Kündigungen kommen, will die Verbraucherzentrale Stuttgart dagegen klagen – mit Hilfe einer Anwaltskanzlei, die auf Anlegerschutz spezialisiert ist.