Wenn man sich fragt, welche Institution hierzulande die größte Glaubwürdigkeit genießt, führt an der Stiftung Warentest kein Weg vorbei. Astronomische 82 Prozent aller Bundesbürger gaben bei einer Umfrage des Wirtschaftsverbandes GPRA an, dass sie dem Urteil der Warentester vertrauen. Zum Vergleich: Journalisten genießen nur zu 37 Prozent das Vertrauen der Bundesbürger, Politiker gar nur zu 15 Prozent (laut einer Studie des GfK-Vereins).

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Doch ist dieses Vertrauen gerechtfertigt? Daran werden nach einer Reihe umstrittener Testurteile zunehmend Zweifel laut. Wie die Welt am Sonntag (WamS) berichtet, diskutieren Wissenschaftler und Politiker darüber, ob die Berliner Produkttester ihre Ergebnisse zu sehr aufbauschen und damit Unsicherheit unter Verbrauchern verbreiten.

Vorwurf: Stiftung Warentest "schürt Ängste"

Problematisch könne zum Beispiel sein, wenn die Stiftung ihre Testergebnisse so kommuniziere, dass „vermeintliche Gesundheitsrisiken aufgeblasen werden“, sagte der Vizepräsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR), Reiner Wittkowski. Ähnlich äußerte sich der wissenschaftliche Leiter des Hamburger Umweltinstituts Michael Braungart: die Organisation "schüre Ängste unter den Verbrauchern, die teils völlig unberechtigt sind". Nun mahnen Politiker wie der Saarländische Verbraucherschutzminister Reinhold Jost (SPD) zu mehr Transparenz bei den Produkttests.

Vorausgegangen waren mehrere Testvergleiche, bei denen andere Institutionen zu teils stark abweichenden Urteilen kamen. So hatte die Stiftung vor „elektromagnetischem Schmutz“ von E-Bikes gewarnt, der angeblich den Funkverkehr von Polizei und Feuerwehr störe. Die Bundesnetzagentur verlautete danach, sie könne derartige Phänomene nicht nachvollziehen. Als übertrieben geißelten die offiziellen Behörden auch eine Warnung, wonach die Schokolade in Weihnachtskalendern mit Mineralöl verschmutzt sei. Die Stiftung Warentest wiederum konterte, man halte die gesetzlichen Grenzwerte für zu lasch.

Vergleich von Versicherungsprodukten bemängelt

Auch beim Vergleich von Versicherungsprodukten mussten sich die Verbrauchertester Kritik gefallen lassen. So bot die Stiftung auf ihrer Webseite einen kostenpflichtigen Autoversicherungs-Vergleich an und bewarb diesen mit dem Slogan „Die günstigsten Tarife für Ihr Fahrzeug“.

Ein Versprechen freilich, das nicht immer eingelöst werden konnte. So berichteten unzufriedene Leser, die ihnen unterbreiteten Tarife seien bis zu 50 Prozent teurer gewesen als die bisherige Kfz-Versicherung und hätten sogar schlechtere Konditionen geboten. Ein großes Manko der Analyse: viele Versicherungsanbieter (rund 1/3) kamen in der Stiftung Warentest-Analyse gar nicht vor, weil diese nicht über die erforderlichen Angebote verfügten (Versicherungsbote berichtete).

BU-Vergleich mit Mängeln

Unter Beschuss geriet auch ein Vergleich von Berufsunfähigkeitsversicherungen in der Zeitschrift Finanztest 7/2013. Den Anstoß gab Versicherungsmakler Matthias Helberg, der eine wahre Flut von positiven Testurteilen beobachtete: immerhin 58 von 75 getesteten Tarifen erhielten die Wertung „sehr gut“. Nach Ansicht der Kritiker wurde hier zu wohlwollend bewertet, wohl auch deshalb, weil die Stiftung den Verbrauchern explizit zum Abschluss einer solchen Police rät.

Viele Qualitätsmerkmale, die nach Ansicht von Vermittlern für eine gute BU-Absicherung unerlässlich sind, wurden hingegen im Test gar nicht abgefragt. Durchs Raster fiel etwa, welchen Beruf der Anbieter versichert, wenn man z.B. aufgrund einer Elternzeit die Berufsausübung unterbricht. Oder ob es für Selbstständige nach dem BU-Fall spezielle Umorganisationspflichten für den Arbeitsplatz gibt. Dass irgendwo eine Auswahl von Testkriterien getroffen werden muss, ist hingegen auch klar (eine ausführliche Auflistung fehlender Leistungspunkte findet sich auf der Webseite von Matthias Helberg).

Ein „mangelhaft“ kann das Aus für ein Produkt bedeuten

Bei all diesen Beobachtungen stellt sich die Frage: Wer testet die Verbrauchertester und kontrolliert die Qualität der Produktvergleiche? Wer haftet, wenn doch einmal ein Produktvergleich in die Hose geht? Und müsste die Stiftung ihre Tests nicht transparenter machen? Die Testlabors der Stiftung Warentest sind für ihre Geheimniskrämerei bekannt – auch, um eine Einflussnahme der Unternehmen auf die Untersuchungen zu verhindern. Doch nicht immer geht aus den Testberichten hervor, warum bestimmte Qualitätsmerkmale gewichtet werden und andere unter den Tisch fallen.

Dass es um mehr geht als um strittige Details, zeigt die große Marktmacht der Marke „Stiftung Warentest“. Fast jeder Dritte orientiert sich bei wichtigen Kaufentscheidungen an den Testergebnissen, berichtet die Berliner Morgenpost – und damit auch an der Arbeit der Prüfer. Ein positives Testurteil kann den Absatz eines Produktes ankurbeln, ein negatives das Aus bedeuten und sogar die Existenz eines Unternehmens gefährden.

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Umso mehr ist Stiftung Warentest-Vorstand Hubertus Primus bemüht, eventuelle Zweifel an der Arbeit der Institution auszuräumen. Er finde nicht, dass zu sehr skandalisiert werde, sagte Primus der WamS. Im Gegenteil: „Gerade bei mangelhaft-Urteilen gehen wir ganz sicher, dass die Testurteile stimmen und gerechtfertigt sind. Wir orientieren uns immer daran, was der Verbraucher unserer Meinung nach von einem Produkt erwartet.“ In Rechtsstreitigkeiten mit Unternehmen ging die Stiftung bisher fast immer als Sieger hervor - lediglich gegenüber dem Schokoladehersteller Ritter Sport erlitt man in erster Instanz eine Niederlage. Ob es zum 50jährigen Jubiläum Reformbedarf bei den Verbrauchertestern gibt, wird am Dienstag Abend auch in der ARD diskutiert: die Sendung „Menschen bei Maischberger“ bringt Kritiker und Befürworter zusammen.

Welt am Sonntag