Im August 2012 hatte sich die Geschäftsführung des Versicherers VHV mit Arbeitnehmervertretern auf den Abbau von 120 Stellen geeinigt. Das Ganze sollte fair verlaufen und ohne böses Blut. Aufhebungsverträge wurden unterzeichnet, Abfindungen gezahlt und eine Transfergesellschaft gegründet, die den teils langjährigen Mitarbeitern bei der Suche nach einem neuen Job helfen sollte. Wie vergiftet aber die Atmosphäre zwischen dem Konzern und den entlassenen Mitarbeitern ist, zeigt der aktuelle Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Hannover.

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Ehemalige Mitarbeiter fühlen sich getäuscht

Die 7. Kammer des Arbeitsgerichtes unter dem Vorsitz von Axel von Straten musste am Donnerstag entscheiden, ob die Entlassungen rechtens waren oder nicht. Denn die früheren Mitarbeiter fühlen sich durch die VHV schlichtweg getäuscht. Offiziell seien die Stellen wegen Sparmaßnahmen weggefallen, in Wirklichkeit aber durch billige Leiharbeiter ersetzt worden, argumentieren die ehemaligen Angestellten. Laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes ist es verboten, die Stammbelegschaft einfach gegen Leiharbeiter auszutauschen (Az.: 7 ABR 91/11).

Die Anfechtungsklagen der 50 ehemaligen VHV-Mitarbeiter wurden aber allesamt abgewiesen, wie die Hannoversche Allgemeine berichtet. Demnach konnten die Arbeitsrichter keinen Beleg finden, dass die neu angestellten Kräfte tatsächlich wie Leiharbeiter eingesetzt werden. Man fühle sich durch den Richterspruch bestätigt, die Mitarbeiter im Rahmen der Aufhebungsverträge fair behandelt zu haben, erklärte VHV-Sprecherin Martina Westholt.

Trotz dieses Urteilsspruches muss sich der Versicherer fragen lassen, ob er aufrichtig mit seinen langjährigen Angestellten umgegangen ist. Die angeblich weggefallenen Stellen wurden tatsächlich wieder besetzt – durch externes Personal mit Werkverträgen und teils deutlich schlechterer Bezahlung, wie die Hannoversche Allgemeine berichtet. Weil die neuen Mitarbeiter keine Weisungen von VHV-Vorgesetzten entgegennehmen dürfen und offiziell nicht zum Konzern gehören, hatte das Arbeitsgericht Hannover an dem Tausch nichts zu beanstanden. Es bleibt ein bitterer Beigeschmack.

Rechtsanwalt kündigt Berufung an

Die entlassenen Angestellten wollen sich freilich noch nicht geschlagen geben. Hätten sie gewusst, dass ihre Arbeitsplätze nicht wegfallen, sondern von Billiglöhnern ausgefüllt werden, hätten sie die Aufhebungsverträge nicht unterzeichnet, argumentieren die enttäuschten Kläger. Manche von ihnen waren 30 Jahre und länger für die VHV tätig. Eine neue Arbeit haben bisher die wenigsten gefunden.

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Rechtsanwalt Michael Falke kündigte an, er werde mit einigen der Kläger in Berufung gehen. Auch an der angeblichen Unabhängigkeit der neuen Firma hat er Zweifel. „Nach unseren Informationen nutzte dieser Dienstleister Räume der Versicherung, VHV-Mitarbeiter gaben dessen Personal Anweisungen. Das war kein gewöhnliches Outsourcing, sondern hier wurden langjährige Versicherungsangestellte durch Leiharbeiter mit 8,50-Euro-Mindestlohn ersetzt”, erklärt Falke der Bild-Zeitung. Ob ihm alle bisherigen VHV-Kläger folgen werden, ist indes unklar. Nicht jeder habe eine Rechtsschutzversicherung, die finanzielle Folgen einer Niederlage abfedern würde.

Hannoversche Allgemeine