Mütterrente - Rentnerinnen in Grundsicherung gehen größtenteils leer aus
Die Mütterrente soll die soziale Absicherung von Rentnerinnen verbessern, die vor 1992 Kinder bekommen und erzogen haben. Doch ist das wirklich der Fall? Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin gehen gerade jene leer aus, die am meisten von Altersarmut bedroht sind. Demnach profitieren rund 300.000 Rentnerinnen in der Grundsicherung kaum von der Mütterrente.
Es ist ein zentrales Reformvorhaben der großen Koalition: Ab dem 01. Juli 2014 erhalten Rentnerinnen, die vor 1992 ein Kind bekommen und großgezogen haben, für jeden Heranwachsenden einen zusätzlichen Entgeltpunkt bei der Rente gutgeschrieben. Mütter (ggf. auch Väter), die von der Regelung profitieren, erhalten pro Monat und Kind einen zusätzlichen (Brutto)Pauschalbetrag von 28,14 Euro in den alten bzw. 25,74 Euro in den neuen Bundesländern. Damit will die Bundesregierung die Erziehungsleistung von Eltern besser anerkennen und die Altersarmut von Müttern mindern.
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Aber wer profitiert wirklich von der Mütterrente, die pro Jahr immerhin 6,7 Milliarden Euro verschlingen wird? Wissenschaftler des Deutschen Intstituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Munich Center for the Economics of Aging (MEA) stellen der Reform ein durchwachsenes Zeugnis aus. Zwar begünstige die Mütterrente Anspruchsberechtigte mit kleinen und mittleren Altersbezügen stärker als solche mit hohen Einkommen, wie Berechnungen ergeben hätten. Das Problem hierbei: rund 294.000 Rentnerinnen, die derzeit nur die Grundsicherung von 700 Euro erhalten, werden voraussichtlich leer ausgehen.
Grundsicherung auf Mütterrente voll angerechnet
Da die Mütterrente „voll auf die Grundsicherung angerechnet“ werde, könnten die meisten der bedürftigen Ruheständler nicht davon profitieren, heißt es in einer Pressemitteilung des DIW Berlin. Brisant ist dies auch deshalb, weil die unteren Einkommensklassen die Mütterrente mit ihren Beiträgen mitfinanzieren. Sie werden für eine Reform zur Kasse gebeten, die ihnen später nichts nützen wird.
Bezahlen müssen die Reform den Wissenschaftlern zufolge die Kinderlosen und die Rentenbeitragszahler – eben auch die Niedriglöhner. Insgesamt werde das Bruttorentenniveau allein durch die Mütterrente bis 2018 um durchschnittlich 0,4 Prozentpunkte sinken, der Beitragssatz im gleichen Zeitraum um 0,3 Prozentpunkte steigen. Errechnet haben die Forscher die Verteilungswirkung mit Simulationsmodellen, die nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten Auswirkungen abschätzen, etwa durch die notwendige Anpassung des Rentenbeitrags und des Rentenniveaus.
1,4 Milliarden Euro fließen in die Staatskasse zurück
Auch sind die Rentner nicht die alleinigen Profiteure der Mütterrente – Vater Staat hält ebenfalls sein Geldsäckel auf. Von den jährlich eingeplanten Kosten in Höhe von 6,7 Milliarden Euro verbleiben den Wissenschaftlern zufolge nur etwa 5,3 Milliarden Euro bei den Ruheständlern. Der Rest fließe über höhere Steuern, Sozialbeiträge oder eingesparte Transferzahlungen wieder an den Staat zurück.
Doch welchen Ruheständlern nützt die Reform besonders? Um die Auswirkungen der Mütterrente auf die Einkommensgrößen vergleichen zu können, haben die Wissenschaftler zehn gleich große Einkommensklassen -sogenannte Dezile- gebildet. Über alle Haushalte betrachtet profitierten prozentual zunächst die Haushalte mit kleinem Geldbeutel. In den untersten Dezilen steigt das Einkommen durchschnittlich um knapp 5 Prozent, im obersten nur um knapp ein Prozent. Im Schnitt erhöhen sich die Einkommen der begünstigten Rentner-Haushalte um 2,7 Prozent.
Doch das Problem bleibt. Gar nicht oder nur in eingeschränktem Maße profitieren Rentnerinnen, die Grundsicherung beziehen oder durch die Rentenerhöhung aus der Grundsicherung herauswachsen. Derzeit erhalten etwas mehr als drei Prozent aller Frauen im Alter ab 65 Jahren Grundsicherung. „Der größte Teil von ihnen wird gar nicht profitieren“, so die Experten.
Durch die Finanzierung sinken die hohen Einkommen leicht
Werden nicht nur die direkten Einkommenswirkungen, sondern auch die Verteilungswirkungen der Finanzierung berücksichtigt, so zeigt sich, dass die hohen Einkommen in der Gruppe aller Haushalte ebenso wie in der Gruppe aller Rentnerhaushalte leicht sinken. Der Grund: Zur Finanzierung der Reform müsse der Beitragssatz steigen und das Rentenniveau sinken. Dadurch reduziere sich der gesamte Einkommenseffekt über alle Haushalte, einschließlich der Erwerbstätigen, auf 1,6 Milliarden Euro.
So fallen auch die Einkommenseffekte für alle Privathaushalte deutlich niedriger aus als bei alleiniger Betrachtung der Rentenerhöhung. Der höhere Beitragssatz lässt die Einkommen in den oberen Dezilen leicht sinken. In den unteren Dezilen dominiert der Einkommenseffekt durch die Rentenerhöhung: Die Einkommen steigen im Durchschnitt zwischen einem und 0,1 Prozent. In den obersten vier Dezilen sinken die Einkommen leicht zwischen 0,05 und 0,1 Prozent.
Belastet werden Arbeitnehmer und Kinderlose
Von der Mütterrente profitieren allerdings nur die Anspruchsberechtigten – also Rentner mit Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder. „Bezahlen müssen die Reform die Rentenbeitragszahler, also die rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer sowie die gesetzlich oder freiwillig versicherten Selbstständigen, auch die mit den geringen Einkommen“, erläutern die Wissenschaftler. „Belastet werden auch die übrigen Rentner, die keine Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder haben. Ihr Nettoeinkommen wird in den nächsten Jahren um durchschnittlich 0,8 Prozent sinken, soweit sie keine Grundsicherungsleistungen beziehen.“
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Auch die rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer verlieren in geringem Umfang durch die Beitragssatzerhöhung. „Die negativen Wirkungen für die Arbeitnehmer könnten allerdings noch stärker ausfallen – etwa weil sich durch den höheren Arbeitgeberanteil kleinere Spielräume für Lohnerhöhungen ergeben oder es zu Arbeitsplatzverlusten in geringem Umfang kommt“, so die Wissenschaftler.