Eine Stockholmer Schwarzfahrerversicherung sorgt derzeit weltweit für Schlagzeilen: mehrere Versicherungskunden zahlen in einen gemeinsamen Topf ein, aus dem dann die Bußgelder erstattet werden, wenn sich ein „blinder Passagier“ erwischen lässt. Doch warum wird so etwas nicht in Deutschland angeboten, wo doch auch hierzulande die Fahrpreise explodieren? Versicherungsbote hat eine unmoralische Presseanfrage an die Versicherungsplattform Friendsurance geschickt, ob eine Schwarzfahrerversicherung nicht das passende Geschäftsmodell für sie wäre. Friendsurance-Gründer und Geschäftsführer Tim Kunde erteilte unserer kleinen schmutzigen Geschäftsidee aber eine klare Absage.

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Tim Kunde gründete 2010 das Startup Friendsurance.Pressefoto Friendsurance

Versicherungsbote: Sie schreiben auf ihrer Webseite: "Friendsurance ist die erste Versicherungsplattform, die das Solidarprinzip von Versicherungen mit modernen sozialen Netzwerken kombiniert." und "Die Kunden schließen sich zu kleinen Gruppen zusammen. Ein Teil ihrer Versicherungsbeiträge fließt in einen gemeinsamen Topf", aus dem Schäden beglichen werden. In Schweden gibt es seit einiger Zeit einen ähnlichen Ansatz der Absicherung: dort werden eventuelle Bußgelder beim Schwarzfahren abgesichert. Wäre das auch ein Modell für Friendsurance?

Tim Kunde: Nein. Zum einen haben wir uns auf innovative Versicherungslösungen spezialisiert. Zum anderen setzt unser Ansatz – anders als das schwedische Modell – auf umsichtiges und faires Verhalten: Wir haben erkannt, dass viele Menschen ihre Versicherungen nie oder nur selten in Anspruch nehmen. Im Gegenzug honorieren Versicherungsunternehmen umsichtiges und faires Verhalten aber nicht. Deshalb haben wir unser Gruppen-Prinzip entwickelt, das Schadensfreiheit mit Beitragsrückzahlungen belohnt und so Versicherungen günstiger macht. Für 2013 haben über 90 Prozent der Friendsurance-Mitglieder, die das Gruppen-Prinzip nutzen, Beiträge zurückgezahlt bekommen. Unsere Vision ist es, in Zukunft allen Versicherten das Gruppen-Prinzip anbieten zu können. Ein Modell, das auf unfairem Verhalten oder sogar Straftaten basiert, kommt für uns nicht in Frage.

Versicherungsbote: Allein in Berlin wurden über eine halbe Million Schwarzfahrten registriert. Der Bedarf an einer Absicherung dürfte also vorhanden sein. Wieso hat sich diesem Thema Ihrer Meinung nach noch keine deutsche Versicherung angenommen? Schließlich schreibt sogar die New York Times, es handle sich dabei um ein „beneidenswertes Geschäftsmodell“.

Tim Kunde: 500 Mitglieder nach 13 Jahren wie bei der Schwarzfahrerversicherung in Schweden klingen nicht unbedingt nach einem wirtschaftlich beneidenswerten Geschäftsmodell. Entscheidend ist aber, dass wir Anreize für faires Verhalten setzen wollen, nicht für gemeinschaftlichen Betrug.

Versicherungsbote: Ist ein solches Modell überhaupt rein rechtlich möglich bzw. versicherungstechnisch darstellbar? Immerhin handelt es sich bei Schwarzfahren bzw. -um den juristischen Begriff zu wählen- „Beförderungserschleichung“ um eine Straftat nach §265a des StGB, die sogar mit Gefängnis bestraft werden kann.

Tim Kunde: Versicherungstechnisch lässt sich da sicherlich eine Lösung finden. Ob das aber auch rechtlich möglich wäre, kann ein Jurist besser beantworten.

Versicherungsbote: Sind Vorbehalte gegen eine Schwarzfahrversicherung eventuell auf das strengere Rechtsempfinden der deutschen Bevölkerung zurückzuführen? Sind die Bundesbürger vielleicht einfach „zu brav“ für ein solches Model?

Tim Kunde: Mag sein. Was in Deutschland auf jeden Fall gut funktioniert ist das umgekehrte Modell, wenn sich faires Verhalten belohnt wird.

Vielen Dank für das Interview! (Fragen Björn Bergfeld und Mirko Wenig)

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Hintergrundinformationen: Friendsurance ist eine Online-Plattform, über die Freunde sich zusammenschließen können, um bei Versicherungstarifen Geld zu sparen. Die Idee dahinter: Kunden schließen über die Webseite eine Versicherung ab und bilden mit Freunden, die ebenfalls über Friendsurance versichert sind, ein kleines Netzwerk. Innerhalb dieses Netzes unterstützen sie sich gegenseitig, wenn kleinere Schäden anfallen. Die Versicherungs­police hingegen nehmen die Versicherten nur in Anspruch, wenn größere Schäden auftreten. Das soll den Versicherungen Geld sparen und dafür sorgen, dass die Versicherten am Jahresende Teile ihrer Versicherungsbeiträge zurückerstattet bekommen.