Versicherungsmakler benötigen einen sogenannten Sachkundenachweis, um ihre Tätigkeit ausüben zu dürfen. Für Politiker scheint dies ganz offensichtlich nicht zu gelten…
Wie ist anders zu erklären, dass vom Gesetzgeber ein verbraucherschädliches Versicherungsprodukt in Form der „geförderten Berufsunfähigkeitsversicherung“ den Markt erreichen wird? Wer hat den Gesetzgeber hier beraten? Werden die Fehler von Riester, Rürup & Co. wider besseren Wissens fortgesetzt? Um diese Fragen zu beantworten, muss man die Einzelheiten genauer betrachten.

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Das Gesetz

Geregelt ist die neue, geförderte Berufsunfähigkeitsversicherung (nachfolgend kurz „gBU“) im „Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge" (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz - AltvVerbG - vom 24.06.2013/ PDF).

Der Gesetzestext (Auszug):
„Sonderausgaben sind … Aufwendungen … des Steuerpflichtigen … für seine Absicherung gegen den Eintritt der Berufsunfähigkeit oder der verminderten Erwerbsfähigkeit (Versicherungsfall), wenn der Vertrag nur die Zahlung einer monatlichen, auf das Leben des Steuerpflichtigen bezogenen lebenslangen Leibrente für einen Versicherungsfall vorsieht, der bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres eingetreten ist. Der Vertrag kann die Beendigung der Rentenzahlung wegen eines medizinisch begründeten Wegfalls der Berufsunfähigkeit oder der verminderten Erwerbsfähigkeit vorsehen. Die Höhe der zugesagten Rente kann vom Alter des Steuerpflichtigen bei Eintritt des Versicherungsfalls abhängig gemacht werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat. … Die Ansprüche … dürfen nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein."

Unbezahlbar für jene, die eine Berufsunfähigkeitsabsicherung am nötigsten brauchen!

Dies ergibt sich aus dem Gesetzestext „lebenslangen Leibrente für einen Versicherungsfall“. Welcher Dachdecker, Kraftfahrer, Fliesenleger, Klempner/Installateur, Gerüstbauer, Kellner, Tischler oder sonstig in der Produktion oder im Handwerk tätige Normalverdiener soll eine solche gBU in ausreichender (!) Höhe in Verknüpfung mit einer lebenslangen Rente bezahlen können? Denn ausreichend wäre die Höhe einer solchen gBU nur dann, wenn die versicherte Rente gut oberhalb des Grundsicherungsbetrages liegen würde.

Der Umkehrschluss

Bezahlbar ist die gBU also z. B. für Apotheker, Architekten, Betriebswirte, Bibliothekare und Hochschullehrer, also für „extrem gefährdete“ Berufe. Manch Einer würde die zugehörigen Berufe auch unter dem ebenso schwachsinnigen Begriff „Elite“ zusammenfassen. Immerhin könnte man dem nicht unberechtigten Verdacht erliegen, dass der Gesetzgeber mit der gBU, neben Riester- und Rürup-Rente, eine weitere „Elite-Versicherung“ für solche Kunden erschaffen hat, die ohnehin schon genug Geld haben. Ein Schelm, der Böses in dem Wissen denkt, dass Beamte des Bundestages ebenfalls einer im Sinne der Berufsunfähigkeit minder gefährdeten, hoch verdienenden Gruppe angehören.

Kopplung von Leibrente und gBU ist verbraucherfeindlich!

Was, wenn während der Vertragslaufzeit der Gesamtbeitrag eines solch ungünstigen Kopplungsvertrages nicht mehr bezahlbar ist, der Einzelbeitrag für die Berufsunfähigkeitsabsicherung aber noch erschwinglich wäre? Der Gesamtvertrag müsste trotzdem gekündigt werden! Eine neue, einzelne Berufsunfähigkeitsversicherung müsste in diesem Fall separat abgeschlossen werden; zu höheren Beiträgen wegen des nun höheren Eintrittsalters. Aber was, wenn der Versicherte zwischenzeitlich erkrankt ist? Ist dann ein neuer Versicherungsschutz überhaupt noch erhältlich und wenn ja zu welchem ggf. exorbitantem Risikozuschlag? Auch in dieser Hinsicht ist die gBU eine haarsträubende Fehlleistung des Gesetzgebers.

Gibt es Leistungsunterschiede zwischen der gBU und einer normalen Berufsunfähigkeitsversicherung?

Ja, denn die Definition zur Berufsunfähigkeit hat der Gesetzgeber gerade nicht von der privaten Versicherungswirtschaft übernommen. Stattdessen ist die Definition dem Leistungskatalog der GRV entnommen. Der Begriff Berufsunfähigkeitsversicherung wird im Gesetz - gerade im Abschnitt Basis-Rente - mit „teilweiser und voller Erwerbsminderung“ umschrieben. Volle Erwerbsminderung liegt demnach dann vor, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, mindestens 3 Stunden am Tag einen Beruf gemessen an der Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung der "üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" nachzugehen. Bei 3-6 Stunden pro Tag kommt die halbe Erwerbsminderungsrente zum tragen. Besonders nachdenklich sollte stimmen, dass auf eine gesetzliche Bestimmung verzichtet wurde, nach welcher der zuletzt ausgeübte Beruf versichert ist. Vielmehr ist die allgemeine Erwerbsfähigkeit versichert. Einer abstrakten Verweisung auf einen anderen als den zuletzt ausgeübten Beruf ist damit Tür und Tor geöffnet. Ausgehend von Vorstehendem, wären dies ganz erhebliche Nachteile gegenüber einer „normalen“ Berufsunfähigkeitsversicherung mit guten Leistungen.

Was wäre wenn?

Stellen Sie sich einfach vor, Gesetzgeber und Versicherungen würden zu einem echten (!) Solidarprinzip und sinnvoller (!) Produktausgestaltung im Bereich der gBU zurückkehren. Wie könnte das aussehen? Vielleicht so:

  • Wegfall aller Berufsgruppen
    bedeutet Verteilung der Risikoprämie auf alle Versicherten
    dadurch bezahlbare Prämien auch für gefährdete Berufsgruppen
  • Leistungsdauer der gBU bis Eintritt der gesetzlichen Altersrente
    also ohne festes Endalter (eine durchaus lösbare Aufgabe für die Aktuare)
  • Leistungskatalog der gBU angelehnt an die „normale“ Berufsunfähigkeitsversicherung statt Anlehnung des Leistungskataloges an die gesetzliche Rentenversicherung
  • Einschluss einer lebenslangen Pflegezusatzversicherung im Anschluss an die gBU
    nahtloser Übergang von gBU in Pflegeversicherung
    nahtlose Aufstockung der Altersrente im Pflegefall
  • steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge für private Vorsorge bis zum jeweiligen Bruttolohn (Grenze der steuerlichen Absetzbarkeit sollte bei Beitragsbemessungsgrenze zur GRV liegen) in Höhe von 100 % für
    Absicherung Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sowie Absicherung schwerer Krankheiten, Pflegezusatzversicherung und Unfallversicherung (hier nur Bereich Invalidität und Todesfall) sowie Risikolebensversicherung
    Altersvorsorge (nicht begrenzt auf Versicherungsprodukte, sondern erweitert auch auf offene Investmentfonds und Bausparen als Anlageprodukt)
    eine solche steuerliche Förderung würde sich für den Staat schon daher lohnen, da er richtig Versicherten nicht mit Grundsicherung den Lebensunterhalt sichern müsste.
  • weitere, zusätzliche staatliche Förderung nur gestaffelt und ausschließlich für niedrige Einkommen und für sinnvolle Produkte
    ermöglicht einen größeren Fördertopf für niedrige Einkommensklassen, also jene, welche die Förderung wirklich brauchen;
    aus dem größeren Fördertopf für niedrige Einkommen ist die Förderung so zu gestalten, dass eine versicherte gBU/Pflege-Rente oberhalb der Grundsicherung ermöglicht wird;
    verhindert die Förderung bei besserem Einkommen, verhindert auch die Förderung der sogenannten „Elite“;
    verhindert Förderung solcher unsinniger Produkte, die nur dem Anbieter, nicht aber dem Verbraucher nützen.

Und die Nicht-Versicherbaren?

