Hans-Werner Sinn: Politik soll Kinder im Rentensystem stärker berücksichtigen
Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts, plädiert vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in Deutschland für eine stärkere Berücksichtigung von Kindern im System der Gesetzlichen Rentenversicherung.
"Deutschland altert schneller als fast alle Länder dieser Welt und hat weniger Neugeborene in Relation zu seiner Bevölkerung als jedes andere entwickelte Land dieser Erde", erklärt Sinn die Forderung und ergänzt: "Diese Entwicklung hat fatale Folgen für die Funktionsfähigkeit der staatlichen Sozialsysteme, insbesondere für die Rentenversicherung, denn es fehlen die Beitragszahler, die zukünftig zur Finanzierung der Renten nötig sind."
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Zu den ökonomischen Ursachen der Kinderlosigkeit Deutschlands zählt laut ifo Institut auch das Rentensystem selbst: Die Rentenversicherung habe den Menschen die Verantwortung für ihr Einkommen im Alter genommen und damit den Zusammenhang zwischen Kindern und Lebensstandard im Alter aus dem Bewusstsein der Menschen verdrängt, heißt es in einer Meldung. Zur Korrektur der Fehlentwicklung empfiehlt Sinn, von der Kinderzahl abhängige Rentenansprüche einzuführen. Kinderlose Personen sollen das nicht für Kindererziehung benötigte Geld für sich selbst anlegen, bis sie Kinder haben.
Sinn betont: "Es geht nicht darum, den Staat bei der Familienplanung mitreden zu lassen, sondern ganz im Gegenteil, ihn wieder ein Stück weit aus der Familienplanung herauszunehmen, indem das Ausmaß der Sozialisierung der Schaffenskraft der Kinder zurückgefahren wird." In der aktuellen Situation sieht er eine Dreifach-Belastung von Familien, die mit ihren Rentenbeiträgen die Generation ihrer Eltern finanzieren, durch die Erziehung ihrer Kinder die Renten der Zukunft bezahlen und daneben ihre eigenen Renten über das Riester-Sparen finanzieren sollen.
Konkret schlägt Sinn folgende Schritte vor: Die gesetzliche Rente wird beibehalten, aber sie wird auch nicht immer wieder von neuem mit Steuergeldern aufgeplustert. Beitragssatz und prozentualer Bundeszuschuss werden eingefroren. Zum Ausgleich werden aufstockende Rentensäulen eingeführt: eine Kinderrente und ein verbessertes Riester-Sparen.
Kinderrente (alternativ Mütter- oder Elternrente): Wer Kinder großgezogen hat, bekommt eine umlagefinanzierte Zusatzrente, die die Gesamtrente zusammen mit der Altrente wieder auf das Niveau hebt, das ohne die demographische Krise erreicht worden wäre. Bezahlt wird diese Rente von allen später erwerbstätigen Personen einschließlich der Selbständigen und Beamten, denn alle haben sie Eltern. Diese Rente führt nicht zu zusätzlichen Lasten im Vergleich zu den bereits beschlossenen Rentenreformen, weil letztere stark wachsende Beitragssätze implizieren und einen wachsenden relativen Bundeszuschuss.
Erweitertes Riester-Sparen: Pflichtsparen von etwa 6 bis 8% des Lohneinkommens, das die Gesamtrente der Betroffenen gegen die demographischen Verwerfungen schützt. Jeder, der in das Erwerbsleben eintritt, muss mitmachen, bis er Kinder bekommt. Wird das erste Kind geboren, wird ein Drittel der angesammelten Ersparnis ausgeschüttet und ein Drittel des weiteren Pflichtsparens wird erlassen. Und so wird bei jedem weiteren Kind bis zu drei Kindern verfahren. In dem Maße, wie Kinder geboren und großgezogen werden, wird die Riester-Ersparnis erlassen und sogar zurückgezahlt, während zugleich in Proportion zur Kinderzahl ein Kinderrentenanspruch aufgebaut wird. Wer drei und mehr Kinder hat, ist vom Riester-Sparen befreit und kommt in den vollen Genuss der umlagefinanzierten Kinderrente.
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"Ich bin überzeugt, dass die Einführung der Kinderrente und die von der Kinderzahl abhängige Rückzahlung der Riester-Rente zu der wünschenswerten Änderung der Familienplanung führen und Kindern wieder ein stärkeres Gewicht in der Lebensplanung geben würde", erläutert Sinn seine Vorschläge und ergänzt: "Dies macht unsere sozialen Sicherungssysteme dauerhaft stabil und trägt auch zur Innovationskraft unseres Landes bei."