Zahlreiche Überstunden, volle Wartezimmer, bürokratische Hürden – Wer in Deutschland als Arzt tätig sein will, der muss einiges erdulden. Speziell in Kliniken ist die Belastung für Mediziner hoch. „Deutschland ist im Begriff, zum Land der Fließband-Medizin zu werden“, hatte Rudolf Henkel, Vorsitzender des Marburger Bundes, im März 2013 gewarnt. Anlass war eine Umfrage unter Krankenhausärzten, wonach drei Viertel der Klinikärzte im Schnitt mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten und 24 Prozent sogar zwischen 60 und 70 Stunden pro Woche Dienst schieben.

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Fast 16.900 Ärzte seit 2007 ausgewandert

Doch offenbar sind immer weniger Ärzte bereit, die hohe Belastung in Deutschland zu akzeptieren. Laut einem Bericht der Berliner Zeitung sind zwischen 2007 und 2012 insgesamt 16.882 Mediziner in andere Länder ausgewandert. Dies gehe aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken im Bundestag hervor, die dem Blatt vorliege.

Hauptziel der aus Deutschland auswandernden Mediziner ist mit großem Abstand die Schweiz (4269 Ärzte), gefolgt von Österreich (1659), den USA (1041) und Großbritannien (605). Im Schnitt verlassen rund 3.500 Mediziner pro Jahr die Bundesrepublik.

Gefragt hat die Linke auch nach den durchschnittlichen Kosten eines Medizinstudiums, um den Schaden für die Volkswirtschaft zu ermitteln. „Ergebnis: Für Lehre und Forschung bis zum universitären Regel-Abschluss betragen die Kosten rund 193.000 Euro“, berichtet die Berliner Zeitung. Die Einbußen bei allen seit 2007 ausgewanderten Ärzten summieren sich demnach auf 3,3 Milliarden Euro.

Zuwanderung von Ärzten aus ärmeren Ländern

Zeitgleich findet eine entgegengesetzte Entwicklung statt: immer mehr Mediziner wandern aus ärmeren Ländern in die Bundesrepublik ein. Nach einer von der Regierung vorgelegten Statistik waren 2012 in Deutschland 28.310 ausländische Ärzte in Deutschland tätig, die Zuwachsraten steigen seit 2008 ständig. Die wichtigsten Herkunftsländer im Jahr 2012 waren Rumänien (700 Ärzte), Österreich (600 Ärzte), Russland (500), Syrien (318), Griechenland (306) und Ungarn (303).

Unterm Strich aber ist ein Minus an Ärzten zu beklagen – seit 2007 hat Deutschland fast 5.400 Mediziner verloren. Zudem arbeiten 22.300 ausländische Ärzte in Kliniken und haben keine eigene Praxis, wohl weil für die Gründung einer eigenen Niederlassung viel Startkapital notwendig ist. Gerade im ambulanten Bereich werden aber Ärzte händeringend gesucht – die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) prognostiziert 42.000 freie Vertragsarztsitze bis zum Jahr 2017.

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„Zuwanderung löst nicht die Probleme der ambulanten Versorgung“, mahnt deshalb die Linken-Politikerin Birgit Wöllert. „Wir brauchen gute Konzepte zur hausärztlichen Versorgung und zur Bedarfsplanung, statt vom Ausbluten ärmerer Länder zu profitieren“, sagte die Gesundheitsexpertin der Berliner Zeitung.

Berliner Zeitung