Natürlich sind Versicherer wirtschaftliche Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht, was gern vergessen wird. Eine Vorschrift, die Versicherer „zwingen“ würde, bereits Kranke zu versichern, würde dazu führen, dass die Prämien auf Dauer für alle unbezahlbar werden würden. Diesen Umstand werden wir über kurz oder lang bei Pflege-Bahr sehen. Letztlich wird hier also - wenn wir nicht den Weg der staatlichen Allgemeinversicherung gehen wollen - der Staat und damit die Gemeinschaft aller Steuerzahler in Form der Grundsicherung einspringen müssen.

Fazit

Solange der Gesetzgeber nicht eine wirklich sinnvolle gBU ermöglicht, ist insbesondere Gering- und Normalverdienern in höheren Berufsgruppen-Gefahrenklassen von einer gBU dringend abzuraten. Stattdessen sollte eine „normale“ Berufsunfähigkeitsversicherung mit sehr guten Leistungen abgeschlossen werden. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass der Verbraucher bei einer ungeförderten BU ein Endalter festlegen kann, was zu entsprechenden Beitragsersparnissen gegenüber der gBU führt. Diese Beitragsersparnis sollte allerdings ausschließlich dazu verwendet werden, eine sinnvolle BU-Rentenhöhe zu erreichen (oberhalb der Grundsicherung). Ist noch Geld übrig, dann muss der BU ganz unbedingt die BU fürs Alter folgen (Pflegezusatzversicherung). Und: Trennen Sie ganz unbedingt Versicherung und Geldanlage bzw. Altersvorsorge!

Makler müssen aufpassen!

Gerade Versicherungsmakler als Interessenvertreter ihrer Kunden müssen genau aufpassen, was die gBU anbelangt, um nicht später einen Haftungsfall wegen Falschberatung am Bein zu haben. Natürlich ist die Berufsunfähigkeitsversicherung eine der sinnvollsten und wichtigsten Versicherungen überhaupt. Ob eine gBU z.B. bei hohem Einkommen und niedriger BU-Gefahrenklasse sinnvoll sein könnte, muss im Einzelfall geprüft werden. Durch die vorstehend beschriebenen Leistungsunterschiede wohl aber eher nicht. Für niedrige und normale Einkommensklassen, gepaart mit hoher BU-Gefahrenklasse, dürfte es sich bei derzeitiger gesetzlicher Ausgestaltung – auch ohne Beachtung der Leistungsunterschiede – wohl eher nie um ein sinnvolles Produkt für den Verbraucher handeln.

Versicherungsmakler sollten bestehenden Beratungsbedarf mit wirtschaftlichem Erfolg koppeln!

Wirklich sinnvolle BU-Produkte gibt schon lange - ganz ohne gBU. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gibt es etwa 17 Millionen BU-Verträge, wobei fraglich sein dürfte, welche davon eine echte BU-Rente (also nicht etwa nur BUZ-Beitragsbefreiung) enthalten. Davon wären dann noch unsinnige Kopplungsverträge (in Verbindung mit einer kapitalisierenden Versicherung) abzuziehen. Übrig bleiben rechtlich selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherungen. Das sind dann aber - ebenfalls laut Aussage des GDV nur noch 3,4 Millionen Verträge, also lediglich ein Fünftel der großspurig genannten 17 Millionen. Selbst davon wären dann noch die „Sinnlos-BU-Verträge“ abzuziehen, also solche, die eine versicherte BU-Rente unterhalb der Grundsicherung vorsehen. Was bleibt dann übrig?
Ist eine BU aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, so verbleiben als Alternativen die Erwerbsunfähigkeitsversicherung, die Absicherung schwerer Krankheiten, sogenannte Multi-Renten auf Unfallversicherungsbasis und im schlimmsten Falle wenigstens eine erhebliche Aufstockung der Invaliditätsgrundsumme innerhalb einer sehr guten Unfallversicherung.
Der Beratungsbedarf bei den Verbrauchern ist also eben so groß wie die Möglichkeiten für Makler auf verbraucherfreundlicher Basis viel Geld zu verdienen! Das wäre doch gerade für Versicherungsmakler mal ein richtig guter Vorsatz für 2014…

meint mit besten Wünschen für das neue Jahr Ihr

Freddy Morgengrauen

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