HSBA Hamburg will Nachwuchsprobleme der Branche lösen
Die Wirtschaftshochschule HSBA Hamburg School of Business Administration hat jüngst ein neues Institut gegründet, das ab Oktober einen berufsbegleitenden MBA-Studiengang mit Spezialisierung auf Versicherungen anbietet. Dies sei „ein konsequenter Schritt, um die Attraktivität des Standorts Hamburg für die Versicherungswirtschaft zu stärken“, heißt es in einer Pressemeldung. Anlass für Versicherungsbote, einmal genauer bei Annette Hofmann, Professorin für Risikomanagement und Versicherungen an der HSBA, nachzufragen: an welche Zielgruppe richtet sich dieses Studium? Was sind die Studieninhalte? Und wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Studium und Beruf aus?
Versicherungsbote: Die HSBA Hamburg School of Business Administration hat mit dem „Hamburg Institute of Risk and Insurance“ ein neues Institut gegründet und bietet jeweils einen betriebswirtschaftlichen Bachelor- und einen Masterstudiengang mit Versicherungsschwerpunkt an. Wieso haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?
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Annette Hofmann: Die Angebote für die Versicherungswirtschaft sind aufgrund des Bedarfs unserer Partnerunternehmen aus dieser Branche entstanden und in Abstimmung mit der Praxis konzipiert worden. So können die Studierenden des Bachelor-Studiengangs Business Administration und des MBA Corporate Management in der Spezialisierung Insurance ihr Wissen zielgenau vertiefen.
Versicherungsbote: An welche Zielgruppen richtet sich der MBA-Studiengang – und wie können die Teilnehmenden von dem Studium Ihrer Ansicht nach profitieren?
Annette Hofmann: Der MBA kann nicht nur von Hochschulabsolventen mit bereits erfolgreich abgeschlossenem Erststudium, sondern auch von durch langjährige Berufserfahrung qualifizierten Personen ohne Hochschulabschluss erlangt werden. Der Branchenschwerpunkt „Insurance“ vermittelt fundiertes theoretisches und praxisnahes Wissen aus allen relevanten Funktionsbereichen eines Versicherungsunternehmens. Die Studierenden erweitern ihr Gesamtverständnis in Bezug auf die Funktionsweise von Versicherungsmärkten, die Kalkulationsgrundlagen und aktuelle Chancen und Herausforderungen in Versicherungsunternehmen. Sie verbessern ihre Problemlösungs- und Methodenkompetenz durch die Bearbeitung und Analyse von Fallstudien, Kalkulationsbeispielen sowie durch diverse Praxisvorträge und können so auf eine Managementposition oder wichtige Aufgaben als Führungsnachwuchskräfte vorbereitet werden.
Versicherungsbote: Können Sie bitte kurz umreißen, welche Studieninhalte im Detail vermittelt werden?
Annette Hofmann: Die Spezialisierung Insurance Management besteht aus den vier Modulen Datenanalyse und Statistik, Strategisches Risikomanagement, Versicherungsmanagement und aus dem Research Seminar. Im Modul Datenanalyse und Statistik wird der Grundstein für die Spezialisierung gelegt. Hier werden u.a. Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Risikomaße erläutert, die Funktionsweise des Risikoausgleichs sowie statistische Methoden der Auswertung und Analyse von Daten erarbeitet. Im Modul Strategisches Risikomanagement wird die theoretische Basis auf das Versicherungsgeschäft angewendet. Im Fokus stehen das Verständnis von Risiken, deren Bewertung, die Ökonomik der Versicherungsnachfrage sowie den Instrumenten des Risikomanagements, insbesondere der Rückversicherung und der alternativen Risikotransferprodukte. Das Modul Versicherungsmanagement befasst sich mit der Führung von Versicherungsunternehmen. Neben den gesetzlichen Grundlagen wird auf die versicherungsspezifische Preisgestaltung und ihre Hintergründe eingegangen. Das Seminar behandelt aktuelle Fragestellungen des Risikomanagements, der deutschen und internationalen Versicherungswirtschaft sowie der Versicherungsökonomik.
Versicherungsbote: Der MBA Studiengang richtet sich an Menschen, die bereits fest im Berufsleben stehen. Wie wollen Sie die Vereinbarkeit von Job und Beruf gewährleisten?
Annette Hofmann: Das zweijährige Programm ist als berufsbegleitendes Studium derart konzipiert, dass die Studierenden sich weiterqualifizieren können ohne die Anbindung an den Arbeitgeber zu verlieren. Der Studiengang ist somit nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die das Studium unterstützenden Unternehmen von Vorteil. Präsenzphasen in Form von einigen Vollzeitwochen, verlängerten Wochenenden und Selbststudienphasen zur Vertiefung der Studieninhalte wechseln sich über einen Zeitraum von 24 Monaten ab. Geplant ist zudem eine einwöchige Exkursion. Eine Anwesenheitspflicht besteht nicht.
Versicherungsbote: Sie betonen in Ihrer Pressemitteilung die Attraktivität des Standortes Hamburg für die Versicherungswirtschaft. Worin äußert sich die Attraktivität – und wie kann sie zukünftig (über die Gründung des Instituts hinaus) gesteigert werden?
Annette Hofmann: Der Finanzplatz Hamburg ist geprägt durch seine jahrhundertealte Versicherungs- und Maklergeschichte. Zusammenschlüsse von Kaufleuten wie beispielsweise Brandgilden lassen sich in Schleswig-Holstein bis 1442 zurückverfolgen. 1676 wurde hier das älteste bestehende Versicherungsunternehmen der Welt, die „Hamburger Feuerkasse“, durch Rat und Bürgerschaft der Stadt Hamburg gegründet. Daher ist es kein Zufall, dass auch insbesondere eine Großzahl der Versicherungsmakler seit langem in Hamburg ansässig ist. Darüber hinaus gibt es eine in Deutschland einzigartige Versicherungsbörse. Sie dient der Branche als Forum für den Informationsaustausch sowie die Geschäftsabwicklung, insbesondere bei Transportversicherungen sowie Feuer- und Haftpflichtversicherungen für die Industrie. Die zur Börse zugelassenen Versicherungsvertreter, freiberufliche Makler, Assecuradeure und Sachverständige nutzen die tägliche Hamburger Versicherungsbörse auch dafür, Angelegenheiten aus laufenden Verträgen zu regeln sowie Dokumente zu unterzeichnen und auszutauschen. Der nach wie vor starke Versicherungsmakler-Standort und die Versicherungswirtschaft in Hamburg sollen durch den MBA Corporate Management mit dem Branchenfokus Insurance gestärkt werden, indem eine Qualifizierungsmöglichkeit des Managementnachwuchses vor Ort in enger Kooperation mit der Wirtschaft erreicht wird.
Versicherungsbote: Die Versicherungsbranche hat ein Nachwuchsproblem. Zum Beispiel sind Versicherungsvertreter im Schnitt 48,8 Jahre alt, wie eine Studie des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute ergab, nur 3,1 Prozent der Befragten waren jünger als dreißig Jahre. Was sind Ihrer Meinung nach Ursachen dafür, dass sich so wenig junge Menschen für einen Job in der Branche entscheiden?
Annette Hofmann: Das Image der Branche hat in der jüngeren Vergangenheit durch einige schwarze Schafe sowie diverse Nachrichten über die Finanzkrise und ihre möglichen Ursachen gelitten. Eine Karriere in der Versicherungswelt kann vielfältige Aufgabenbereiche umfassen, sehr spannend sein und Nachwuchs wird dringend gesucht, so dass gute Gehälter gezahlt werden und die Arbeitsplätze als vergleichsweise sicher eingestuft werden können.
Versicherungsbote: Und was kann getan werden, um die Versicherungsbranche für den Nachwuchs interessant zu machen?
Annette Hofmann: Für die Generation Y ist Geld längst nicht mehr der alles entscheidende Faktor. Viel wichtiger sind flexible Arbeitszeiten, sinnstiftende Aufgaben und eine gute Kommunikations- und Feedbackkultur. Die Attraktivität eines Berufes wird stark von persönlichen Begegnungen geprägt. Darum ist es so umso wichtiger, dass die Mitarbeiter in der Versicherungsbranche hervorragend ausgebildet sind.
Versicherungsbote: Vielen Dank für das Gespräch! (Die Fragen stellte Mirko Wenig)
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Steckbrief Prof. Dr. Annette Hofmann: Annette Hofmann ist seit 2013 Professorin für Risikomanagement und Versicherungen an der HSBA Hamburg School of Business Administration. Die gelernte Bankkauffrau (ABN Amro Bank AG) studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, an der University of Nottingham Business School (UK) und an der Sorbonne (Université Paris I). 2009 promovierte sie an der Universität Hamburg mit einer Arbeit zur mikroökonomischen Theorie der Versicherungsmärkte. Die Dissertation erhielt mehrere Auszeichnungen. Sie verfügt über Berufserfahrung sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft.