In keinem anderen Euroland sind Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland
In keinem anderen Land der Eurozone sind die Vermögen ungleicher verteilt als in Deutschland. Zu dieser Einschätzung kommt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis einer aktuellen Studie. Männer besitzen demnach mehr als Frauen, Ostdeutsche nicht mal halb so viel wie Westdeutsche – das Vermögen der Arbeitslosen ist seit 2002 um 40 Prozent geschrumpft.
Angaben zu durchschnittlichen Nettovermögen der Deutschen sind mit äußerster Vorsicht zu genießen – dies zeigt eine aktuelle Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Demnach verfügt zwar jeder Erwachsene über ein Vermögen von rund 83.000 Euro, dies ist aber im Land äußerst ungleich verteilt. Während diejenigen, die zum reichsten Prozent der Bevölkerung zählen, ein Nettovermögen im Wert von mindestens 800.000 besitzen, verfügt gut ein Fünftel aller Erwachsenen über gar kein Vermögen.
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Bei rund sieben Prozent der Erwachsenen sind die Schulden sogar größer als der Besitz. Diese ungleiche Verteilung des Besitzes verhilft der Bundesrepublik zu einem traurigen Rekord: In keinem anderen Land der Eurozone liegt das Maß für Ungleichheit, der sogenannte Gini-Koeffizient, höher als in Deutschland. Für die Studie haben die DIW-Verteilungsforscher Markus M. Grabka und Christian Westermeier die neuesten Vermögensdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für das Jahr 2012 ausgewertet und mit denen der Jahre 2002 bis 2007 verglichen.
Ungleichheit in Deutschland verharrt auf international hohem Niveau
„Insgesamt hat sich an der Vermögensverteilung im Land wenig geändert, die Ungleichheit verharrt auf hohem Niveau, sagte Grabka. „Deutliche Vermögensverluste mussten allerdings die Arbeitslosen hinnehmen. Sie verfügten im Jahr 2002 noch über ein durchschnittliches Vermögen von rund 30.000 Euro, zehn Jahre später waren es nur noch etwa 18.000 Euro“.
Im Jahr 2012 verfügten die Bürger ab 17 Jahren insgesamt über ein Bruttovermögen (ohne Fahrzeuge und Hausrat) im Wert von 7,4 Billionen Euro. Dem standen Schulden in Höhe von 1,1 Billionen Euro gegenüber. Den größten Teil des Vermögens macht mit 5,1 Billionen Euro der Grund- und Immobilienbesitz aus. Rund 40 Prozent der Erwachsenen bewohnen eine eigene Immobilie, ihr Vermögensanteil ist im Durchschnitt 141.000 Euro wert. Etwa zehn Prozent der Bürger besitzen andere Arten von Immobilien wie vermietete Wohnungen, Grundstücke oder Ferienwohnungen.
Rund 47 Prozent der Erwachsenen besitzen Geldvermögen, im Durchschnitt waren es 29.000 Euro. Etwa 51 Prozent verfügen über Vermögen in Form von privaten Versicherungen oder Bausparverträgen, der Durchschnittswert lag bei 18.000 Euro.
Verschuldung nimmt deutlich zu
Einen signifikanten Anstieg gab es bei der Verschuldung: Im Jahr 2002 waren etwa 27,5 Prozent aller Erwachsenen verschuldet, zehn Jahre später lag der Anteil bei 32 Prozent. „Dabei muss man unterscheiden zwischen Konsumentenkrediten, die von immer mehr Menschen, aber in kleinerer Höhe aufgenommen werden, und Hypotheken, die von gleichbleibend vielen Menschen, aber mit höheren Summen aufgenommen werden“, so Grabka.
Auch fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung zeigen sich zudem deutliche Vermögensunterschiede zwischen Ost und West. Während Erwachsene in Westdeutschland im Schnitt 94.000 Euro Vermögen besitzen, sind es im Osten nur etwas mehr als 41.000 Euro. Der durchschnittliche Wert des selbstgenutzten Immobilienbesitzes liegt im Westen bei etwa 151.000 Euro, im Osten bei etwa 88.000 Euro.
„Der Unterschied zwischen Ost und West zeigt sich erst mit fortschreitendem Alter“, erläutert Verteilungsexperte Grabka. „Während der Ausbildung oder zu Beginn der Berufslaufbahn sind alle relativ vermögensarm, erst ab Mitte 30 entwickeln sich die Besitzverhältnisse auseinander. Ältere Kohorten bleiben im Osten mit einem durchschnittlichen Vermögen von etwa 50.000 Euro deutlich hinter ihren westdeutschen Altersgenossen zurück.“ Da so auch der Nachlass für die nachfolgende Generation niedriger ausfalle, werden diese Unterschiede auch in künftigen Statistiken fortbestehen.
Männer haben mehr Vermögen als Frauen, kinderlose Familien mehr als kinderreiche
Auch in der Genderperspektive zeigen sich Unterschiede bei den Vermögen. Der Nettobesitz von Männern liegen den SOEP-Daten zufolge mit durchschnittlich 97.000 Euro rund 27.000 Euro höher als die der Frauen. Besonders gering fiel das Vermögen von Alleinerziehenden aus: Alleinerziehende mit zwei Kinder verfügten im Schnitt über ein Nettovermögen von 21.000 Euro, mit einem Kind lag es bei 35.000 Euro.
Aber auch wenn die Eltern zusammenleben, sinkt das Vermögen mit steigender Kinderzahl: Ehepaare ohne Kinder besaßen durchschnittlich 108.000 Euro, mit einem Kind waren es durchschnittlich 63.000 Euro, mit zwei Kindern etwas mehr als 50.000 Euro, bei drei oder mehr Kindern sinkt es auf im Schnitt 44.000 Euro. Das höchste Pro-Kopf-Vermögen weisen alleinlebende Männer im Alter von 60 Jahren auf (150.000 Euro).
In keinem anderen Euroland ist Ungleichheit größer
Die Ungleichheit der Vermögen hat sich in den drei Beobachtungsjahren nicht verändert. „Sie verharrt auf einem international sehr hohen Niveau “, urteilt Grabka. „Nirgendwo in der Eurozone sind die Vermögen ungleicher verteilt als in Deutschland.“
Das Medianeinkommen, also der Wert, der die reichere Hälfte der Bevölkerung von der ärmeren trennt, lag mit knapp 17.000 Euro wesentlich niedriger als das durchschnittliche Nettovermögen. Das reichste Zehntel der Bevölkerung besaß ein Nettovermögen von mindestens 217.000 Euro.
In Ostdeutschland gehören Personen mit einem Vermögen von 110.000 Euro bereits zu den reichsten zehn Prozent, im Westen waren 240.000 Euro nötig. „Da die Menschen mit den größten Vermögen in solchen befragungsgestützten Statistiken unterrepräsentiert sind, fallen diese Zahlen tendenziell eher niedriger aus, als sie es in der Realität sind,“, sagt Grabka.
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Der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit misst, lag in Deutschland im Jahr 2012 bei 0,78. Je höher dieser Wert, umso größer ist die Ungleichheit. Bei einem Wert von eins ist die Ungleichheit maximal, bei Null ist sie minimal ausgeprägt. In Frankreich liegt er bei 0,68, in Italien bei 0,61 und in der Slowakei bei 0,45. Höher als in Deutschland ist die Vermögensungleichheit in den USA. Dort lag der Gini-Koeffizient im Jahr 2010 bei 0,87.