Prokon Genussrechte - entstehen Anlegerskandale aus Verdrängungen? - die Zweite
Die Prokon Regenerative Energien GmbH aus Itzehoe fordert von ihren Anlegern, auf Auszahlungen und Kündigungen von Genussrechten zu verzichten, sonst würden diese das auf die Errichtung von Windkraftanlagen spezialisierte Unternehmen bewusst in die Insolvenz treiben. Was sollten Anleger jetzt und zukünftig tun?
Schon in meinem Einwurf „Entstehen Anlegerskandale aus Verdrängungen“ (hier in Sachen INFINUS) bin ich etwas näher auf den „Grauen Kapitalmarkt“ eingegangen. Nun steht offensichtlich ein weiterer Anbieter kurz vor einer selbst angekündigten Insolvenzeröffnung, wenn die Anleger das Vertrauen gänzlich verlieren sollten. Auch hier handelt es sich um Anlegergelder oberhalb der Milliardengrenze.
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Prokon Brandbrief an die Anleger
Die Presse schreibt, dass Prokon die Anleger regelrecht erpressen würde. Darüber kann sich jeder selbst eine Meinung bilden, indem er den Prokon-Brief einfach liest. Erstaunlich finde ich auf jeden Fall, dass die Verantwortung für das Weiterbestehen des Unternehmens den Anlegern zugeschoben wird. Das klingt ganz nach dem Motto „Friss oder stirb“.
Die Kehrseite der Prokon-Medaille
Um die Brisanz eines solchen Vorgehens stark zu vereinfachen, stellen Sie sich einfach folgendes vor: Sie kaufen einen Fernseher mit integriertem Tuner. Nach Aufstellen des Gerätes stellen Sie fest, dass Sie trotz integriertem Tuner keinen Sender haben. Auf Ihre Beschwerde hin offeriert Ihnen der Hersteller, dass Sie zwangsweise entweder einen externen Tuner dazu kaufen müssen oder dass er – im Falle des Nichtkaufs oder bei Rückgabe des Fernsehers – sofort Insolvenz anmelden wird. Was würden Sie dazu sagen?
Prokon - Verbraucherschützer und Presse warnen schon seit einiger Zeit
So z. B. die Verbraucherzentrale Hamburg, aber auch der Bayrische Rundfunk und viele Andere.
Reaktion auf neueste Meldungen zu Prokon in diversen Foren
Es ist immer dasselbe. Vermittler (im Falle Prokon die Kunden) wollen nicht wahr haben, was Tatsache ist. „Bisher habe ich mein Geld immer erhalten!“ steht da zu lesen oder von Hetzkampagnen der Presse - so z. B. hier (siehe unter „Kommentare“ am Schluss des Artikels). Derartige Blogbeiträge gipfeln dann gar in Verschwörungstheorien. Es ist auch eigenartig, wie sich Blogbeiträge zu Prokon und INFINUS gleichen, obwohl diese von zwei verschiedenen Seiten (Vermittler und Kunden) stammen. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt – so wohl auch hier.
Das Prokon-Modell
Verkauft wurden Genussrechte unterschiedlicher Laufzeiten, wie auch im Falle INFINUS. Soweit mir bekannt ist, wurde das Geld bei Prokon mittels Postwurfsendungen, vielfältiger Medienwerbung und zuletzt auch über eigens gegründete Vertriebsstandorte eingesammelt. Ob freie Finanzdienstleister Geld- oder Finanzdienstleistungsinstitute involviert waren, ist mir derzeit nicht bekannt.
Beschaffenheit von Genussrechten
Genussrechte ermöglichen es Anlegern - außerhalb des geregelten Kapitalmarktes - am Reingewinn oder eben auch am Reinverlust einer Gesellschaft teilzuhaben. Die Gewinn- und Verlustrechnung der Gesellschaft zeigt an, was erwirtschaftet wurde. Das Stimmrecht ist bei Genussrechten stets ausgeschlossen.
Totalverlust bei Genussrechten ist möglich
Bei einer Insolvenz oder einer Liquidation der Gesellschaft erfolgt die Rückzahlung von Einlagen der Genussscheininhaber erst nach vollständiger Befriedigung aller anderen Gläubiger; auch erst nach Abzug der Kosten des Insolvenzverwalters. Der Totalverlust der Einlage ist also möglich. Gerade diese Tatsachen werden aber sowohl von Vermittlern, wie auch von Anlegern, gern verdrängt. Anlegern könnte man (z. B. bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation des Verkaufsgespräches) zugute halten, dass sie von diesem Umstand keine oder unzureichende Kenntnis hatten. Allerdings gibt es aber auch Anleger, welche die in Aussicht gestellte Rendite ganz unbedingt als Festgeldanlage sehen „wollen“, im Falle des Fehlgehens der Anlage dann aber laut jammern, sie wären nicht richtig beraten worden.
