Haben auch Verstorbene Anspruch auf Urlaub? Auf den ersten Blick erscheint die Frage, mit der sich der Europäische Gerichtshof aktuell auseinander setzen musste, reichlich bizarr. Aber sie hat einen ernsten Hintergrund, geht es doch darum, ob Hinterbliebene Ansprüche gegenüber dem früheren Arbeitgeber des Verstorbenen geltend machen können. Hier hat das höchste europäische Gericht die Rechte der Erben gestärkt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.

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140 unbezahlte Arbeitstage angesammelt

Im verhandelten Rechtsstreit hatte die Witwe eines Einzelhandelskaufmanns darauf bestanden, dass ihr die Urlaubsansprüche des Gatten ausgezahlt werden. Immerhin 140 unverbrauchte Urlaubstage konnte der fleißige Angestellte sammeln, bevor er krank wurde und verstarb. Der Wert der Ansprüche bezifferte sich auf 14.600 Euro. Die Witwe wollte auf die Summe nicht verzichten und verlangte die Auszahlung an sie als Erbin.

Doch das Unternehmen wollte nicht zahlen und so zog die Erbin vor Gericht, um den Rechtsstreit durch alle europäischen Instanzen durchzufechten. Dabei zeigte sich erneut, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) gern anders entscheidet als deutsche Gerichte. Denn in Deutschland war Urlaub bisher definiert als bezahlte Freiheit, die der Erholung dient. Eine Auszahlung von Urlaubsansprüchen war Arbeitgebern hingegen nur in Ausnahmefällen erlaubt, damit sie den Urlaub nicht einfach gegen „Aufpreis“ streichen können. Folglich hat das Bundesarbeitsgericht in der Vorinstanz zugunsten des Arbeitgebers entschieden (BAG, Az. 9 AZR 416/10).

Urlaubsansprüche bleiben über den Tod hinaus bestehen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg kassierte jedoch das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes. Und betonte explizit, dass Ansprüche auf Urlaub auch über den Tod hinaus bestehen, weshalb Erben eine Abgeltung von der Firma verlangen können. Die Auszahlung von Resturlaub nach dem Tod stelle nach Auffassung des Gerichts gerade „die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs sicher“, erklärt die Süddeutsche. Der Arbeitgeber des verstorbenen Handelskaufmanns muss also die Witwe auszahlen (Az. C-118/13).

Während die Rechte der Beschäftigten mit dem Urteil gestärkt werden, fürchten die Arbeitgeber neue Belastungen. „Auch wenn es zynisch klingt: Auf diese Weise wird jeder Todesfall in der Belegschaft zum Finanzrisiko“, erklärte Tillmann Hecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht für Noerr in Frankfurt/Main, der Süddeutschen Zeitung. Denn in Fällen, bei denen es um hundert oder mehr Urlaubstage gehe, würden signifikante Summen fällig.

Negative Konsequenzen für Arbeitnehmer befürchtet

Im schlimmsten Fall könnte das Urteil sogar negative Folgen für Beschäftigte haben. Denn der Richterspruch des EuGH gilt nur für den gesetzlich garantierten Mindesturlaub. Arbeitsexperten erwarten deshalb, dass Arbeitgeber das finanzielle Risiko minimieren wollen und den Beschäftigten vertraglich vereinbarten Zusatzurlaub streichen. Das wiederum könnte die Attraktivität des Arbeitsplatzstandortes Deutschland für Fachkräfte mindern.

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Aktuell stehen deutschen Beschäftigten laut Gesetz 24 Tage Urlaub bei einer Fünf-Tage-Woche zu. Wer jedoch selbst auf diese kurze Erholungszeit verzichtet, schadet sich selbst: Studien wie der DAK Urlaubsreport 2013 haben gezeigt, dass ausreichend Erholung für die Gesundheit immens wichtig ist. Wer viele Überstunden macht und keinen Urlaub nimmt, erhöht sein Risiko, an Leiden wie Herzinfarkt, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Depressionen zu erkranken.

Süddeutsche Zeitung