Und plötzlich hatte es die Große Koalition ganz eilig. Am Freitag verabschiedeten Unionsparten und SPD das sogenannte Lebensversicherungs-Reformgesetz (LVRG), welches die Lebensversicherer in Zeiten des Niedrigzinses fit machen soll für die Zukunft. In den Wochen zuvor war beinahe jeder Eckpunkt des neuen Gesetzestextes kontrovers diskutiert worden. Versicherungsgesellschaften, Vermittler und Verbraucherverbände hatten sich teils heftig attackiert.

Anzeige

Insgesamt nahmen 538 Abgeordnete an der Abstimmung im Bundestag teil. 437 stimmten für ja, 47 für nein und 54 enthielten sich. Bereits kommenden Freitag soll das LVRG auch den Bundesrat passieren, damit es noch im Juli in Kraft treten kann. Doch was steht drin im Lebensversicherungs-Reformgesetz? Auf welche Änderungen müssen sich Kunden und Branchenvertreter einstellen?

Keine Offenlegung der Provisionen in Euro und Cent

Ganz im Sinne des Versicherungsvertriebes dürfte es sein, dass der federführende Finanzausschuss des Bundestages die geplante Offenlegung der Abschlussprovisionen in Euro und Cent gekippt hat – quasi in letzter Sekunde, wie der BdV bemängelt. Diese Offenlegungspflicht hätte nicht nur für Lebensversicherungen gelten sollen, sondern u.a. auch für Berufsunfähigkeits-Policen, Riester-Renten sowie Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr.

Für mehr Transparenz soll ab 2015 die Angabe der sogenannten Effektivkosten sorgen, die laut VVG-Informationspflichten-Verordnung verpflichtend ausgewiesen werden müssen. Diese Kennziffer zeigt an, um wie viel die Rendite eines Vertrages durch die Abschlusskosten insgesamt geschmälert wird.

Ob die Effektivkosten-Kennziffer tatsächlich eine bessere Vergleichbarkeit der Produkte garantieren wird, ist umstritten. Schon jetzt kommt sie bei Riester-Verträgen zur Anwendung, ohne dass die meisten Kunden transparent nachvollziehen können, wie hoch die Kosten eines Vertrages sind. Zudem führe die Kennziffer nach Einschätzung von Experten in die Irre, weil sie nur aussagekräftig sei, wenn der Vertrag tatsächlich bis zum Ende durchgehalten werde. Viele Versicherungsnehmer kündigen aber ihre Altersvorsorge vor Ablauf des vereinbarten Termins.

Senkung des Garantiezines auf 1,25 Prozent

Zum 01. Januar 2015 sinkt der Garantiezins für Neuverträge in der LV-Sparte von derzeit 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent. Damit folgt die Bundesregierung einer Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung, die eine Absenkung aufgrund der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt für notwendig hält. Die Attraktivität der Lebensversicherung könnte darunter weiter leiden.

Das Problem: Lebensversicherungen müssen große Teile ihrer Kundenbeiträge in vermeintlich sichere Staatsanleihen investieren, die immer weniger Rendite einbringen. Wer z.B. in Bundesanleihen investiert, erhält derzeit nur magere 1,4 Prozent Verzinsung. Zwar liegen die Kapitalerträge der Versicherer noch immer deutlich über dem Garantiezins. Das aber könne sich ändern, wenn das Zinsniveau dauerhaft niedrig bleibt, warnen die Aktuare.

Höchstzillmersatz auf 25 Promille beschränkt

Auch die Versicherungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers ihre Vertriebskosten senken, um somit einen Beitrag zur Lösung der Krise zu leisten. Deshalb wird der Höchstzillmersatz, der bilanziell geltend gemacht werden kann, mit Inkrafttreten des LVRG von 40 auf 25 Promille abgesenkt.

Die Zillmerung als mathematisches Verfahren erlaubt es den Versicherungsgesellschaften, große Teile der Abschluss- und Vertriebskosten dem Kunden mit den ersten Beitragszahlungen in Rechnung zu stellen. Dadurch verringert sich das angesparte Deckungskapital zum Nachteil des Versicherungsnehmers. Speziell bei einer vorzeitigen Kündigung der Lebensversicherung wirkt sich das Zillmerverfahren nachteilig aus – weil der Kunde Provisionen und Verwaltungskosten quasi vorfinanziert, ist der Rückkaufswert des Vertrages niedriger.

Hier will der Gesetzgeber nachbessern. Mit der Senkung des Höchstzillmersatzes sinken zwar nicht zwangsläufig die Abschlussprovisionen für Vermittler. Provisionsexzesse könnten aber zukünftig schwieriger werden, da die Abschlussprovisionen überwiegend aus den laufenden Beiträgen gezahlt werden müssen.

Wie werden Versicherungsnehmer zukünftig an Bewertungsreserven beteiligt?

Ein Kern des Lebensversicherungsreformgesetzes bezog sich auf die Frage, wie Kunden zukünftig an Bewertungsreserven in der Lebensversicherung beteiligt werden sollen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte gemahnt, dass die Bewertungsreserven auf alte Wertpapiere zuletzt enorm angeschwollen seien, ohne dass ihnen ein tatsächlicher Wertzuwachs gegenüber stehen würde. Im vergangenen Jahr hätten die Lebensversicherer monatlich rund 300 Millionen Euro an Bewertungsreserven an ausscheidende Kunden zahlen müssen.

Was aber sind Bewertungsreserven überhaupt? Dabei handelt es sich um Buchgewinne auf jene Vermögenswerte, die Versicherer mit dem Geld ihrer Kunden gekauft haben. Der Kölner Stadt-Anzeiger (KSTA) verdeutlicht dies anschaulich an einem Beispiel: „Eine Versicherung kauft Aktien für 1000 Euro. Durch Kurssteigerungen an der Börse legt deren Wert auf 2000 zu. In den Büchern der Versicherung stehen sie aber noch mit 1000 Euro. Die Versicherung hat also Bewertungsreserve von 1000 Euro. Die Hälfte davon muss sie an die Kunden ausschütten, wenn deren Vertrag ausläuft.“

Als heimtückisch entpuppt sich dabei die Tatsache, dass die Beteiligung der Kunden auch für Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere gilt, etwa für Staatsanleihen und Bundeschatzbriefe. Bei diesen Schuldscheinen ist die Wertsteigerung mitunter nur scheinbar vorhanden. Zwar werden die Anleihen auch an der Börse gehandelt und unterliegen folglich Kursschwankungen. Aber die Anleihen besitzen einen festen Anfangs- und Endwert, wenn sie der Versicherer bis zum Ende der Laufzeit im Portfolio behält. Von einer Wertsteigerung kann dann aus Sicht des Investors nicht gesprochen werden. Die aktuell hohen Ausschüttungen beruhen folglich auf Scheinwerten, die das Versicherungskollektiv langfristig belasten, warnen Finanzexperten wie BaFin-Chefin Elke König.

Für Bewertungsreserven auf Aktien und Immobilien ändert sich durch das Reformgesetz folglich nichts. Bei festverzinslichen Wertpapieren gilt allerdings: Wenn ein Versicherer in Schwierigkeiten steckt und seine Garantien an Kunden langfristig nicht bedienen kann, wird er von der Pflicht befreit, die gerade ausscheidenden Kunden an den Bewertungsreserven für festverzinsliche Papiere zu beteiligen.

Anzeige

Das bedeutet: Wenn es ganz hart kommt, werden jetzige Lebensversicherungs-Kunden, die ab August ihren Vertrag beenden, vorerst gar nicht von den Reserven profitieren. Als Ausgleich ist vorgesehen, dass die Verbraucher höher an den Risikogewinnen der Versicherer beteiligt werden. Künftig stehen ihnen mindestens 90 Prozent der Risikogewinne zu statt wie bisher 75 Prozent.