Soll ich meine Prokon-Anlage jetzt noch schnell kündigen?
Das muss jeder Anleger für sich selbst entscheiden. In jedem Falle kann es aber von Nachteil für die Anleger sein, der Forderung von Prokon nachzukommen das Formblatt „Meine Entscheidung!“ an das Unternehmen zu senden, da er hier ja bestimmte Erklärungen wissentlich unterzeichnet hat. Sollten sich Anleger entschließen zu kündigen, dann ist eine eigens verfasste Kündigung ggf. der eher bessere Weg. Allerdings muss auch gesagt werden, dass solche Anleger, die jetzt kündigen, wohl im Falle einer Insolvenz letztlich ebenfalls den Weg der Insolvenzforderung gehen müssen. Denn mit einer Auszahlung vor dem Termin einer von Prokon selbst in Aussicht gestellten Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist vermutlich eher nicht zu rechnen.
Und ein Insolvenzplanverfahren?
Natürlich eröffnet der Weg einer Planinsolvenz ggf. die Möglichkeit das Unternehmen zu erhalten. Allerdings müssten die Gläubiger von Prokon einem Insolvenzplanverfahren zustimmen. Ob diese Zustimmung erteilt wird, ist ungewiss, denn schon vor Gericht kann der Plan scheitern. Bevor nämlich der Plan den Gläubigern zur Abstimmung vorgelegt wird, prüft das Insolvenzgericht den Plan und kann diesen auch ablehnen. Im Weiteren darf davon ausgegangen werden, dass keine Straftatbestände gegen Prokon vorliegen dürfen, damit dort der Weg eines Insolvenzplanverfahren frei ist. Allerdings ist es dem Vernehmen nach so, dass die Staatsanwaltschaft Lübeck gerade in verschiedenen Fällen einen Anfangsverdacht wegen Betrug und weiterer Wirtschaftsdelikte prüft.
Schutzgemeinschaft für Kapitalanleger e.V. (SDK) setzt sich für Fortführung des Unternehmens ein
Erstaunlich finde ich diese Mitteilung, da SDK in einer anderen Meldung vom 11.12.2013 selbst schreibt „PROKONs stille Reserven sind aus Sicht der SdK zweifelhaft“ und auch „Planungsszenario der PROKON aus Sicht der SdK nicht nachvollziehbar“.
Ganz generell: Ist Dummheit schützenswert?
Mir liegen tatsächlich (in anderer Sache) Anträge zu Genussrechten vor, auf welchen der Vermittler handschriftlich (!) und in Großbuchstaben auf dem Antrag vermerkt hat „Es besteht bei dieser Anlage ein Totalverlustrisiko!“. Auch dieses Unternehmen ging in Insolvenz, auch hier ist das in Genussrechte investierte Anlegergeld wohl weg. Trotz des deutlichen, handschriftlichen Eintrags auf dem Antrag versucht der betroffene Anleger nun den Vermittler wegen angeblich fehlerhafter und unvollständiger Beratung zu verklagen. Welche Erfolgsaussichten wird dieser Anleger wohl haben? Welcher Anwalt hat hier zur Klage geraten? Geht es hier doch eher um das Eigeninteresse des Anwaltes? Ist soviel Dummheit beim Anleger wirklich noch schützenswert? Lautet das neue Motto vereinzelter Anleger: Erst Gier frist Hirn und wenn’s schief geht, dann klage ich eben, egal was auf dem Antrag und in den Unterlagen steht?
S&K, INFINUS, Prokon und die Anwälte
Wenn Sie diese Begriffe bei Google eingeben, dann erhalten Sie laut Google Angabe ungefähr 403.000 Ergebnisse in einer Suchzeit von 0,44 Sekunden (Stand bei Schreiben dieses Artikels). Die weitaus meisten Einträge stammen von Anwälten auf Mandantenfang. Man könnte durchaus sagen, dass S&K für Anwälte eine feine Sommerbescherung, INFINUS das Weihnachtsgeschenk und Prokon nun ein toller Jahresauftakt waren bzw. sind. Nicht selten wird aber hier von Anlegern gutes, neues Geld dem schlechten, wohl verlorenen Geld hinterher geworfen. Selbst bei Prokon (obwohl noch gar nicht insolvent) reißen sich Anwälte schon wieder um Mandanten, wie man leicht im Internet sehen kann. Auch das ist gruselig.
