Aktuare sehen Nachbesserungsbedarf beim Lebensversicherungsreformgesetz
Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) sieht im Bezug auf das Lebensversicherungsreformgesetz noch Nachholbedarf. Es sei zwar begrüßenswert, dass sich die Bundesregierung angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase verstärkt der Zukunft des Lebensversicherungssystems zuwende, doch der Gesetzentwurf unterlaufe Vorschriften des europäischen Aufsichtsrechts Solvency II.
„Das nun auf den Weg gebrachte Lebensversicherungsreformgesetz mildert zwar die Folgen der Niedrigzinsphase im Interesse der Versichertengemeinschaft ab, es unterläuft aber offenen Auges die Vorschriften des neuen europäischen Aufsichtsrechts Solvency II“, unterstrich der DAV-Vorstandsvorsitzende Rainer Fürhaupter anlässlich des Kabinettbeschlusses.
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Als positiv bewerteten die Versicherungs- und Finanzmathematiker die geplante Neuregelung der Beteiligung an den Bewertungsreserven: „Damit wird ein fairer Interessenausgleich zwischen abgehenden und im Versichertenkollektiv verbleibenden Versicherungsnehmern garantiert.“
Deutlich kritischer sah die DAV hingegen die geplante Kopplung der Begrenzung der auszuschüttenden Bewertungsreserven auf festverzinsliche Kapitalanlagen mit einer Ausschüttungssperre von Bilanzgewinnen. Dies erschwere erheblich die Kapitalzuführung an den Finanzmärkten, wodurch die langfristige Finanzierung der Unternehmen gefährdet werde. Dabei sei die Stärkung der Eigenkapitalausstattung und damit eine verbesserte Risikotragfähigkeit eine der zentralen Forderungen von Solvency II, um künftigen Finanzkrisen entgegenzuwirken.
Vor diesem Hintergrund zeigte sich der DAV-Vorstandsvorsitzende auch gegenüber dem Ansinnen skeptisch, Versicherungsnehmer fortan mit mindestens 90 statt wie bisher mit 75 Prozent an den sogenannten Risikoüberschüssen zu beteiligen. „Für die langfristige Stabilität des Systems ist das kontraproduktiv“, so Fürhaupter. Denn dadurch würde der Spielraum für Versicherungen noch kleiner, ihre von der EU-Kommission geforderten Solvabilitätsvorschriften einzuhalten.
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Hintergrund:
Solvency II ist ein europäisches Projekt, das die EU-weite Harmonisierung des Aufsichtsrechts in Versicherungen verfolgt und diese mit den aufsichts-rechtlichen Regelungen für Kreditinstitute in Einklang bringen will. Mit Solvency II sollen ab 1. Januar 2016 die heutigen Solvabilitätsvorschriften für Versicherungsunternehmen, also die Anforderungen an die vorzuhaltenden Eigenmittel, zu einem risikobasierten Aufsichtssystem weiterentwickelt werden.