Policenmodell - EuGH macht Weg für eine Kündigungswelle frei
Europäischer Gerichtshof - Versicherungsunternehmen müssen wegen europarechtswidriger Regelungen im Versicherungsvertragsgesetz möglicherweise mit Forderungen in Milliardenhöhe rechnen.
Am 18.12.2013 hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil mit Tragweite für die Assekuranz erlassen. Es ging um die Frage der Europarechtswidrigkeit einer zeitlichen Befristung von einem Jahr für die Ausübung des Widerspruchsrechtes bei Versicherungsverträgen, in denen der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht vollständig oder richtig über seine Rechte belehrt bzw. zum Vertragsinhalt informiert wurde. Die Richter waren der Ansicht, dass die im deutschen § 5a VVG Versicherungsvertragsgesetz im Zeitraum von 1995 bis 2007 enthaltene Regelung gegen europäische Richtlinien verstößt.
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Danach wäre ein Versicherungsnehmer auch dann an den Vertrag gebunden, wenn er vor Abschluss des Vertrages nicht oder nicht vollständig über sein Rücktrittsrecht informiert wurde, jedoch binnen Jahresfrist nicht die Aufhebung des Vertrages durch Ausübung eines Widerspruchsrechts begehrt. Im Ergebnis hält der Gerichtshof die Befristung für unanwendbar, so dass in diesen Fällen auch Jahre später noch die Aufhebung des Vertrages verlangt werden kann.
Lebens- und Rentenversicherungsverträge von Mitte 1994 bis Ende 2007 betroffen
Die Entscheidung betrifft Lebens- und Rentenversicherungsverträge der Vertragsgenerationen von Mitte 1994 bis Ende 2007. Die Folgen der Entscheidung sind jedoch nicht absehbar, gleichwohl hat der EuGH hat mit seiner Entscheidung keinen Freibrief zur Aufhebung von Versicherungsverträgen erteilt.
Insbesondere hat er klargestellt, dass er im Rahmen der vorliegenden Rechtssache nicht darüber zu entscheiden hat, ob das sogenannte Policenmodell insgesamt den Anforderungen der Europäischen Lebensversicherungsrichtlinien entspricht, eine solche Entscheidung hätte in der Tat unabsehbare Folgen. Vielmehr sind nur Verträge betroffen, in denen Informationen oder Belehrungen für die Verbraucher fehlten oder unzureichend und somit fehlerhaft waren.
Voraussichtlich wird das Urteil ins Deutsche Recht übernommen
Das Urteil könnte mehrere Millionen Verträge mit einem Prämienvolumen in Milliardenhöhe betreffen. Welche Folgen das Urteil für den einzelnen Versicherungsvertrag hat und welche Ansprüche gegen die Versicherungsunternehmen bestehen könnten, wird schon bald der Bundesgerichtshof beurteilen. Dieser hatte den Europäischen Gerichtshof angerufen, um über die Europarechtswidrigkeit der Regelungen zu entscheiden.
Voraussichtlich wird er das Urteil so in das Deutsche Recht umsetzen, dass in den Fällen einer unzureichenden Belehrung über das Widerspruchsrecht bei Ausübung des Widerrufs ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch auf Zahlung aller Prämien besteht.
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Fazit:
Die Entscheidung schafft per se keine endgültig verbindliche und einheitliche Rechtslage, mit dem ein Freibrief zur vollständigen Rückabwicklung eines Vertrages dieser Generation verbunden wäre. Sie ist aber maßgeblich für die Prüfung von Millionen Verträgen, ob die Assekuranz ihren Belehrungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist. Sie können somit nunmehr einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden.