Unister in der Defensive - Manager angeklagt
Top-Manager von Unister angeklagt! Vor einem Jahr geriet das Leipziger Unternehmen Unister in die Schlagzeilen, als bei einer Großrazzia 150 Einsatzkräfte des sächsischen Antikorruptionseinheit INES 20 Büros durchsucht hatten und mehrere Führungskräfte vorübergehend festgenommen wurden. Nun hat die Dresdener Staatsanwaltschaft Anklage gegen mehrere Top-Manager erhoben.
Die Unister-Manager sollen sich vor Gericht wegen Steuerhinterziehung, unbefugten Geschäftstätigkeiten und unerlaubter Werbung verantworten. Dies berichtet die Bild (Donnerstag) mit Berufung auf die Dresdener Staatsanwaltschaft. Dresdens Generalstaatsanwalt Wolfgang Klein erklärte auf Anfrage des Boulevardblattes: „Ja, wir haben Anklage gegen fünf Personen aus der Führungsriege von Unister erhoben!“
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Unter den Angeklagten soll auch Firmengründer und Geschäftsführer Thomas Wagner (34) sein. Im Juli 2002 hatte Wagner als 23jähriger BWL-Student Unister gegründet und innerhalb weniger Jahre zu einem der führenden deutschen Unternehmen für Web-Portale ausgebaut. Unister beschäftigt derzeit etwa 1.850 Angestellte und hat Niederlassungen in neun deutschen Städten, darunter Leipzig (Hauptsitz), Berlin, Hamburg und Dresden. Zu seinen bekanntesten Angeboten gehören die Webportale ab-in-den-urlaub.de, fluege.de und geld.de.
Steuerhinterziehung oder die Frage: Was ist eine Reiseversicherung?
Der Vorwurf des Steuerbetrugs bezieht sich vor allem um das Produkt „Flexify“, das Kunden der Reiseportale vor den anfallenden Kosten einer Stornierung der gebuchten Reise schützen sollte. Strittig ist die Frage, ob es sich dabei um ein vollwertiges Versicherungsprodukt handelt oder schlichtweg um eine Dienstleistung. Ist Flexify eine vollwertige Reiserücktrittsversicherung, so hätte Unister dafür die Versicherungssteuer entsprechend dem Versicherungsvertragsgesetz zahlen müssen – für eine Dienstleistung muss hingegen „lediglich“ Umsatzsteuer entrichtet werden.
Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hält nun Unister vor, die Versicherungssteuer hinterzogen zu haben. Zudem habe das Unternehmen überhaupt keine Erlaubnis für den Vertrieb von Versicherungen besessen. Unister hält dem entgegen, man sei im guten Glauben davon ausgegangen, dass es sich bei „Flexify“ um eine bloße Nebenabrede zum Kaufvertrag handele, man also keine Versicherungssteuer dafür zahlen müsse. Weder habe hinter Flexify ein Versicherungsunternehmen gestanden noch sei es möglich gewesen, die Leistung unabhängig vom Kaufvertrag einer Reise in Anspruch zu nehmen.
„Der uns gemachte Vorwurf könnte - die Staatsanwaltschaft hat dies nicht klar geäußert - in einer unterschiedlichen rechtlichen Bewertung eines unserer angebotenen Produkte liegen“, hatte sich Unister bereits im Dezember 2012 positioniert, nachdem erste Räumlichkeiten durchsucht und Computer beschlagnahmt worden waren. Zudem habe man bereits im Jahr 2011 den Kontakt zur Bafin gesucht, um Unklarheiten bezüglich des Produkts auszuräumen, so Unister in einer Pressemeldung. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei folglich "unverhältnismäßig".
Rechtliche Grauzone - oder eindeutiger Sachverhalt?
Tatsächlich zeigen andere Rechtsstreitigkeiten, dass die Bewertung und Einordnung derartiger versicherungsnaher Zusatzleistungen nicht immer eindeutig ist. Denn es gibt durchaus Urteile, die die Argumentation des Leipziger Netzanbieters stützen.
Ein Hersteller von Ölschmierstoffen verteidigte etwa gegenüber der Finanzaufsicht sein Recht, gegen Aufpreis eine Verschleißgarantie anzubieten, ohne Versicherungssteuer zahlen zu müssen. Eine Einordnung der Garantiezusage als Versicherungsgeschäft „käme auch deshalb nicht infrage, weil es der Leistung an der erforderlichen Selbstständigkeit mangelte“, betonten die Richter damals ihren Urteilsspruch zugunsten des Anbieters (1 A 26/91). Zwischen dem Kauf der Additive und der Garantiezusage bestehe ein derart enger Zusammenhang, daß sie als unselbstständige Nebenabrede zum Kaufvertrag zu qualifizieren sei (Versicherungsbote berichtete). Mit ähnlichen Argumenten rechtfertigt sich auch Unister.
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Die Dresdener Staatsanwaltschaft betont hingegen, dass man gute Chancen auf eine Zulassung der Klage gegen Unister sehe. „Die Tatsache, dass wir Anklage erhoben haben zeigt, dass sich unser Anfangsverdacht erhärtet hat“, so Generalstaatsanwalt Klein. Zusätzlich wird Unister vorgeworfen, mit Schnäppchenpreisen geworben zu haben, die keine waren. Das Leipziger Amtgericht entscheidet nun, ob sich die Beschuldigten vor dem Richter verantworten müssen.