Telematik in der Kraftfahrversicherung - Wie die Branche aufgestellt ist
Kundenakzeptanz, Datenschutz und Tarifierung waren Schlagwörter, unter denen man die vierte Fachkonferenz „Telematik in der Kraftfahrversicherung“ der Versicherungsforen Leipzig zusammenfassen kann.
Die EU-Kommission besteht auf der verpflichtenden Einführung des eCalls. Mittel- bis langfristig werden Telematik-Anwendungen damit zur gängigen Ausstattung eines Fahrzeugs gehören. Im Hinblick auf Produktgestaltung, Servicequalität und Schadenmanagement besteht für die deutsche Versicherungsbranche ein enormes Entwicklungspotenzial.
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Momentan wird das Thema in der Branche jedoch immer noch zögerlich angegangen und nur bei wenigen Versicherern gibt es bereits Angebote für den Endkunden. Knapp 100 Teilnehmer fanden sich jedoch bei der Fachkonferenz „Telematik in der Kraftfahrversicherung“ in Leipzig zusammen, um die aktuellen Entwicklungen rund um das Thema Telematik zu diskutieren. Offene Fragen waren, ob Kunden nur über zusätzliche Rabatte für Telematikprodukte gewonnen werden können, oder welche Kampagnen durchgeführt werden müssen, damit der Nutzen von Telematik der breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht werden kann.
Über den aktuellen Stand der Dinge rund um Telematik informierte im Eröffnungsvortrag Jonathan Hewett, CMO von Octo Telematics. Er betonte, dass Verbraucher in anderen Bereichen schon längst telematische Anwendungen nutzen – z.B. bei der Sammlung ihrer Fitnessdaten – und es deshalb zur breiten Akzeptanz von Telematik in der Kraftfahrt nur noch ein kleiner Schritt sei. Eine der größten Herausforderungen sei seiner Meinung nach die richtige Evaluation und Auswertung der durch telematische Anwendung gesammelten Daten.
Inwieweit die eCall-Initiative der EU Telematik einen Innovationsschub geben kann, versuchte Harry Evers, Geschäftsführer IST Niedersachsen herauszustellen. Als Deutschland-Koordinator für das durch die EU-initiierte Demonstrationsprojekt für die Einführung des paneuropäischen eCalls gab er einen umfassenden Überblick über den Entwicklungsstand der Projektes, die Anforderungen an die einzelnen Länder sowie die gesetzlichen Regulierungen, die auf EU-Ebene erlassen werden müssen. Mit Blick auf die Kundenakzeptanz ist die Einführung des eCalls auch ein Türöffner, da die eCall-Hardware Basis für weitere telematische Systeme sein kann. Er wies jedoch darauf hin, dass der Kunde weiterhin entscheiden können muss, welche Anbieter Zugriff auf die Hardware haben, und dass dafür unbeschränkte Schnittstellen vorhanden sein müssen.
Auch Dr. Thomas G. Funke und Dr. Marc Störing von der Rechtsanwaltskanzlei Osborne Clarke betonten, dass die Problematik des Kartell- bzw. Wettbewerbsrechts ein rechtlicher Diskussionspunkt rund um Telematik sei. Damit für Wahlfreiheit der Kunden und faire Wettbewerbsbedingungen gesorgt seien, müsste Telematik-Hardware standardisierte und offene Schnittstellen besitzen. Ein weiterer Faktor, bei dem die Einführung von Telematikangeboten zahlreiche Bedenken hervorruft, ist der Datenschutz. Versicherer sollten sich frühzeitig Gedanken um die Bereiche Datenverarbeitung und -schutz machen, um mögliche rechtliche Hindernisse zu umschiffen.
Individualisierungstrend auch in der Assekuranz
Produkte passen sich heute dem Kunden an, nicht mehr umgedreht. Dies erfahren Kunden in vielen Bereichen des täglichen Lebens, egal ob bei der Zusammenstellung ihres Müslis oder bei der Konfiguration ihres Neuwagens. Dass dieser Individualisierungstrend auch in der Assekuranz eine bedeutende Rolle innehat, zeigte Dr. Oliver Gaedeke, Geschäftsführer von YouGov, in seinem Vortrag. Verschiedene Studien seines Hauses zeigten, dass Pay-as-you drive-Tarife aufgrund des Sparmotivs und der individuellen Tarifierungsmöglichkeiten beim Kunden zunehmend Aufmerksamkeit erfahren.
Einen weiteren wissenschaftlichen Blick auf Telematik lieferte Alexander Mürmann, Universitätsprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien. Er stellte Analysen auf Basis von telematischen Daten vor, die eindeutig zeigen, dass das Fahrverhalten in Zusammenhang mit dem gewählten Kfz-Versicherungstarif steht und erläuterte, welche Möglichkeiten die Analyse von telematischen Daten für die Berechnung telematischer Tarife bieten kann.
Positive erste Erfahrungen im deutschsprachigen Raum
Wie Telematiktarife und -angebote in der Praxis aussehen können, zeigten die Erfahrungsberichte aus den Häusern der Sparkassen DirektVersicherung, der Allianz Suisse sowie der Bayerischen gemeinsam mit Arkwright Consulting. Während die Bayerische noch ziemlich am Anfang steht und im Vortrag darstellte, wie man von der Idee zum Telematik-Produkt gelangt, berichtete Dr. Jürgen Cramer (Mitglied des Vorstands, Sparkassen DirektVersicherung) von der Pionier-Stellung seines Angebots in Deutschland. Da der deutsche Markt sich von anderen Ländern unterscheidet, konnten vor der Produkt-Einführung vergleichbare Angebote aus dem Ausland nur schwer als Vorbild genommen werden. Für ihr Telematik-Produkt entwickelte die Sparkassen DirektVersicherung daher ein Rund-um-Paket, dass auf die Bedürfnisse des deutschen Marktes zugeschnitten ist.
Der Erfahrungsbericht von Thomas Lanfermann (Leiter Produkte/Versicherungstechnik Sach Privat, Allianz Suisse) konnte hingegen bereits ein Resümee aus fünf Jahren Telematik ziehen. Die Strategie des Versicherers in der Schweiz war die Kunden mit Telematik-Services an das Thema heranzuführen, technische Angebote erst danach zu lancieren. Mittlerweile kann Lanfermann von einigen Ergebnissen berichten: Nicht nur die Kundenakzeptanz sei eine große Herausforderung gewesen, auch das für eine Versicherung ungewohnte Angebot eines materiellen Guts wie der Telematik-Hardware bärge einige Stolperfallen. So müsse man sich beispielsweise über Lagerhaltung, Wartung und Garantie Gedanken machen. Obwohl der schweizerische Markt sich vom deutschen wesentlich unterscheide, sieht Thomas Lanfermann Telematik als ein Angebot der Zukunft. Zwar sei Telematik nicht für jeden gesegnet, aber jeder würde einen Grund finden, Telematik dann doch zu nutzen – Versicherer sollten sich frühzeitig darauf einstellen.
Welche Herausforderungen, aber auch Potenziale Telematik für den Bereich Assistance bietet, stellten Monika Epple, Associate Partner Solution Providers, und Peter Bornschein, Leiter Markt- & Produktentwicklung Roland Assistance, dar. Sie gaben zu bedenken, dass die Telematik-Systemlandschaft momentan noch sehr heterogen ist und Assisteure die Anforderungen (sowohl im Hinblick auf Technologien als auch Kundenversprechen) verschiedener Versicherer bedienen müssen.
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Trotz der aktuellen Bedenken und Hürden hat sich während der Fachkonferenz gezeigt, dass die technologischen Entwicklungen der Telematik weiter voranschreiten werden. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass telematische Systeme im Ausland bereits erfolgreich sind. Für die deutsche Assekuranz gilt es weiterhin eigene Erfahrungen zu sammeln und sich nicht vor diesem Trend zu verschließen, der nicht zuletzt durch die Einführung des paneuropäischen eCalls weiter an Fahrt gewinnen wird.