Der Gang zum Anwalt
Meldet ein Unternehmen Insolvenz an und wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist vorerst ein einziger Gang zu einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sinnvoll – mithin der, um die Insolvenzforderung formaljuristisch richtig anzumelden. Nicht mehr und nicht weniger. Erst im Anschluss wird ein seriöser Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht nachhaltig und sorgfältig prüfen, ob weitere Möglichkeiten bestehen, so z. B. die Haftung des Anlagevermittlers wegen fehlerhafter, unvollständiger oder gar völlig fehlender Beratung bzw. Dokumentation. In diesem Zuge wird ein seriöser Anwalt den Anleger aber auch darauf hinweisen, ob eine solche Klage tatsächlich zum Erfolg führen kann und welche Kostenrisiken mit einem Klageverfahren einhergehen. Er wird den Anleger auch darauf hinweisen, dass es beim Vermittler (im Falle dessen Verurteilung) ggf. nichts zu holen gibt, wenn dessen Vermögensschadenhaftpflicht die Leistung ablehnt. All das wird ein guter Anwalt im Vorfeld einer Klageerhebung prüfen und dann - bei berechtigtem Zweifel - auch von einer Klage abraten. Denn was nützt ein gewonnener Prozess ohne Schadenzahlung wegen Insolvenz bzw. genereller Zahlungsunfähigkeit der beklagten Gesellschaft und/oder des beklagten Vermittlers. Dies unterstreicht auch der Präsident des Landgerichtes Dresden.
Fazit: Kaufe nur, was Du verstehst und verstehe, was Du besitzt!
Persönlich rate ich von Anlagen am grauen Kapitalmarkt ganz klar ab! Es sei denn, als Anleger schwimme ich im Geld und will oberhalb von 100.000 Euro einfach mal „spielen“ und eine „Wette“ setzen – im vollen Bewusstsein, das eingesetzte Kapital ggf. vollständig zu verlieren. Normalanleger unterhalb 100.000 Euro sollten ganz unbedingt die Finger vom grauen Kapitalmarkt lassen, insbesondere dann, wenn es sich um Sparpläne handelt. Stattdessen sollten Normalanleger Sparanlagen wählen, wo ihr Geld sicherer ist. Dies ist ausschließlich am geregelten Kapitalmarkt der Fall. So z. B. Festgeldanlagen bei Banken und Sparkassen, aber auch bei offenen Investmentfonds oder Bausparkassen. In allen vorgenannten Fällen ist rein theoretisch zwar ebenfalls ein Totalverlust möglich, aber eher unwahrscheinlich. Denn in Bezug auf Festgeldanlagen bei Banken und Sparkassen wird gern vergessen, dass im Falle der Einlagesicherung nur die Menge des Geldes, nicht aber dessen Wert abgesichert ist – im Zweifel ein fürchterlicher Trugschluss. Von daher empfehlen sich aus meiner Sicht (auch mit Hinblick auf die Vorkommnisse in Zypern) neben ausreichend Barvermögen bei einer Bank oder Sparkasse am ehesten Sachwertanlagen in offenen Investmentfonds. Bei diesen ist das Totalverlustrisiko bei entsprechender Streuung und Auswahl überschaubar und die Anlage stellt darüber hinaus Sondervermögen dar. Es ist damit von Bankpleiten nicht betroffen, insofern die gewählten Fonds nicht gerade in dieselben Geldhäuser investiert sind. Produktgeberunabhängige Informationen zu offenen Investmentfonds erhalten Sie übrigens nicht unbedingt bei Ihrer Hausbank, sondern z. B. bei einem unabhängigem Versicherungs- und/oder Finanzmakler mit Registrierung nach § 34f GewO. Unbedingt beachten sollten Anleger, die in offenen Investmentfonds investieren, dass nicht irgendwelchen Trends oder einem Index (z. B. DAX) nachgelaufen wird, sondern vielmehr ein „gesundes“ Depot erstellt wird. Dies bedeutet u. a., dass Volatilität und Renditechance in einem ausgewogenem Verhältnis stehen sollten, um völlig unangebrachte Panikreaktionen zu umgehen.
Leider kein Ende in Sicht
Allerdings vermute ich, dass die „Gier frist Hirn“-Mentalität noch lange kein Ende gefunden hat. Vermittler und Anleger werden sich auch 2014 von vollmundigen Versprechen, horrenden Provisionen, tollen Renditeaussichten, wunderschönen Hochglanzprospekten, TÜV-Plaketten, tollen Ratings und bezahlten, positiven Pressemeldungen blenden lassen. Merke: Auch Schneeballsysteme funktionieren am Anfang immer, teils über Jahre hinweg. Aber sie finden stets ihr (ggf. schleichendes) Ende – mit entsprechend negativen Erfahrungen für Vermittler und Anleger …
meint Ihr
Freddy Morgengrauen
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