Die geplante Pflegereform sorgt aktuell für Verstimmungen zwischen CDU und Sozialdemokraten. So fordert die CDU, den Versicherungsbeitrag für Kinderlose weit stärker anzuheben als für Eltern. Ein Vorhaben, dass beim Koalitionspartner auf Unverständnis stößt.

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„Eltern ziehen zukünftige Beitragszahler groß“

Bisher zahlen Kinderlose 0,25 Prozentpunkte mehr in die Pflegeversicherung ein als Eltern mit Kindern. Doch geht es nach dem Willen des CDU-Gesundheitsexperten Jens Spahn, müssen sich Kinderlose zukünftig auf Mehrbelastungen einstellen. Man könne für Kinderlose „den Beitrag weiter spreizen und dann auch diese Mehreinnahmen für die Zukunft ansparen“, sagte Spahn der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).

Die Begründung für Spahns Forderung: „Eltern ziehen Kinder und damit zukünftige Beitragszahler groß“. Daher habe das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe zu Recht entschieden, Eltern bei der Höhe des Pflegebeitrags besserzustellen.

SPD: Mehrbelastung im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen

Die SPD lehnt den Vorstoß ihres großen Koalitionspartners ab. „Das wäre eine weitere Belastung für Kinderlose, die im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen ist“, sagte SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis. Und drohte Konsequenzen an, sollten die Christdemokraten nicht von ihren Forderungen abweichen. Wenn die CDU ihre Pläne weiter verfolge, dann stelle die SPD den geplanten Vorsorgefonds in Frage.

Dieser staatliche Vorsorgefonds soll jährlich mit 1,2 Milliarden Euro gefüttert werden, so dass Beitragszahler in zwanzig Jahren entlastet werden können. Denn dann kommen die geburtenstarken Jahrgänge in ein Alter, in dem viele mit hoher Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig werden.

„In zwanzig Jahren gibt es so viele Unwägbarkeiten, dass man das Geld dafür verwenden kann, um jetzt rasch die neuen Kriterien der Pflegebedürftigkeit zu erfüllen“, sagte Mattheis der FAS. Zudem sei ein solcher Fonds riskant, weil er Begehrlichkeiten wecke. „Versichertengelder kann man nicht vor Zugriffen schützen“, so das wenig optimistische Resümee der Gesundheitsexpertin.

Auch Streit über „Rente mit 63“

Nicht nur die Pflegereform sorgt in der großen Koalition für Verstimmungen: die CDU fordert nun auch Nachbesserungen bei der „Rente mit 63“. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner drohte sogar mit einem Scheitern des Vorhabens. Zwar sei diese Teil des Koalitionsvertrages, sagte Klöckner der Saarbrücker Zeitung. Aber der aktuelle Entwurf müsse noch nachgebessert werden. Sollte die SPD das nicht verstehen, "dann gibt es wohl keine Einigung und wohl keine Rente mit 63", warnte Klöckner.

Vor allem die Anrechnung von Arbeitslosen-Zeiten stößt Klöckner sauer auf: sie fürchtet einen Missbrauch der Regelung. Denn theoretisch könnten Arbeitnehmer sogar deutlich vor ihrem 63. Lebensjahr abzugsfrei in Rente gehen, wenn die angerechnete Erwerbslosigkeit am Ende des Berufslebens steht - vor einem derartigen Effekt hatten Arbeitsmarktexperten gewarnt. Sollte es eine Anrechnung von Arbeitslosenzeiten geben, "dann nur sehr begrenzt", forderte die Christdemokratin.

Ähnlich äußerte sich der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung Carsten Linnemann. "Der vorliegende Gesetzentwurf ist für mich und viele meiner Kollegen nicht zustimmungsfähig, da er einer neuen Frühverrentungswelle Vorschub leistet", sagte Linnemann der Rheinischen Post. Auch Fraktionschef Volker Kauder hatte sich am Sonntag für Neuverhandlungen des Rentenvorhabens stark gemacht.

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SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zeigte Verständnis für die Forderungen des Koalitionspartners. Auch die SPD wolle keine Welle der Frühverrentung, sagte er in der ARD. "Ich glaube, wir werden uns am Ende vernünftig verständigen können – auf der Basis des Koalitionsvertrages."

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung