MDK in der Kritik - Wird Patienten zu Unrecht eine Pflegestufe verweigert?
Pflegestufe: Verweigert der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zu Unrecht Patienten eine Pflegestufe, damit die Krankenkassen Geld sparen können? Diesen schweren Vorwurf erhebt aktuell das ARD-Magazin "Report Mainz" gegen den MDK. Die erstellten Gutachten würden zum Teil nicht stimmen oder nicht einmal bei den Betroffenen vor Ort erstellt, kritisieren Gesundheitsexperten.
Unrealistische und falsche Pflegegutachten
Aufgekommen sind die Vorwürfe durch Recherchen für das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“. Demnach war es im Jahr 2012 das Ziel des MDK, eine vorgegebene Aktenlagebegutachtung von 30 Prozent am Schreibtisch durchzusetzen. Laut Schätzungen entsprechen generell 70 Prozent der Gutachten nicht dem Hilfebedarf der Versicherten, für die letztendlich Nachteile entstehen. Der Verdacht liegt nahe, dass Pflegebedürftigen eine Pflegestufe zu Unrecht verweigert wurde – damit die Krankenkassen Geld sparen können.
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Das Problem: Ohne die Empfehlungen des MDK ist die Einstufung in eine Pflegestufe nicht möglich. Dabei gibt es drei Pflegestufen, die nach Pflegezeit erteilt werden. Die erste beinhaltet einen Pflegeaufwand von mindestens 90 Minuten täglich, in der zweiten sind es 180 Minuten und benötigt der Betroffene Unterstützung von 300 Minuten täglich, erhält er die dritte Pflegestufe. Bei eben dieser Einordnung entscheide der MDK oft nur wegen wenigen Minuten falsch oder es erfolge sogar eine Ablehnung ohne adäquate bzw. realistische Begründung, so der Vorwurf von "Report Mainz".
Bundesgesundheitsminister Gröhe sieht Unabhängigkeit des MDK gefährdet
Ein Zweifel an der gesetzlich festgelegten Unabhängigkeit des MDK wird nun besonders durch die Zielvorgabe von 30 Prozent laut, die schließlich eine dienstliche Verpflichtung darstellt. Kritiker glauben, dass der MDK mit niedrigen Einstufungen und Ablehnungen Geld einsparen wolle. Damit würde er nicht mehr im Interesse der Patienten handeln.
Ein Indiz für Interessenskonflikte: in den MDK-Verwaltungsräten sind nach Recherchen der ARD vielfach hauptamtliche Mitarbeiter der Krankenkassen vertreten. Pflege-Experte Ingo Heberlein sieht dadurch eine unabhängige Begutachtung gefährdet, weil es im Interesse der Krankenkassen liegt, dass wenig Pflegestufen ausgestellt werden – diese Patienten kosten die Kassen schließlich mehr Geld.
Auch die Politik ist alarmiert. Laut einer ARD-Mitteilung hat sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) dazu entschieden, nach der Sommerpause ein Gesetz in Angriff zu nehmen, das den Einfluss der Krankenkassen in den MDK-Verwaltungsräten auf die medizinischen Dienste zurückdrängen soll. Es werde geprüft, „ob wir entweder zu einer Begrenzung der Zahl der Hauptamtlichen aus Krankenkassen in diesen Gremien kommen oder gar zu einer Unvereinbarkeit einer Gremienmitgliedschaft mit einer entsprechenden hauptamtlichen Tätigkeit“, wird Gröhe in der ARD-Pressemitteilung zitiert.
Pflegetagebuch kann falscher Einstufung vorbeugen
Bisher schafft der MDK Transparenz durch Hinweise und Offenlegungen zum Prozess der Begutachtung. Ein Pflegetagebuch mit genau aufgeführtem Tagesablauf und ein "natürliches" Verhalten beim Besuch eines MDK-Mitarbeiters können einer falschen Einstufung vorbeugen. Andernfalls gibt es noch die Möglichkeit, innerhalb von vier Wochen Widerspruch bei der Pflegeklasse gegen ein Gutachten einzulegen.
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Aktuell werden die Beschuldigungen durch den MDK zurückgewiesen. Die Verwaltung schließe seit Jahren Ziele mit der Geschäftsführung ab und diese seien seit Jahren unverändert. Ab 2017soll es einen Wechsel von den drei Pflegestufen zu fünf Pflegegraden geben. Die Maßnahme wird im Rahmen der Pflegereform umgesetzt und davon sollen die Betroffenen profitieren. Ein Hoffnungsschimmer für eine präzisere Einstufung, denn dann wird es erweiterte Kriterien geben. Die Sendung von "Report Mainz" ist in der ARD-Mediathek abrufbar.